Auch die älteste, zuerst im baseler Rathsmandat (I, 122) vorkommende reindeutsche Bezeichnung der Gaunersprache Rot- wälsch ist, als Compositum, der Gaunersprache selbst immer fremd geblieben, obschon das Vocabular des Liber Vagatorum das Compositum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot- boß, bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und die Rotwelsche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden rotboß, betler herberg, hat.
Die Etymologie des rot, rot, root, roth, roht, rott, in der Composition Rotwälsch kann kaum noch zweifelhaft sein, wenn man auf die älteste Urkunde sieht, in welcher es mit Be- ziehung auf verbrecherische Genossenschaft gebraucht wird. Es ist dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Basel am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Bischof Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern weltlichen und geistlichen Herren abschloß gegen die "böse Gesell- schaft, den man spricht Rot und Schwartz, darum groß schade und Breste uferstanden ist und noch fürbaß üferstanden möchte sin" u. s. w.
Aus der Zusammenstellung des Rot mit Schwartz erhellt, daß hier nur von der Farbe die Rede sein kann, nicht aber von dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateinischen rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere, obwol es erst durch Frönsperger 2) zum stehenden militärischen
1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, "Versuch historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel" (Basel 1752), woselbst S. 849 die ganze, sehr interessante Urkunde abgedruckt ist.
2) "Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung" (1558), Fol. 52. Vgl. J. L. Frisch, "Teutsch-lateinisches Wörterbuch" (Berlin 1741), S. 129.
Achtes Kapitel. a)Rotwälſch.
1) Rot.
Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (I, 122) vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache Rot- wälſch iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer fremd geblieben, obſchon das Vocabular des Liber Vagatorum das Compoſitum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot- boß, bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden rotboß, betler herberg, hat.
Die Etymologie des rôt, rot, root, roth, roht, rott, in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein, wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be- ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Baſel am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die „böſe Geſell- ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin“ u. ſ. w.
Aus der Zuſammenſtellung des Rot mit Schwartz erhellt, daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere, obwol es erſt durch Frönſperger 2) zum ſtehenden militäriſchen
1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, „Verſuch hiſtoriſcher und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel“ (Baſel 1752), woſelbſt S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt.
2) „Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung“ (1558), Fol. 52. Vgl. J. L. Friſch, „Teutſch-lateiniſches Wörterbuch“ (Berlin 1741), S. 129.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0047"n="13"/><divn="3"><head><hirendition="#fr">Achtes Kapitel.</hi><lb/><hirendition="#aq">a)</hi><hirendition="#fr"><hirendition="#g">Rotwälſch.</hi></hi></head><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b">1) Rot.</hi></head><lb/><p>Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (<hirendition="#aq">I,</hi> 122)<lb/>
vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache <hirendition="#g">Rot-<lb/>
wälſch</hi> iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer<lb/>
fremd geblieben, obſchon das Vocabular des <hirendition="#aq">Liber Vagatorum</hi><lb/>
das Compoſitum <hirendition="#g">Rotboß,</hi> betler herberig, der Bedeler orden <hirendition="#g">rot-<lb/>
boß,</hi> bedlerherberg, <hirendition="#g">rottun,</hi> bedeler, und <hirendition="#g">rotten,</hi> bedelen, und<lb/>
die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden<lb/><hirendition="#g">rotboß,</hi> betler herberg, hat.</p><lb/><p>Die Etymologie des <hirendition="#g">rôt, rot, root, roth, roht, rott,</hi><lb/>
in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein,<lb/>
wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be-<lb/>
ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt<lb/>
dies die Urkunde über das Bündniß <noteplace="foot"n="1)">Vgl. Th. <hirendition="#aq">I,</hi> S. 50, und Daniel Brückner, „Verſuch hiſtoriſcher und<lb/>
natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel“ (Baſel 1752), woſelbſt<lb/>
S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt.</note>, welches die Stadt Baſel<lb/>
am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof<lb/>
Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern<lb/>
weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die „böſe Geſell-<lb/>ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade<lb/>
und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin“<lb/>
u. ſ. w.</p><lb/><p>Aus der Zuſammenſtellung des <hirendition="#g">Rot</hi> mit Schwartz erhellt,<lb/>
daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von<lb/>
dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen<lb/><hirendition="#aq">rupta</hi> gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere,<lb/>
obwol es erſt durch Frönſperger <noteplace="foot"n="2)">„Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung“ (1558), Fol. 52.<lb/>
Vgl. J. L. Friſch, „Teutſch-lateiniſches Wörterbuch“ (Berlin 1741), S. 129.</note> zum ſtehenden militäriſchen<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[13/0047]
Achtes Kapitel.
a) Rotwälſch.
1) Rot.
Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (I, 122)
vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache Rot-
wälſch iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer
fremd geblieben, obſchon das Vocabular des Liber Vagatorum
das Compoſitum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot-
boß, bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und
die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden
rotboß, betler herberg, hat.
Die Etymologie des rôt, rot, root, roth, roht, rott,
in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein,
wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be-
ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt
dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Baſel
am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof
Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern
weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die „böſe Geſell-
ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade
und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin“
u. ſ. w.
Aus der Zuſammenſtellung des Rot mit Schwartz erhellt,
daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von
dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen
rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere,
obwol es erſt durch Frönſperger 2) zum ſtehenden militäriſchen
1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, „Verſuch hiſtoriſcher und
natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel“ (Baſel 1752), woſelbſt
S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt.
2) „Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung“ (1558), Fol. 52.
Vgl. J. L. Friſch, „Teutſch-lateiniſches Wörterbuch“ (Berlin 1741), S. 129.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/47>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.