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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Die Zinken werden mit Kohle, Kreide, Rothstift, Bleistift
an den Gebäuden, Kirchen, Klöstern, Kapellen, Scheunen, Wirths-
häusern, welche an der Landstraße liegen, angebracht. 1) Jn den
Wirthshäusern und Herbergen findet sich der Zinken oft an oder
neben der Thür. Oft wird der Zinken in einen Balken des
Wirthshauses, oder in einen nahen, oder auf dem Felde, oder
isolirt nahe am Wege stehenden Baum oder auch Meilenzeiger,
Chaussee- und Schlagbaum eingeschnitten. Am meisten werden
die Zinken in den Abtritten der Wirthshäuser und Bahnhöfe ge-
zeichnet, ebenso an einzeln stehenden Pavillons, Balcons, Baken
oder Thürmen an den Enden öffentlicher Gärten und Belustigungs-
orte. Auch in und an Kirchen, Kapellen und Klöstern, besonders
wo in letzteren am meisten Almosen verabreicht werden, dienen
die Mauerwände zum Aufzeichnen von Zinken. Vorzüglich noch
werden an der Theilung von Wegen mit dem Stocke Zinken im
Sande gezeichnet. Jm Winter werden sie in den Schnee gezeich-
net. Der Auslauf einer Schlangenlinie, oder besonders die Spitze
eines Pfeils, deutet die Richtung des eingeschlagenen Wegs an.

1) Auch auf Petschafte und Siegelringe werden Zinken mit heraldischen
Staffagen gestochen. Die Gravirungen werden von Gaunern selbst gefertigt,
welche mit dieser ihrer Kunst auch vielfach die Jahrmärkte beziehen, wo sie
mit vieler Leichtigkeit die bestellten Gravirungen sofort ausführen, wenn man
auch die Sauberkeit und die von gründlich gebildeten Graveurs stets berück-
sichtigten allgemeinen heraldischen Regeln daran vermißt. Das schon erwähnte
Siegel des Krummfinger Balthasar war nach Schwarzmüller's Beschreibung
(vgl. "Hildburghauser Acten", S. 41) "von der Größe eines Kayser-Guldens
und hatte, statt der Armaturen, Pistolen, Pulverhorn, Funckschure, Schober-
bartel u. dgl., in der Mitte aber einen Mann mit einem Diebssack. Die Um-
schrift lautete: Bin ein tuaf Cafer, der dem Cafer sein Schure bestieben
kan." Das mir jüngst in einer Untersuchung vorgekommene Siegel einer als
Gräfin reisenden Gaunerin ist einen halben Zoll hoch und drei Achtelzoll breit,
achteckig mit französischem Schilde, durch dessen Pfahlstelle der Pfeil gerade auf-
steigt. Das Herz des Schildes ist mit einem runden Kreis bedeckt, durch
welchen der Pfeil geht, und über den auch, gegen die Regel, die rothen Li-
nien des ganzen Schildes laufen. Auf dem Schilde ist ein königlicher Helm,
der als Schmuck einen Fuchs trägt. Das Siegel ist übrigens schlecht und un-
regelmäßig gestochen.

Die Zinken werden mit Kohle, Kreide, Rothſtift, Bleiſtift
an den Gebäuden, Kirchen, Klöſtern, Kapellen, Scheunen, Wirths-
häuſern, welche an der Landſtraße liegen, angebracht. 1) Jn den
Wirthshäuſern und Herbergen findet ſich der Zinken oft an oder
neben der Thür. Oft wird der Zinken in einen Balken des
Wirthshauſes, oder in einen nahen, oder auf dem Felde, oder
iſolirt nahe am Wege ſtehenden Baum oder auch Meilenzeiger,
Chauſſee- und Schlagbaum eingeſchnitten. Am meiſten werden
die Zinken in den Abtritten der Wirthshäuſer und Bahnhöfe ge-
zeichnet, ebenſo an einzeln ſtehenden Pavillons, Balcons, Baken
oder Thürmen an den Enden öffentlicher Gärten und Beluſtigungs-
orte. Auch in und an Kirchen, Kapellen und Klöſtern, beſonders
wo in letzteren am meiſten Almoſen verabreicht werden, dienen
die Mauerwände zum Aufzeichnen von Zinken. Vorzüglich noch
werden an der Theilung von Wegen mit dem Stocke Zinken im
Sande gezeichnet. Jm Winter werden ſie in den Schnee gezeich-
net. Der Auslauf einer Schlangenlinie, oder beſonders die Spitze
eines Pfeils, deutet die Richtung des eingeſchlagenen Wegs an.

1) Auch auf Petſchafte und Siegelringe werden Zinken mit heraldiſchen
Staffagen geſtochen. Die Gravirungen werden von Gaunern ſelbſt gefertigt,
welche mit dieſer ihrer Kunſt auch vielfach die Jahrmärkte beziehen, wo ſie
mit vieler Leichtigkeit die beſtellten Gravirungen ſofort ausführen, wenn man
auch die Sauberkeit und die von gründlich gebildeten Graveurs ſtets berück-
ſichtigten allgemeinen heraldiſchen Regeln daran vermißt. Das ſchon erwähnte
Siegel des Krummfinger Balthaſar war nach Schwarzmüller’s Beſchreibung
(vgl. „Hildburghauſer Acten“, S. 41) „von der Größe eines Kayſer-Guldens
und hatte, ſtatt der Armaturen, Piſtolen, Pulverhorn, Funckſchure, Schober-
bartel u. dgl., in der Mitte aber einen Mann mit einem Diebsſack. Die Um-
ſchrift lautete: Bin ein tuaf Cafer, der dem Cafer ſein Schure beſtieben
kan.“ Das mir jüngſt in einer Unterſuchung vorgekommene Siegel einer als
Gräfin reiſenden Gaunerin iſt einen halben Zoll hoch und drei Achtelzoll breit,
achteckig mit franzöſiſchem Schilde, durch deſſen Pfahlſtelle der Pfeil gerade auf-
ſteigt. Das Herz des Schildes iſt mit einem runden Kreis bedeckt, durch
welchen der Pfeil geht, und über den auch, gegen die Regel, die rothen Li-
nien des ganzen Schildes laufen. Auf dem Schilde iſt ein königlicher Helm,
der als Schmuck einen Fuchs trägt. Das Siegel iſt übrigens ſchlecht und un-
regelmäßig geſtochen.
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[62/0074] Die Zinken werden mit Kohle, Kreide, Rothſtift, Bleiſtift an den Gebäuden, Kirchen, Klöſtern, Kapellen, Scheunen, Wirths- häuſern, welche an der Landſtraße liegen, angebracht. 1) Jn den Wirthshäuſern und Herbergen findet ſich der Zinken oft an oder neben der Thür. Oft wird der Zinken in einen Balken des Wirthshauſes, oder in einen nahen, oder auf dem Felde, oder iſolirt nahe am Wege ſtehenden Baum oder auch Meilenzeiger, Chauſſee- und Schlagbaum eingeſchnitten. Am meiſten werden die Zinken in den Abtritten der Wirthshäuſer und Bahnhöfe ge- zeichnet, ebenſo an einzeln ſtehenden Pavillons, Balcons, Baken oder Thürmen an den Enden öffentlicher Gärten und Beluſtigungs- orte. Auch in und an Kirchen, Kapellen und Klöſtern, beſonders wo in letzteren am meiſten Almoſen verabreicht werden, dienen die Mauerwände zum Aufzeichnen von Zinken. Vorzüglich noch werden an der Theilung von Wegen mit dem Stocke Zinken im Sande gezeichnet. Jm Winter werden ſie in den Schnee gezeich- net. Der Auslauf einer Schlangenlinie, oder beſonders die Spitze eines Pfeils, deutet die Richtung des eingeſchlagenen Wegs an. 1) Auch auf Petſchafte und Siegelringe werden Zinken mit heraldiſchen Staffagen geſtochen. Die Gravirungen werden von Gaunern ſelbſt gefertigt, welche mit dieſer ihrer Kunſt auch vielfach die Jahrmärkte beziehen, wo ſie mit vieler Leichtigkeit die beſtellten Gravirungen ſofort ausführen, wenn man auch die Sauberkeit und die von gründlich gebildeten Graveurs ſtets berück- ſichtigten allgemeinen heraldiſchen Regeln daran vermißt. Das ſchon erwähnte Siegel des Krummfinger Balthaſar war nach Schwarzmüller’s Beſchreibung (vgl. „Hildburghauſer Acten“, S. 41) „von der Größe eines Kayſer-Guldens und hatte, ſtatt der Armaturen, Piſtolen, Pulverhorn, Funckſchure, Schober- bartel u. dgl., in der Mitte aber einen Mann mit einem Diebsſack. Die Um- ſchrift lautete: Bin ein tuaf Cafer, der dem Cafer ſein Schure beſtieben kan.“ Das mir jüngſt in einer Unterſuchung vorgekommene Siegel einer als Gräfin reiſenden Gaunerin iſt einen halben Zoll hoch und drei Achtelzoll breit, achteckig mit franzöſiſchem Schilde, durch deſſen Pfahlſtelle der Pfeil gerade auf- ſteigt. Das Herz des Schildes iſt mit einem runden Kreis bedeckt, durch welchen der Pfeil geht, und über den auch, gegen die Regel, die rothen Li- nien des ganzen Schildes laufen. Auf dem Schilde iſt ein königlicher Helm, der als Schmuck einen Fuchs trägt. Das Siegel iſt übrigens ſchlecht und un- regelmäßig geſtochen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/74>, abgerufen am 26.04.2024.