Die jüdischdeutsche Sprache hat die drei hebräischen Haupt- vocallautzeichen allein zur Grundlage des jüdischdeutschen Vocalis- mus genommen und bei dieser Aufnahme ihnen in überraschender Uebereinstimmung mit dem althochdeutschen Vocalismus eine solidere Lautbestimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale so feststellte: [fremdsprachliches Material] -- a. [fremdsprachliches Material] -- i. [fremdsprachliches Material] -- u.
Diese drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan- tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutschen Vocallaute aus. Um den Mangel zu ersetzen, stellte die jüdisch- deutsche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale die ihr fehlenden althochdeutschen Vocale, für welche letztere Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyse der althoch- deutschen vocalischen Lautbestandtheile her und erreichte dadurch den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutsche besaß.
Um dies zu verdeutlichen, stelle man die drei Vocale a, i, u so zusammen: i -- a -- u[fremdsprachliches Material] e o
Das e erscheint hier als ein durch a verdichtetes i und das o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o sind daher in ihrem Grundwesen nichts anderes als Diphthonge. Diese diphthongische Geltung des e und o zeigt sich im Vocalismus sowol aller semitischen Sprachstämme, als auch mehr oder minder in den aus dem indogermanischen Stamm auslaufenden Sprachen. Das ältere Arabisch hat die Vocale e und o noch gar nicht, son- dern setzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: [fremdsprachliches Material], arab. bain,[fremdsprachliches Material], arab. saut. Jm Griechischen ist kaisar; lat. Caesar; thauma ist ionisch thoma. Jm Lat. ist plaustrum gleich plo- strum.1) Jm Französischen lautet ai wie e und au wie o. Das
1) Vgl. Rödiger (Gesenius), "Hebräische Grammatik", 18. Aufl., S. 24.
Die jüdiſchdeutſche Sprache hat die drei hebräiſchen Haupt- vocallautzeichen allein zur Grundlage des jüdiſchdeutſchen Vocalis- mus genommen und bei dieſer Aufnahme ihnen in überraſchender Uebereinſtimmung mit dem althochdeutſchen Vocalismus eine ſolidere Lautbeſtimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale ſo feſtſtellte: [fremdsprachliches Material] — a. [fremdsprachliches Material] — i. [fremdsprachliches Material] — u.
Dieſe drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan- tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutſchen Vocallaute aus. Um den Mangel zu erſetzen, ſtellte die jüdiſch- deutſche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale die ihr fehlenden althochdeutſchen Vocale, für welche letztere Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyſe der althoch- deutſchen vocaliſchen Lautbeſtandtheile her und erreichte dadurch den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutſche beſaß.
Um dies zu verdeutlichen, ſtelle man die drei Vocale a, i, u ſo zuſammen: i — a — u[fremdsprachliches Material] e o
Das e erſcheint hier als ein durch a verdichtetes i und das o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o ſind daher in ihrem Grundweſen nichts anderes als Diphthonge. Dieſe diphthongiſche Geltung des e und o zeigt ſich im Vocalismus ſowol aller ſemitiſchen Sprachſtämme, als auch mehr oder minder in den aus dem indogermaniſchen Stamm auslaufenden Sprachen. Das ältere Arabiſch hat die Vocale e und o noch gar nicht, ſon- dern ſetzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: [fremdsprachliches Material], arab. bain,[fremdsprachliches Material], arab. saut. Jm Griechiſchen iſt καῖσαρ; lat. Caesar; ϑαῦμα iſt ioniſch ϑῶμα. Jm Lat. iſt plaustrum gleich plo- strum.1) Jm Franzöſiſchen lautet ai wie e und au wie o. Das
1) Vgl. Rödiger (Geſenius), „Hebräiſche Grammatik“, 18. Aufl., S. 24.
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Uebereinſtimmung mit dem althochdeutſchen Vocalismus eine
ſolidere Lautbeſtimmung verliehen, indem es die drei Hauptvocale
ſo feſtſtellte:
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Dieſe drei reinen Vocale von einfacher Qualität und Quan-
tität reichten jedoch nicht für die ganze Tonleiter der deutſchen
Vocallaute aus. Um den Mangel zu erſetzen, ſtellte die jüdiſch-
deutſche Grammatik durch Combinationen ihrer einfachen Vocale
die ihr fehlenden althochdeutſchen Vocale, für welche letztere
Sprache eigene Vocalzeichen hatte, durch Analyſe der althoch-
deutſchen vocaliſchen Lautbeſtandtheile her und erreichte dadurch
den Vorrath an Vocallauten, welche das Althochdeutſche beſaß.
Um dies zu verdeutlichen, ſtelle man die drei Vocale a, i,
u ſo zuſammen:
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Das e erſcheint hier als ein durch a verdichtetes i und das
o als ein durch a verdichtetes u. Beide Vocale e und o ſind
daher in ihrem Grundweſen nichts anderes als Diphthonge. Dieſe
diphthongiſche Geltung des e und o zeigt ſich im Vocalismus
ſowol aller ſemitiſchen Sprachſtämme, als auch mehr oder minder
in den aus dem indogermaniſchen Stamm auslaufenden Sprachen.
Das ältere Arabiſch hat die Vocale e und o noch gar nicht, ſon-
dern ſetzt dafür die Diphthonge au und ai, z. B.: _ , arab.
bain, _ , arab. saut. Jm Griechiſchen iſt καῖσαρ; lat. Caesar;
ϑαῦμα iſt ioniſch ϑῶμα. Jm Lat. iſt plaustrum gleich plo-
strum. 1) Jm Franzöſiſchen lautet ai wie e und au wie o. Das
1) Vgl. Rödiger (Geſenius), „Hebräiſche Grammatik“, 18. Aufl., S. 24.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/313>, abgerufen am 24.11.2024.
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