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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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sich anbringen ließen. Ueberraschend und ebenso interessant wie
wichtig ist die von Kasper 1) in Berlin gemachte und nach ihm
besonders von den französischen Aerzten Hutin und Tardieu durch
zahlreiche Beobachtungen geprüfte Entdeckung, daß Tätowirungen,
welche im Leben vorhanden waren, an der Leiche bis zur völligen
Unsichtbarkeit spurlos verschwunden sein können. Noch merk-
würdiger ist die durch eine Menge Untersuchungen als unzweifel-
haft bewiesene Thatsache, daß der Färbestoff der Tätowirungen
von den Lymphganglien absorbirt wird, und daß der Färbestoff der
Tätowirungen am Arme sich in den Achseldrüsen unverkenn-
bar deutlich wiederfindet, wie ja denn in dem beim Kasper'schen
"Handbuch" befindlichen Atlas, Taf. 8, Fig. 25, eine solche
Achseldrüse mit eingesprenkeltem Zinnober dargestellt ist. So be-
hauptet auch derselbe, a. a. O., S. 118, daß schon bei Jndivi-
duen, welche erst vor kurzem tätowirt waren, sich Zinnober,
Kohle u. dgl. in den Lymphdrüsen fand. Ebenso interessant ist
der von ihm, S. 119, mitgetheilte, vollkommen gelungene Ver-
such Tardieu's, Tätowirungen künstlich schwinden zu machen.



Sechstes Kapitel.
b) Die Schwangerschaft.

Die Vorschützung der Schwangerschaft 2) ist eine nament-
lich von verhafteten Gaunerinnen zunächst fast regelmäßig

1) Auch über Verschwinden oder Unvertilgbarkeit von Narben sowie über
die Sichtbarmachung verschwundener Brandmale werden in seinem "Handbuch",
S. 113--115, höchst interessante Mittheilungen gemacht. Jedoch vermißt man
bei Kaspar, wie bei Schürmayer ("Lehrbuch der gerichtlichen Medicin" und
"Handbuch der medicinischen Polizei") und Bergmann ("Medicina forensis")
eine für die Polizeiwissenschaft sehr wichtige Belehrung über die Möglichkeit der
Vertilgung von sogenannten Leberflecken, Muttermalen und anderer Hautflecken.
2) Mir ist eine Person der Art vorgekommen, die 14 Monate lang an-
gab, im achten Monat schwanger zu gehen, und darauf hin viel Almosen und
Kinderkleidung zusammengebracht und letztere verkauft hatte. Vagirende
Gaunerinnen schützen beständig Schwangerschaft vor, wie die Dutzbetterinnen

ſich anbringen ließen. Ueberraſchend und ebenſo intereſſant wie
wichtig iſt die von Kasper 1) in Berlin gemachte und nach ihm
beſonders von den franzöſiſchen Aerzten Hutin und Tardieu durch
zahlreiche Beobachtungen geprüfte Entdeckung, daß Tätowirungen,
welche im Leben vorhanden waren, an der Leiche bis zur völligen
Unſichtbarkeit ſpurlos verſchwunden ſein können. Noch merk-
würdiger iſt die durch eine Menge Unterſuchungen als unzweifel-
haft bewieſene Thatſache, daß der Färbeſtoff der Tätowirungen
von den Lymphganglien abſorbirt wird, und daß der Färbeſtoff der
Tätowirungen am Arme ſich in den Achſeldrüſen unverkenn-
bar deutlich wiederfindet, wie ja denn in dem beim Kasper’ſchen
„Handbuch“ befindlichen Atlas, Taf. 8, Fig. 25, eine ſolche
Achſeldrüſe mit eingeſprenkeltem Zinnober dargeſtellt iſt. So be-
hauptet auch derſelbe, a. a. O., S. 118, daß ſchon bei Jndivi-
duen, welche erſt vor kurzem tätowirt waren, ſich Zinnober,
Kohle u. dgl. in den Lymphdrüſen fand. Ebenſo intereſſant iſt
der von ihm, S. 119, mitgetheilte, vollkommen gelungene Ver-
ſuch Tardieu’s, Tätowirungen künſtlich ſchwinden zu machen.



Sechstes Kapitel.
β) Die Schwangerſchaft.

Die Vorſchützung der Schwangerſchaft 2) iſt eine nament-
lich von verhafteten Gaunerinnen zunächſt faſt regelmäßig

1) Auch über Verſchwinden oder Unvertilgbarkeit von Narben ſowie über
die Sichtbarmachung verſchwundener Brandmale werden in ſeinem „Handbuch“,
S. 113—115, höchſt intereſſante Mittheilungen gemacht. Jedoch vermißt man
bei Kaspar, wie bei Schürmayer („Lehrbuch der gerichtlichen Medicin“ und
„Handbuch der mediciniſchen Polizei“) und Bergmann („Medicina forensis“)
eine für die Polizeiwiſſenſchaft ſehr wichtige Belehrung über die Möglichkeit der
Vertilgung von ſogenannten Leberflecken, Muttermalen und anderer Hautflecken.
2) Mir iſt eine Perſon der Art vorgekommen, die 14 Monate lang an-
gab, im achten Monat ſchwanger zu gehen, und darauf hin viel Almoſen und
Kinderkleidung zuſammengebracht und letztere verkauft hatte. Vagirende
Gaunerinnen ſchützen beſtändig Schwangerſchaft vor, wie die Dutzbetterinnen
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[41/0053] ſich anbringen ließen. Ueberraſchend und ebenſo intereſſant wie wichtig iſt die von Kasper 1) in Berlin gemachte und nach ihm beſonders von den franzöſiſchen Aerzten Hutin und Tardieu durch zahlreiche Beobachtungen geprüfte Entdeckung, daß Tätowirungen, welche im Leben vorhanden waren, an der Leiche bis zur völligen Unſichtbarkeit ſpurlos verſchwunden ſein können. Noch merk- würdiger iſt die durch eine Menge Unterſuchungen als unzweifel- haft bewieſene Thatſache, daß der Färbeſtoff der Tätowirungen von den Lymphganglien abſorbirt wird, und daß der Färbeſtoff der Tätowirungen am Arme ſich in den Achſeldrüſen unverkenn- bar deutlich wiederfindet, wie ja denn in dem beim Kasper’ſchen „Handbuch“ befindlichen Atlas, Taf. 8, Fig. 25, eine ſolche Achſeldrüſe mit eingeſprenkeltem Zinnober dargeſtellt iſt. So be- hauptet auch derſelbe, a. a. O., S. 118, daß ſchon bei Jndivi- duen, welche erſt vor kurzem tätowirt waren, ſich Zinnober, Kohle u. dgl. in den Lymphdrüſen fand. Ebenſo intereſſant iſt der von ihm, S. 119, mitgetheilte, vollkommen gelungene Ver- ſuch Tardieu’s, Tätowirungen künſtlich ſchwinden zu machen. Sechstes Kapitel. β) Die Schwangerſchaft. Die Vorſchützung der Schwangerſchaft 2) iſt eine nament- lich von verhafteten Gaunerinnen zunächſt faſt regelmäßig 1) Auch über Verſchwinden oder Unvertilgbarkeit von Narben ſowie über die Sichtbarmachung verſchwundener Brandmale werden in ſeinem „Handbuch“, S. 113—115, höchſt intereſſante Mittheilungen gemacht. Jedoch vermißt man bei Kaspar, wie bei Schürmayer („Lehrbuch der gerichtlichen Medicin“ und „Handbuch der mediciniſchen Polizei“) und Bergmann („Medicina forensis“) eine für die Polizeiwiſſenſchaft ſehr wichtige Belehrung über die Möglichkeit der Vertilgung von ſogenannten Leberflecken, Muttermalen und anderer Hautflecken. 2) Mir iſt eine Perſon der Art vorgekommen, die 14 Monate lang an- gab, im achten Monat ſchwanger zu gehen, und darauf hin viel Almoſen und Kinderkleidung zuſammengebracht und letztere verkauft hatte. Vagirende Gaunerinnen ſchützen beſtändig Schwangerſchaft vor, wie die Dutzbetterinnen

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/53>, abgerufen am 29.03.2024.