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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Der Strich a neben dem Zinken des Gauners bedeutet seine
Person, b ist seine Frau oder Concubine, c ein Kamerad, d eine

[Abbildung]
mit ihm nicht verbundene Gaunerin, e und f ein anderes Gauner-
paar, g und h die Kinder des Gauners, i und k die Kinder
eines andern Gauners. Bei den niederländischen Banden war
es üblich, daß an jedem Kreuzwege der erste vorübergehende
Gauner einen langen Strich in den Weg zog und einen kleinern
daneben, wobei der kleinere dazu diente, die eingeschlagene Rich-
tung zu bezeichnen. Jeder der Nachfolgenden machte ebenfalls
einen Strich, sodaß der neu Herankommende immer sehen konnte,
wie viele schon vor ihm waren.

Diese monumentalen Zinken sind schon sehr alt. 1) Auf dem
dritten Blatt des Ludwigsburger Gaunerverzeichnisses von 1728
findet sich schon ein förmlicher Gaunerzinken dargestellt. Sie
werden, natürlich in verschiedenartigster Form, noch heute in An-
wendung gebracht. Der abergläubische Bauersmann geht scheu

1) Sie lassen sich schon nach den lombardischen Noten bei Vulcanius bis
in das 5. Jahrhundert zurückdatiren, von woher Vulcanius aus den Ueber-
resten eines uralten Manuscriptcoder höchst interessante Charaktere mittheilt,
die mit ihrer Bezeichnung allgemeiner, appellativer und topischer Begriffe
weit über alphabetische Abbreviaturen hinausgehen, und schon der heraldischen
Deutung sich nähern. Aehnliche heraldische Zeichen figuriren in alten Hand-
schriften und in typographischen Jncunabeln, wo meistens sie allein es sind,
welche Auskunft über Drucker und Druckzeit geben. Man darf auch nicht die
zahllosen kabbalistischen und Zaubercharaktere übersehen, in welchen die Zeichen
vorzüglich ausgebildet erhalten und meistens auch zum Betruge ausgebeutet
worden sind. Man findet in den alten Zauberbüchern für jeden Dämon ein
bestimmtes Zeichen, das vom Erfinder sehr geheim gehalten und oft für eine
ungeheuere Summe verkauft wurde. Noch jetzt findet man auf den fliegenden
Blättern der heutigen Bänkelsänger und Taschenspieler, die zumeist ihre be-
sondern Holzschnitte bei sich führen, eine Andeutung geheimer oder mindestens
specifisch eigenthümlicher Zeichen.

Der Strich a neben dem Zinken des Gauners bedeutet ſeine
Perſon, b iſt ſeine Frau oder Concubine, c ein Kamerad, d eine

[Abbildung]
mit ihm nicht verbundene Gaunerin, e und f ein anderes Gauner-
paar, g und h die Kinder des Gauners, i und k die Kinder
eines andern Gauners. Bei den niederländiſchen Banden war
es üblich, daß an jedem Kreuzwege der erſte vorübergehende
Gauner einen langen Strich in den Weg zog und einen kleinern
daneben, wobei der kleinere dazu diente, die eingeſchlagene Rich-
tung zu bezeichnen. Jeder der Nachfolgenden machte ebenfalls
einen Strich, ſodaß der neu Herankommende immer ſehen konnte,
wie viele ſchon vor ihm waren.

Dieſe monumentalen Zinken ſind ſchon ſehr alt. 1) Auf dem
dritten Blatt des Ludwigsburger Gaunerverzeichniſſes von 1728
findet ſich ſchon ein förmlicher Gaunerzinken dargeſtellt. Sie
werden, natürlich in verſchiedenartigſter Form, noch heute in An-
wendung gebracht. Der abergläubiſche Bauersmann geht ſcheu

1) Sie laſſen ſich ſchon nach den lombardiſchen Noten bei Vulcanius bis
in das 5. Jahrhundert zurückdatiren, von woher Vulcanius aus den Ueber-
reſten eines uralten Manuſcriptcoder höchſt intereſſante Charaktere mittheilt,
die mit ihrer Bezeichnung allgemeiner, appellativer und topiſcher Begriffe
weit über alphabetiſche Abbreviaturen hinausgehen, und ſchon der heraldiſchen
Deutung ſich nähern. Aehnliche heraldiſche Zeichen figuriren in alten Hand-
ſchriften und in typographiſchen Jncunabeln, wo meiſtens ſie allein es ſind,
welche Auskunft über Drucker und Druckzeit geben. Man darf auch nicht die
zahlloſen kabbaliſtiſchen und Zaubercharaktere überſehen, in welchen die Zeichen
vorzüglich ausgebildet erhalten und meiſtens auch zum Betruge ausgebeutet
worden ſind. Man findet in den alten Zauberbüchern für jeden Dämon ein
beſtimmtes Zeichen, das vom Erfinder ſehr geheim gehalten und oft für eine
ungeheuere Summe verkauft wurde. Noch jetzt findet man auf den fliegenden
Blättern der heutigen Bänkelſänger und Taſchenſpieler, die zumeiſt ihre be-
ſondern Holzſchnitte bei ſich führen, eine Andeutung geheimer oder mindeſtens
ſpecifiſch eigenthümlicher Zeichen.
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[64/0076] Der Strich a neben dem Zinken des Gauners bedeutet ſeine Perſon, b iſt ſeine Frau oder Concubine, c ein Kamerad, d eine [Abbildung] mit ihm nicht verbundene Gaunerin, e und f ein anderes Gauner- paar, g und h die Kinder des Gauners, i und k die Kinder eines andern Gauners. Bei den niederländiſchen Banden war es üblich, daß an jedem Kreuzwege der erſte vorübergehende Gauner einen langen Strich in den Weg zog und einen kleinern daneben, wobei der kleinere dazu diente, die eingeſchlagene Rich- tung zu bezeichnen. Jeder der Nachfolgenden machte ebenfalls einen Strich, ſodaß der neu Herankommende immer ſehen konnte, wie viele ſchon vor ihm waren. Dieſe monumentalen Zinken ſind ſchon ſehr alt. 1) Auf dem dritten Blatt des Ludwigsburger Gaunerverzeichniſſes von 1728 findet ſich ſchon ein förmlicher Gaunerzinken dargeſtellt. Sie werden, natürlich in verſchiedenartigſter Form, noch heute in An- wendung gebracht. Der abergläubiſche Bauersmann geht ſcheu 1) Sie laſſen ſich ſchon nach den lombardiſchen Noten bei Vulcanius bis in das 5. Jahrhundert zurückdatiren, von woher Vulcanius aus den Ueber- reſten eines uralten Manuſcriptcoder höchſt intereſſante Charaktere mittheilt, die mit ihrer Bezeichnung allgemeiner, appellativer und topiſcher Begriffe weit über alphabetiſche Abbreviaturen hinausgehen, und ſchon der heraldiſchen Deutung ſich nähern. Aehnliche heraldiſche Zeichen figuriren in alten Hand- ſchriften und in typographiſchen Jncunabeln, wo meiſtens ſie allein es ſind, welche Auskunft über Drucker und Druckzeit geben. Man darf auch nicht die zahlloſen kabbaliſtiſchen und Zaubercharaktere überſehen, in welchen die Zeichen vorzüglich ausgebildet erhalten und meiſtens auch zum Betruge ausgebeutet worden ſind. Man findet in den alten Zauberbüchern für jeden Dämon ein beſtimmtes Zeichen, das vom Erfinder ſehr geheim gehalten und oft für eine ungeheuere Summe verkauft wurde. Noch jetzt findet man auf den fliegenden Blättern der heutigen Bänkelſänger und Taſchenſpieler, die zumeiſt ihre be- ſondern Holzſchnitte bei ſich führen, eine Andeutung geheimer oder mindeſtens ſpecifiſch eigenthümlicher Zeichen.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/76>, abgerufen am 25.11.2024.