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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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durch die Niederländischen Banden das Eulengeschrei, welches
ja auch das hauptsächlichste Signal der Jndianer in den Wal-
dungen Nordamerikas ist, nach Deutschland übergeführt worden.
Das Pfeifen, Rufen oder Räuspern verräth den Menschen nur
zu deutlich, während das geschickt nachgeahmte Eulengeschrei bei
seiner Unheimlichkeit den Hörer eher verscheucht als zur Nachfor-
schung und zum Angriff herbeizieht. Andere Thierstimmen, z. B.
der Wachtelruf, das Hahnengeschrei, Hundegebell u. s. w. werden
zwar auch, jedoch seltener und immer mit großer Vorsicht ge-
braucht. Noch andere akustische Zinken, wie das Schnalzen mit
der Zunge, Händeklatschen, Husten, Niesen u. dgl., auch der kurze
Ruf "Lampen!", oder "Heraus!", oder "Lewon!", oder auch, beson-
ders in Norddeutschland: "Mondschein!", "Mahndschien!" 1), oder
wie früher bei den Niederländischen Banden: "Husar du Stroh!"
u. s. w. sind verabredete Parolen, welche für jedes einzelne Unter-
nehmen oder für eine bestimmte Verbindung verabredet und an-
gewandt werden, um die Aufmerksamkeit der Genossen zu erregen,
oder sie zur Flucht bei nahender Gefahr aufzufordern.



Achtzehntes Kapitel.
e) Der Sslichnerzinken.

Es ist schon erwähnt worden, wie blutig der Genossenver-
rath am Sslichner 2) gestraft wird. Diese Ermordungen fielen
noch im ersten Viertel dieses Jahrhunderts sehr häufig vor. Ein

1) Das niederdeutsche Mahndschien (Mondenschein) ist als Redensart
"Pros't Mahndschien" in den Volksgebrauch übergegangen, zur spöttischen Be-
zeichnung der Vergeblichkeit oder Vereitelung oder des Abschlags irgendeiner
Absicht. Ebenso bezeichnet die wegwerfende Redensart: "Du kannst mir im
Mondschein begegnen", soviel als: "Jch fürchte dich nicht, du kannst nichts
ausrichten". Jn der Bande des englischen Gauners William Ogden war die
stehende Parole: "Der Mond scheint helle!" Vgl. Smidt, a. a. O., S. 826.
2) Sslichner von [fremdsprachliches Material - fehlt] (Ssolach), er hat vergeben. Bekanntlich sagen
die Juden acht Tage vor dem Neujahr (Rosch Haschono) bestimmte Gebete,

durch die Niederländiſchen Banden das Eulengeſchrei, welches
ja auch das hauptſächlichſte Signal der Jndianer in den Wal-
dungen Nordamerikas iſt, nach Deutſchland übergeführt worden.
Das Pfeifen, Rufen oder Räuspern verräth den Menſchen nur
zu deutlich, während das geſchickt nachgeahmte Eulengeſchrei bei
ſeiner Unheimlichkeit den Hörer eher verſcheucht als zur Nachfor-
ſchung und zum Angriff herbeizieht. Andere Thierſtimmen, z. B.
der Wachtelruf, das Hahnengeſchrei, Hundegebell u. ſ. w. werden
zwar auch, jedoch ſeltener und immer mit großer Vorſicht ge-
braucht. Noch andere akuſtiſche Zinken, wie das Schnalzen mit
der Zunge, Händeklatſchen, Huſten, Nieſen u. dgl., auch der kurze
Ruf „Lampen!“, oder „Heraus!“, oder „Lewon!“, oder auch, beſon-
ders in Norddeutſchland: „Mondſchein!“, „Mahndſchien!“ 1), oder
wie früher bei den Niederländiſchen Banden: „Huſar du Stroh!“
u. ſ. w. ſind verabredete Parolen, welche für jedes einzelne Unter-
nehmen oder für eine beſtimmte Verbindung verabredet und an-
gewandt werden, um die Aufmerkſamkeit der Genoſſen zu erregen,
oder ſie zur Flucht bei nahender Gefahr aufzufordern.



Achtzehntes Kapitel.
ε) Der Sſlichnerzinken.

Es iſt ſchon erwähnt worden, wie blutig der Genoſſenver-
rath am Sſlichner 2) geſtraft wird. Dieſe Ermordungen fielen
noch im erſten Viertel dieſes Jahrhunderts ſehr häufig vor. Ein

1) Das niederdeutſche Mahndſchien (Mondenſchein) iſt als Redensart
„Proſ’t Mahndſchien“ in den Volksgebrauch übergegangen, zur ſpöttiſchen Be-
zeichnung der Vergeblichkeit oder Vereitelung oder des Abſchlags irgendeiner
Abſicht. Ebenſo bezeichnet die wegwerfende Redensart: „Du kannſt mir im
Mondſchein begegnen“, ſoviel als: „Jch fürchte dich nicht, du kannſt nichts
ausrichten“. Jn der Bande des engliſchen Gauners William Ogden war die
ſtehende Parole: „Der Mond ſcheint helle!“ Vgl. Smidt, a. a. O., S. 826.
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die Juden acht Tage vor dem Neujahr (Roſch Haſchono) beſtimmte Gebete,
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[66/0078] durch die Niederländiſchen Banden das Eulengeſchrei, welches ja auch das hauptſächlichſte Signal der Jndianer in den Wal- dungen Nordamerikas iſt, nach Deutſchland übergeführt worden. Das Pfeifen, Rufen oder Räuspern verräth den Menſchen nur zu deutlich, während das geſchickt nachgeahmte Eulengeſchrei bei ſeiner Unheimlichkeit den Hörer eher verſcheucht als zur Nachfor- ſchung und zum Angriff herbeizieht. Andere Thierſtimmen, z. B. der Wachtelruf, das Hahnengeſchrei, Hundegebell u. ſ. w. werden zwar auch, jedoch ſeltener und immer mit großer Vorſicht ge- braucht. Noch andere akuſtiſche Zinken, wie das Schnalzen mit der Zunge, Händeklatſchen, Huſten, Nieſen u. dgl., auch der kurze Ruf „Lampen!“, oder „Heraus!“, oder „Lewon!“, oder auch, beſon- ders in Norddeutſchland: „Mondſchein!“, „Mahndſchien!“ 1), oder wie früher bei den Niederländiſchen Banden: „Huſar du Stroh!“ u. ſ. w. ſind verabredete Parolen, welche für jedes einzelne Unter- nehmen oder für eine beſtimmte Verbindung verabredet und an- gewandt werden, um die Aufmerkſamkeit der Genoſſen zu erregen, oder ſie zur Flucht bei nahender Gefahr aufzufordern. Achtzehntes Kapitel. ε) Der Sſlichnerzinken. Es iſt ſchon erwähnt worden, wie blutig der Genoſſenver- rath am Sſlichner 2) geſtraft wird. Dieſe Ermordungen fielen noch im erſten Viertel dieſes Jahrhunderts ſehr häufig vor. Ein 1) Das niederdeutſche Mahndſchien (Mondenſchein) iſt als Redensart „Proſ’t Mahndſchien“ in den Volksgebrauch übergegangen, zur ſpöttiſchen Be- zeichnung der Vergeblichkeit oder Vereitelung oder des Abſchlags irgendeiner Abſicht. Ebenſo bezeichnet die wegwerfende Redensart: „Du kannſt mir im Mondſchein begegnen“, ſoviel als: „Jch fürchte dich nicht, du kannſt nichts ausrichten“. Jn der Bande des engliſchen Gauners William Ogden war die ſtehende Parole: „Der Mond ſcheint helle!“ Vgl. Smidt, a. a. O., S. 826. 2) Sſlichner von _ (Ssolach), er hat vergeben. Bekanntlich ſagen die Juden acht Tage vor dem Neujahr (Roſch Haſchono) beſtimmte Gebete,

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/78>, abgerufen am 25.04.2024.