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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Ein oder mehrere Knoten in den Weidenzweigen am Wege, ein
flatterndes Band oder Bindfaden mit Knoten, oder ein Stück
Papier mit Strichen, eine oder mehrere Strohschleifen an Ge-
büsch und Baum in der Nähe des Wegs, namentlich kurz vor
Dörfern und Städten, zeigt den Vorübergang und die Zahl der
vorübergezogenen Genossen an. Sehr häufig wird neben den
Weg ein abgeschnittener Busch oder Zweig hingelegt, dessen Schnitt-
ende auf die eingeschlagene Richtung zeigt, und in dessen Stamm
jeder Genosse eine Kerbe schneidet, um den Nachfolgenden die
Zahl der bereits Vorübergegangenen anzugeben, wie das bei dem
Bande oder Papier durch Knoten und Striche angezeigt wird.
Häufig wird nahe bei der Schnittspitze noch ein länglicher Stein
mit dem spitzen Ende nach der eingeschlagenen Richtung hin bei-
gelegt. Will ein Gauner, der mit seiner Chawrusse versprengt
war, oder aus dem Zuchthause entlassen ist, seine Rückkehr und
Anwesenheit anzeigen, so zeichnet er seinen Zink an irgendeine
bekannte Stelle mit dem Datum hin, und verläßt sich darauf,
zur bestimmten Zeit oder mindestens bei dem nächsten Neumonde
seine Kameraden oder doch einen Theil von ihnen an dem Platze
zu finden. Will er andeuten, wohin er sich gewandt hat, so
fügt er seinem Zinken den Pfeil oder die Schlangenlinie hinzu.
Schon Schäffer gibt eine interessante Zeichnung und Beschreibung
eines complicirten Gaunerzinkens, wodurch die Gegenwart des
Gauners, seine Begleitung und Wegsrichtung detailirt angegeben
wird. Neben dem Gaunerzinken wird der die Wegsrichtung be-
zeichnete Strich gezogen. Die oberhalb des Strichs angebrachten
Haken bedeuten die Männer, die untern die Weiber; die Kinder
werden mit Nullen bezeichnet. 1) Die oberhalb des Strichs ge-
zeichneten Nullen sind die Kinder des Wappeninhabers, die unter-
halb des Strichs Kinder anderer Gauner. Die auf nächster Seite
stehende Zeichnung befindet sich bei Schäffer, a. a. O., S. 303.

1) Vielfach werden aber auch die Männer mit kleinen Querstreichen und
die Weiber mit Nullen bezeichnet.

Ein oder mehrere Knoten in den Weidenzweigen am Wege, ein
flatterndes Band oder Bindfaden mit Knoten, oder ein Stück
Papier mit Strichen, eine oder mehrere Strohſchleifen an Ge-
büſch und Baum in der Nähe des Wegs, namentlich kurz vor
Dörfern und Städten, zeigt den Vorübergang und die Zahl der
vorübergezogenen Genoſſen an. Sehr häufig wird neben den
Weg ein abgeſchnittener Buſch oder Zweig hingelegt, deſſen Schnitt-
ende auf die eingeſchlagene Richtung zeigt, und in deſſen Stamm
jeder Genoſſe eine Kerbe ſchneidet, um den Nachfolgenden die
Zahl der bereits Vorübergegangenen anzugeben, wie das bei dem
Bande oder Papier durch Knoten und Striche angezeigt wird.
Häufig wird nahe bei der Schnittſpitze noch ein länglicher Stein
mit dem ſpitzen Ende nach der eingeſchlagenen Richtung hin bei-
gelegt. Will ein Gauner, der mit ſeiner Chawruſſe verſprengt
war, oder aus dem Zuchthauſe entlaſſen iſt, ſeine Rückkehr und
Anweſenheit anzeigen, ſo zeichnet er ſeinen Zink an irgendeine
bekannte Stelle mit dem Datum hin, und verläßt ſich darauf,
zur beſtimmten Zeit oder mindeſtens bei dem nächſten Neumonde
ſeine Kameraden oder doch einen Theil von ihnen an dem Platze
zu finden. Will er andeuten, wohin er ſich gewandt hat, ſo
fügt er ſeinem Zinken den Pfeil oder die Schlangenlinie hinzu.
Schon Schäffer gibt eine intereſſante Zeichnung und Beſchreibung
eines complicirten Gaunerzinkens, wodurch die Gegenwart des
Gauners, ſeine Begleitung und Wegsrichtung detailirt angegeben
wird. Neben dem Gaunerzinken wird der die Wegsrichtung be-
zeichnete Strich gezogen. Die oberhalb des Strichs angebrachten
Haken bedeuten die Männer, die untern die Weiber; die Kinder
werden mit Nullen bezeichnet. 1) Die oberhalb des Strichs ge-
zeichneten Nullen ſind die Kinder des Wappeninhabers, die unter-
halb des Strichs Kinder anderer Gauner. Die auf nächſter Seite
ſtehende Zeichnung befindet ſich bei Schäffer, a. a. O., S. 303.

1) Vielfach werden aber auch die Männer mit kleinen Querſtreichen und
die Weiber mit Nullen bezeichnet.
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[63/0075] Ein oder mehrere Knoten in den Weidenzweigen am Wege, ein flatterndes Band oder Bindfaden mit Knoten, oder ein Stück Papier mit Strichen, eine oder mehrere Strohſchleifen an Ge- büſch und Baum in der Nähe des Wegs, namentlich kurz vor Dörfern und Städten, zeigt den Vorübergang und die Zahl der vorübergezogenen Genoſſen an. Sehr häufig wird neben den Weg ein abgeſchnittener Buſch oder Zweig hingelegt, deſſen Schnitt- ende auf die eingeſchlagene Richtung zeigt, und in deſſen Stamm jeder Genoſſe eine Kerbe ſchneidet, um den Nachfolgenden die Zahl der bereits Vorübergegangenen anzugeben, wie das bei dem Bande oder Papier durch Knoten und Striche angezeigt wird. Häufig wird nahe bei der Schnittſpitze noch ein länglicher Stein mit dem ſpitzen Ende nach der eingeſchlagenen Richtung hin bei- gelegt. Will ein Gauner, der mit ſeiner Chawruſſe verſprengt war, oder aus dem Zuchthauſe entlaſſen iſt, ſeine Rückkehr und Anweſenheit anzeigen, ſo zeichnet er ſeinen Zink an irgendeine bekannte Stelle mit dem Datum hin, und verläßt ſich darauf, zur beſtimmten Zeit oder mindeſtens bei dem nächſten Neumonde ſeine Kameraden oder doch einen Theil von ihnen an dem Platze zu finden. Will er andeuten, wohin er ſich gewandt hat, ſo fügt er ſeinem Zinken den Pfeil oder die Schlangenlinie hinzu. Schon Schäffer gibt eine intereſſante Zeichnung und Beſchreibung eines complicirten Gaunerzinkens, wodurch die Gegenwart des Gauners, ſeine Begleitung und Wegsrichtung detailirt angegeben wird. Neben dem Gaunerzinken wird der die Wegsrichtung be- zeichnete Strich gezogen. Die oberhalb des Strichs angebrachten Haken bedeuten die Männer, die untern die Weiber; die Kinder werden mit Nullen bezeichnet. 1) Die oberhalb des Strichs ge- zeichneten Nullen ſind die Kinder des Wappeninhabers, die unter- halb des Strichs Kinder anderer Gauner. Die auf nächſter Seite ſtehende Zeichnung befindet ſich bei Schäffer, a. a. O., S. 303. 1) Vielfach werden aber auch die Männer mit kleinen Querſtreichen und die Weiber mit Nullen bezeichnet.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/75>, abgerufen am 25.04.2024.