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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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solcher Ermorderter hatte den eigenthümlichen Namen "Horeg". 1)
Die Gaunerpraxis ist jedoch hierin milder geworden, und die Rache
begnügt sich meistens damit, den Sslichner zu zinken, das
heißt, ihn derb in die Wange zu schneiden, damit an der zurück-
bleibenden Narbe der so gezinkte Sslichener der ganzen übrigen
Genossenschaft als Verräther gekennzeichnet bleibe. Dieses Sslichner-
zinkenen scheint jedoch ebenfalls in Abnahme gekommen und einem
derben Durchprügeln gewichen zu sein. Von letzterer Praxis sind
mir manche schwere Fälle bekannt geworden; aber nur ein ein-
ziges mal habe ich einen alten jüdischen Vaganten getroffen, dessen
starke Narbe auf der linken Wange die Vermuthung eines Sslich-
nerzinkens zuließ.



Sslichos, her um andauernde Vergebung der Sünden. Das Sslichnen ent-
spricht der christlichen Beichte, und ist vom Gaunerthum auf das Geständniß
vor Gericht und überhaupt auf den Verrath der Gaunergeheimnisse über-
tragen.
1) Bei Thiele figurirt das Wort Honech, welches er schwerlich in der
Löwenthal'schen Untersuchung gefunden, sondern dem von ihm arg getadelten
Grolman wol nachgeschrieben hat. Dieser hat den Honech der rotwelschen
Grammatik von 1755 abgewonnen, wo der schlimme Druckfehler auf S. 11
für das richtige Horeg aufgeführt ist, mit der Bedeutung "Ermordeter, da
ein Dieb den andern oder ein Verräther heimlich umbringet". Das Wort
Honech existirt in der ganzen jüdisch-deutschen Philologie nicht. Horeg
(vom hebräischen Stamm [fremdsprachliches Material - fehlt] [horag], er hat gemordet), oder Haurg, ist der
Mörder, Todtschläger, aber auch der Gemordete, während im Jüdisch-Deutschen
für Mörder der Ausdruck [fremdsprachliches Material - fehlt] (Rozeach, Razchon), Femininum
[fremdsprachliches Material - fehlt] (Razchoniss), gebräuchlich ist (vgl. im dritten Bande die Maase von
den regensburger Maurern). Von Horag sind Derivata: Hereg und Ha-
rego,
das Tödten; Nehrog, der Getödtete, Ermordete; Nehrog werden,
getödtet werden; Haureg sein und hargenen, tödten. Obschon nun der
Honech mir nirgends anders vorgekommen ist als bei Thiele und seinen ver-
druckten Gewährsstellen, so ist es doch nicht unmöglich, daß der Honech sich
durch hundertjährigen ungestörten Besitz eine Stelle im Gaunerlexikon ersessen
hat, wie die Geschichte anderer Druckfehler zeigt, wonach z. B. bei Luppe
(lupa) aus "Hur" die Uhr, und bei Ausen, Ossne, das Ohr, gleichfalls
Uhr gemacht, und in solcher Bedeutung vollkommen geläufiger Sprachgebrauch
geworden ist. S. das Wörterbuch.
5 *

ſolcher Ermorderter hatte den eigenthümlichen Namen „Horeg“. 1)
Die Gaunerpraxis iſt jedoch hierin milder geworden, und die Rache
begnügt ſich meiſtens damit, den Sſlichner zu zinken, das
heißt, ihn derb in die Wange zu ſchneiden, damit an der zurück-
bleibenden Narbe der ſo gezinkte Sſlichener der ganzen übrigen
Genoſſenſchaft als Verräther gekennzeichnet bleibe. Dieſes Sſlichner-
zinkenen ſcheint jedoch ebenfalls in Abnahme gekommen und einem
derben Durchprügeln gewichen zu ſein. Von letzterer Praxis ſind
mir manche ſchwere Fälle bekannt geworden; aber nur ein ein-
ziges mal habe ich einen alten jüdiſchen Vaganten getroffen, deſſen
ſtarke Narbe auf der linken Wange die Vermuthung eines Sſlich-
nerzinkens zuließ.



Sſlichos, her um andauernde Vergebung der Sünden. Das Sſlichnen ent-
ſpricht der chriſtlichen Beichte, und iſt vom Gaunerthum auf das Geſtändniß
vor Gericht und überhaupt auf den Verrath der Gaunergeheimniſſe über-
tragen.
1) Bei Thiele figurirt das Wort Honech, welches er ſchwerlich in der
Löwenthal’ſchen Unterſuchung gefunden, ſondern dem von ihm arg getadelten
Grolman wol nachgeſchrieben hat. Dieſer hat den Honech der rotwelſchen
Grammatik von 1755 abgewonnen, wo der ſchlimme Druckfehler auf S. 11
für das richtige Horeg aufgeführt iſt, mit der Bedeutung „Ermordeter, da
ein Dieb den andern oder ein Verräther heimlich umbringet“. Das Wort
Honech exiſtirt in der ganzen jüdiſch-deutſchen Philologie nicht. Horeg
(vom hebräiſchen Stamm [fremdsprachliches Material – fehlt] [horag], er hat gemordet), oder Haurg, iſt der
Mörder, Todtſchläger, aber auch der Gemordete, während im Jüdiſch-Deutſchen
für Mörder der Ausdruck [fremdsprachliches Material – fehlt] (Rozeach, Razchon), Femininum
[fremdsprachliches Material – fehlt] (Razchoniss), gebräuchlich iſt (vgl. im dritten Bande die Maaſe von
den regensburger Maurern). Von Horag ſind Derivata: Hereg und Ha-
rego,
das Tödten; Nehrog, der Getödtete, Ermordete; Nehrog werden,
getödtet werden; Haureg ſein und hargenen, tödten. Obſchon nun der
Honech mir nirgends anders vorgekommen iſt als bei Thiele und ſeinen ver-
druckten Gewährsſtellen, ſo iſt es doch nicht unmöglich, daß der Honech ſich
durch hundertjährigen ungeſtörten Beſitz eine Stelle im Gaunerlexikon erſeſſen
hat, wie die Geſchichte anderer Druckfehler zeigt, wonach z. B. bei Luppe
(lupa) aus „Hur“ die Uhr, und bei Auſen, Oſſne, das Ohr, gleichfalls
Uhr gemacht, und in ſolcher Bedeutung vollkommen geläufiger Sprachgebrauch
geworden iſt. S. das Wörterbuch.
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[67/0079] ſolcher Ermorderter hatte den eigenthümlichen Namen „Horeg“. 1) Die Gaunerpraxis iſt jedoch hierin milder geworden, und die Rache begnügt ſich meiſtens damit, den Sſlichner zu zinken, das heißt, ihn derb in die Wange zu ſchneiden, damit an der zurück- bleibenden Narbe der ſo gezinkte Sſlichener der ganzen übrigen Genoſſenſchaft als Verräther gekennzeichnet bleibe. Dieſes Sſlichner- zinkenen ſcheint jedoch ebenfalls in Abnahme gekommen und einem derben Durchprügeln gewichen zu ſein. Von letzterer Praxis ſind mir manche ſchwere Fälle bekannt geworden; aber nur ein ein- ziges mal habe ich einen alten jüdiſchen Vaganten getroffen, deſſen ſtarke Narbe auf der linken Wange die Vermuthung eines Sſlich- nerzinkens zuließ. 2) 1) Bei Thiele figurirt das Wort Honech, welches er ſchwerlich in der Löwenthal’ſchen Unterſuchung gefunden, ſondern dem von ihm arg getadelten Grolman wol nachgeſchrieben hat. Dieſer hat den Honech der rotwelſchen Grammatik von 1755 abgewonnen, wo der ſchlimme Druckfehler auf S. 11 für das richtige Horeg aufgeführt iſt, mit der Bedeutung „Ermordeter, da ein Dieb den andern oder ein Verräther heimlich umbringet“. Das Wort Honech exiſtirt in der ganzen jüdiſch-deutſchen Philologie nicht. Horeg (vom hebräiſchen Stamm _ [horag], er hat gemordet), oder Haurg, iſt der Mörder, Todtſchläger, aber auch der Gemordete, während im Jüdiſch-Deutſchen für Mörder der Ausdruck _ (Rozeach, Razchon), Femininum _ (Razchoniss), gebräuchlich iſt (vgl. im dritten Bande die Maaſe von den regensburger Maurern). Von Horag ſind Derivata: Hereg und Ha- rego, das Tödten; Nehrog, der Getödtete, Ermordete; Nehrog werden, getödtet werden; Haureg ſein und hargenen, tödten. Obſchon nun der Honech mir nirgends anders vorgekommen iſt als bei Thiele und ſeinen ver- druckten Gewährsſtellen, ſo iſt es doch nicht unmöglich, daß der Honech ſich durch hundertjährigen ungeſtörten Beſitz eine Stelle im Gaunerlexikon erſeſſen hat, wie die Geſchichte anderer Druckfehler zeigt, wonach z. B. bei Luppe (lupa) aus „Hur“ die Uhr, und bei Auſen, Oſſne, das Ohr, gleichfalls Uhr gemacht, und in ſolcher Bedeutung vollkommen geläufiger Sprachgebrauch geworden iſt. S. das Wörterbuch. 2) Sſlichos, her um andauernde Vergebung der Sünden. Das Sſlichnen ent- ſpricht der chriſtlichen Beichte, und iſt vom Gaunerthum auf das Geſtändniß vor Gericht und überhaupt auf den Verrath der Gaunergeheimniſſe über- tragen. 5 *

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/79>, abgerufen am 26.11.2024.