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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

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Buchdruckerkunst die Rede sein kann. 1) Die Gesetzbücher und alle
wichtigen Schriften und Documente wurden bis dahin überall in
hebräischer Sprache, in welcher sich auch ausschließlich die Poesie
bewegte, geschrieben, und das Judendeutsch entstand ja aus dem
Bedürfniß und Streben, das im Judenthum sich in Sitte und
Sprache geltend machende deutsche Volkselement mit den heiligen
Schriften und deren Sprache möglichst in Verbindung zu bringen
und dabei Wesen, Cultur und Hoffnung des Judenthums in
alter Ursprünglichkeit aufrecht zu erhalten. Daraus erklärt sich die
eifrige und einzig in ihrer Art dastehende, wahrhaft volkseigen-
thümliche Opferbereitwilligkeit, mit welcher sich das Judenthum
der kaum erfundenen Buchdruckerkunst in einer so lebendigen Weise
bemächtigte, daß die Geschichte derselben ganz besonders bei dem
Judenthum merkwürdig und interessant erscheint. Schon 34 Jahre
nach Erfindung der Buchdruckerkunst gab Meschullam Coucy zu
Pieve im Paduanischen die vier Turim und im folgenden Jahre
(1475) Abraham Ben Garton den Raschi zum Pentateuch zu Reggio
in Calabrien heraus. Noch im 15. Jahrhundert wurde die nach-
gehends als Stammutter vieler italienischen Druckereien berühmt
gewordene Druckerei zu Soncino errichtet. Schon 1515--17 wurde
zu Venedig von Daniel Bomberg aus Antwerpen die erste große
rabbinische Bibel und 1520 der ganze babylonische Talmud in
12 Foliobänden gedruckt. Jn der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts kamen die bedeutenden Druckereien in Prag, Krakau
und Lublin, später die großartigen Druckereien in Amsterdam,
Wien und Berlin auf. Von dem regen Eifer des Judenthums
gibt die Thatsache einen schlagenden Beweis, daß binnen 250 Jah-
ren von den etwa drei bis vier Millionen Mitgliedern der zersplit-

1) Doch mögen Handschriften genug vorhanden sein, die weit über die
Erfindung der Buchdruckerkunst hinaufreichen. Machte doch Steinschneider im
"Serapeum", Jahrg. 1848, S. 313, Hoffnung auf eine Zusammenstellung von
Handschriften außer seinem trefflichen Katalog gedruckter Bücher. Ob diese Zu-
sammenstellung seitdem geschehen ist, habe ich in der That nicht erfahren kön-
nen. Vgl. auch, was Zunz, a. a. O., S. 438, Note 6, über die vaticanischen
Wörterbücher anführt.

Buchdruckerkunſt die Rede ſein kann. 1) Die Geſetzbücher und alle
wichtigen Schriften und Documente wurden bis dahin überall in
hebräiſcher Sprache, in welcher ſich auch ausſchließlich die Poeſie
bewegte, geſchrieben, und das Judendeutſch entſtand ja aus dem
Bedürfniß und Streben, das im Judenthum ſich in Sitte und
Sprache geltend machende deutſche Volkselement mit den heiligen
Schriften und deren Sprache möglichſt in Verbindung zu bringen
und dabei Weſen, Cultur und Hoffnung des Judenthums in
alter Urſprünglichkeit aufrecht zu erhalten. Daraus erklärt ſich die
eifrige und einzig in ihrer Art daſtehende, wahrhaft volkseigen-
thümliche Opferbereitwilligkeit, mit welcher ſich das Judenthum
der kaum erfundenen Buchdruckerkunſt in einer ſo lebendigen Weiſe
bemächtigte, daß die Geſchichte derſelben ganz beſonders bei dem
Judenthum merkwürdig und intereſſant erſcheint. Schon 34 Jahre
nach Erfindung der Buchdruckerkunſt gab Meſchullam Coucy zu
Pieve im Paduaniſchen die vier Turim und im folgenden Jahre
(1475) Abraham Ben Garton den Raſchi zum Pentateuch zu Reggio
in Calabrien heraus. Noch im 15. Jahrhundert wurde die nach-
gehends als Stammutter vieler italieniſchen Druckereien berühmt
gewordene Druckerei zu Soncino errichtet. Schon 1515—17 wurde
zu Venedig von Daniel Bomberg aus Antwerpen die erſte große
rabbiniſche Bibel und 1520 der ganze babyloniſche Talmud in
12 Foliobänden gedruckt. Jn der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts kamen die bedeutenden Druckereien in Prag, Krakau
und Lublin, ſpäter die großartigen Druckereien in Amſterdam,
Wien und Berlin auf. Von dem regen Eifer des Judenthums
gibt die Thatſache einen ſchlagenden Beweis, daß binnen 250 Jah-
ren von den etwa drei bis vier Millionen Mitgliedern der zerſplit-

1) Doch mögen Handſchriften genug vorhanden ſein, die weit über die
Erfindung der Buchdruckerkunſt hinaufreichen. Machte doch Steinſchneider im
„Serapeum“, Jahrg. 1848, S. 313, Hoffnung auf eine Zuſammenſtellung von
Handſchriften außer ſeinem trefflichen Katalog gedruckter Bücher. Ob dieſe Zu-
ſammenſtellung ſeitdem geſchehen iſt, habe ich in der That nicht erfahren kön-
nen. Vgl. auch, was Zunz, a. a. O., S. 438, Note 6, über die vaticaniſchen
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[208/0242] Buchdruckerkunſt die Rede ſein kann. 1) Die Geſetzbücher und alle wichtigen Schriften und Documente wurden bis dahin überall in hebräiſcher Sprache, in welcher ſich auch ausſchließlich die Poeſie bewegte, geſchrieben, und das Judendeutſch entſtand ja aus dem Bedürfniß und Streben, das im Judenthum ſich in Sitte und Sprache geltend machende deutſche Volkselement mit den heiligen Schriften und deren Sprache möglichſt in Verbindung zu bringen und dabei Weſen, Cultur und Hoffnung des Judenthums in alter Urſprünglichkeit aufrecht zu erhalten. Daraus erklärt ſich die eifrige und einzig in ihrer Art daſtehende, wahrhaft volkseigen- thümliche Opferbereitwilligkeit, mit welcher ſich das Judenthum der kaum erfundenen Buchdruckerkunſt in einer ſo lebendigen Weiſe bemächtigte, daß die Geſchichte derſelben ganz beſonders bei dem Judenthum merkwürdig und intereſſant erſcheint. Schon 34 Jahre nach Erfindung der Buchdruckerkunſt gab Meſchullam Coucy zu Pieve im Paduaniſchen die vier Turim und im folgenden Jahre (1475) Abraham Ben Garton den Raſchi zum Pentateuch zu Reggio in Calabrien heraus. Noch im 15. Jahrhundert wurde die nach- gehends als Stammutter vieler italieniſchen Druckereien berühmt gewordene Druckerei zu Soncino errichtet. Schon 1515—17 wurde zu Venedig von Daniel Bomberg aus Antwerpen die erſte große rabbiniſche Bibel und 1520 der ganze babyloniſche Talmud in 12 Foliobänden gedruckt. Jn der zweiten Hälfte des 16. Jahr- hunderts kamen die bedeutenden Druckereien in Prag, Krakau und Lublin, ſpäter die großartigen Druckereien in Amſterdam, Wien und Berlin auf. Von dem regen Eifer des Judenthums gibt die Thatſache einen ſchlagenden Beweis, daß binnen 250 Jah- ren von den etwa drei bis vier Millionen Mitgliedern der zerſplit- 1) Doch mögen Handſchriften genug vorhanden ſein, die weit über die Erfindung der Buchdruckerkunſt hinaufreichen. Machte doch Steinſchneider im „Serapeum“, Jahrg. 1848, S. 313, Hoffnung auf eine Zuſammenſtellung von Handſchriften außer ſeinem trefflichen Katalog gedruckter Bücher. Ob dieſe Zu- ſammenſtellung ſeitdem geſchehen iſt, habe ich in der That nicht erfahren kön- nen. Vgl. auch, was Zunz, a. a. O., S. 438, Note 6, über die vaticaniſchen Wörterbücher anführt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/242>, abgerufen am 24.11.2024.