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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Nation thun sollen" u. s. w., eine Verfügung, die mit denselben
dürren Worten noch oft vergeblich wiederholt worden ist. Es
gibt keine unbeholfenere und undankbarere Maßregel gegen das
schlüpfend bewegliche Gaunerthum, als diese ungelenken nächt-
lichen Hetzjagden, zu denen sich lange Zeit vorher die Behörden
verbinden, und auf welchen, wenn sie auch nicht vorher durch das
überall die polizeiliche Wirksamkeit in Obacht und Schach haltende
Vigilantenthum oder durch geschwätzige und unvorsichtige Beamte
verrathen sind, in den Krügen, Mühlen und einsamen Hirten-
und Tagelöhnerhütten nur sehr wenig Jndividuen sich finden lassen,
welche letztere man obendrein höchstens nur als Vaganten, nicht
aber als wirkliche Gauner in flagranti ergreifen und strafen kann.
Nur den gelegentlichen untergeordneten Vortheil gewähren die
"Taterjagden", daß sie auf einige Tage das Gesindel in Be-
wegung bringen, das aber auch, gewitzigt und meistens vorher
gewarnt, sich gerade für diese Zeit vom Lande in die belebten
Städte flüchtet, in deren Krügen, Bordells und Kneipen eine
gleichzeitige, unverdrossene, mehrtägige und tüchtige Nach-
suchung bei weitem größere Resultate erzielt, als die umständliche
"Taterjagd" auf dem ländlichen Revier. Zum Glück verschwin-
den diese holperigen Jagden überall mehr und mehr, wo die ein-
zelnen Sicherheitsbehörden ihre Untergebenen zur vollen Wahr-
nehmung ihrer Pflicht zu befähigen, anzuhalten und zu überwachen
verstehen. So kommt man immer wieder darauf zurück, daß
ganz allein eine genaue Kenntniß der Gaunerkunst und
eine verständige Heranbildung tüchtiger Polizeibeamten
das einzigste und sicherste Mittel ist, um dem Gauner überall in
den Versteck des bunt bewegten social-politischen Lebens nachfol-
gen zu können. Alles was von den tüchtigsten Praktikern und
Schriftstellern des ersten Viertels dieses Jahrhunderts richtig und
erschöpfend zum Vorschlag gebracht wurde -- später ist kaum
etwas Neueres und Besseres gesagt worden --, alles was von der
Gesetzgebung davon berücksichtigt wurde, läuft darauf hinaus, dem
fertigen Gaunerthum eine fertige Polizei entgegenzu-
setzen
. Das erkennt man deutlich, wenn man die von jenen

Nation thun ſollen“ u. ſ. w., eine Verfügung, die mit denſelben
dürren Worten noch oft vergeblich wiederholt worden iſt. Es
gibt keine unbeholfenere und undankbarere Maßregel gegen das
ſchlüpfend bewegliche Gaunerthum, als dieſe ungelenken nächt-
lichen Hetzjagden, zu denen ſich lange Zeit vorher die Behörden
verbinden, und auf welchen, wenn ſie auch nicht vorher durch das
überall die polizeiliche Wirkſamkeit in Obacht und Schach haltende
Vigilantenthum oder durch geſchwätzige und unvorſichtige Beamte
verrathen ſind, in den Krügen, Mühlen und einſamen Hirten-
und Tagelöhnerhütten nur ſehr wenig Jndividuen ſich finden laſſen,
welche letztere man obendrein höchſtens nur als Vaganten, nicht
aber als wirkliche Gauner in flagranti ergreifen und ſtrafen kann.
Nur den gelegentlichen untergeordneten Vortheil gewähren die
„Taterjagden“, daß ſie auf einige Tage das Geſindel in Be-
wegung bringen, das aber auch, gewitzigt und meiſtens vorher
gewarnt, ſich gerade für dieſe Zeit vom Lande in die belebten
Städte flüchtet, in deren Krügen, Bordells und Kneipen eine
gleichzeitige, unverdroſſene, mehrtägige und tüchtige Nach-
ſuchung bei weitem größere Reſultate erzielt, als die umſtändliche
„Taterjagd“ auf dem ländlichen Revier. Zum Glück verſchwin-
den dieſe holperigen Jagden überall mehr und mehr, wo die ein-
zelnen Sicherheitsbehörden ihre Untergebenen zur vollen Wahr-
nehmung ihrer Pflicht zu befähigen, anzuhalten und zu überwachen
verſtehen. So kommt man immer wieder darauf zurück, daß
ganz allein eine genaue Kenntniß der Gaunerkunſt und
eine verſtändige Heranbildung tüchtiger Polizeibeamten
das einzigſte und ſicherſte Mittel iſt, um dem Gauner überall in
den Verſteck des bunt bewegten ſocial-politiſchen Lebens nachfol-
gen zu können. Alles was von den tüchtigſten Praktikern und
Schriftſtellern des erſten Viertels dieſes Jahrhunderts richtig und
erſchöpfend zum Vorſchlag gebracht wurde — ſpäter iſt kaum
etwas Neueres und Beſſeres geſagt worden —, alles was von der
Geſetzgebung davon berückſichtigt wurde, läuft darauf hinaus, dem
fertigen Gaunerthum eine fertige Polizei entgegenzu-
ſetzen
. Das erkennt man deutlich, wenn man die von jenen

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[373/0385] Nation thun ſollen“ u. ſ. w., eine Verfügung, die mit denſelben dürren Worten noch oft vergeblich wiederholt worden iſt. Es gibt keine unbeholfenere und undankbarere Maßregel gegen das ſchlüpfend bewegliche Gaunerthum, als dieſe ungelenken nächt- lichen Hetzjagden, zu denen ſich lange Zeit vorher die Behörden verbinden, und auf welchen, wenn ſie auch nicht vorher durch das überall die polizeiliche Wirkſamkeit in Obacht und Schach haltende Vigilantenthum oder durch geſchwätzige und unvorſichtige Beamte verrathen ſind, in den Krügen, Mühlen und einſamen Hirten- und Tagelöhnerhütten nur ſehr wenig Jndividuen ſich finden laſſen, welche letztere man obendrein höchſtens nur als Vaganten, nicht aber als wirkliche Gauner in flagranti ergreifen und ſtrafen kann. Nur den gelegentlichen untergeordneten Vortheil gewähren die „Taterjagden“, daß ſie auf einige Tage das Geſindel in Be- wegung bringen, das aber auch, gewitzigt und meiſtens vorher gewarnt, ſich gerade für dieſe Zeit vom Lande in die belebten Städte flüchtet, in deren Krügen, Bordells und Kneipen eine gleichzeitige, unverdroſſene, mehrtägige und tüchtige Nach- ſuchung bei weitem größere Reſultate erzielt, als die umſtändliche „Taterjagd“ auf dem ländlichen Revier. Zum Glück verſchwin- den dieſe holperigen Jagden überall mehr und mehr, wo die ein- zelnen Sicherheitsbehörden ihre Untergebenen zur vollen Wahr- nehmung ihrer Pflicht zu befähigen, anzuhalten und zu überwachen verſtehen. So kommt man immer wieder darauf zurück, daß ganz allein eine genaue Kenntniß der Gaunerkunſt und eine verſtändige Heranbildung tüchtiger Polizeibeamten das einzigſte und ſicherſte Mittel iſt, um dem Gauner überall in den Verſteck des bunt bewegten ſocial-politiſchen Lebens nachfol- gen zu können. Alles was von den tüchtigſten Praktikern und Schriftſtellern des erſten Viertels dieſes Jahrhunderts richtig und erſchöpfend zum Vorſchlag gebracht wurde — ſpäter iſt kaum etwas Neueres und Beſſeres geſagt worden —, alles was von der Geſetzgebung davon berückſichtigt wurde, läuft darauf hinaus, dem fertigen Gaunerthum eine fertige Polizei entgegenzu- ſetzen. Das erkennt man deutlich, wenn man die von jenen

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/385>, abgerufen am 26.11.2024.