Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite
Achtes Kapitel.
a) Rotwälsch.
1) Rot.

Auch die älteste, zuerst im baseler Rathsmandat (I, 122)
vorkommende reindeutsche Bezeichnung der Gaunersprache Rot-
wälsch
ist, als Compositum, der Gaunersprache selbst immer
fremd geblieben, obschon das Vocabular des Liber Vagatorum
das Compositum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot-
boß,
bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und
die Rotwelsche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden
rotboß, betler herberg, hat.

Die Etymologie des rot, rot, root, roth, roht, rott,
in der Composition Rotwälsch kann kaum noch zweifelhaft sein,
wenn man auf die älteste Urkunde sieht, in welcher es mit Be-
ziehung auf verbrecherische Genossenschaft gebraucht wird. Es ist
dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Basel
am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Bischof
Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern
weltlichen und geistlichen Herren abschloß gegen die "böse Gesell-
schaft, den man spricht Rot und Schwartz, darum groß schade
und Breste uferstanden ist und noch fürbaß üferstanden möchte sin"
u. s. w.

Aus der Zusammenstellung des Rot mit Schwartz erhellt,
daß hier nur von der Farbe die Rede sein kann, nicht aber von
dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateinischen
rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere,
obwol es erst durch Frönsperger 2) zum stehenden militärischen

1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, "Versuch historischer und
natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel" (Basel 1752), woselbst
S. 849 die ganze, sehr interessante Urkunde abgedruckt ist.
2) "Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung" (1558), Fol. 52.
Vgl. J. L. Frisch, "Teutsch-lateinisches Wörterbuch" (Berlin 1741), S. 129.
Achtes Kapitel.
a) Rotwälſch.
1) Rot.

Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (I, 122)
vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache Rot-
wälſch
iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer
fremd geblieben, obſchon das Vocabular des Liber Vagatorum
das Compoſitum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot-
boß,
bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und
die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden
rotboß, betler herberg, hat.

Die Etymologie des rôt, rot, root, roth, roht, rott,
in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein,
wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be-
ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt
dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Baſel
am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof
Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern
weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die „böſe Geſell-
ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade
und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin“
u. ſ. w.

Aus der Zuſammenſtellung des Rot mit Schwartz erhellt,
daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von
dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen
rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere,
obwol es erſt durch Frönſperger 2) zum ſtehenden militäriſchen

1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, „Verſuch hiſtoriſcher und
natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel“ (Baſel 1752), woſelbſt
S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt.
2) „Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung“ (1558), Fol. 52.
Vgl. J. L. Friſch, „Teutſch-lateiniſches Wörterbuch“ (Berlin 1741), S. 129.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0047" n="13"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Achtes Kapitel.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">a)</hi> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Rotwäl&#x017F;ch.</hi> </hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b">1) Rot.</hi> </head><lb/>
              <p>Auch die älte&#x017F;te, zuer&#x017F;t im ba&#x017F;eler Rathsmandat (<hi rendition="#aq">I,</hi> 122)<lb/>
vorkommende reindeut&#x017F;che Bezeichnung der Gauner&#x017F;prache <hi rendition="#g">Rot-<lb/>
wäl&#x017F;ch</hi> i&#x017F;t, als Compo&#x017F;itum, der Gauner&#x017F;prache &#x017F;elb&#x017F;t immer<lb/>
fremd geblieben, ob&#x017F;chon das Vocabular des <hi rendition="#aq">Liber Vagatorum</hi><lb/>
das Compo&#x017F;itum <hi rendition="#g">Rotboß,</hi> betler herberig, der Bedeler orden <hi rendition="#g">rot-<lb/>
boß,</hi> bedlerherberg, <hi rendition="#g">rottun,</hi> bedeler, und <hi rendition="#g">rotten,</hi> bedelen, und<lb/>
die Rotwel&#x017F;che Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden<lb/><hi rendition="#g">rotboß,</hi> betler herberg, hat.</p><lb/>
              <p>Die Etymologie des <hi rendition="#g">rôt, rot, root, roth, roht, rott,</hi><lb/>
in der Compo&#x017F;ition Rotwäl&#x017F;ch kann kaum noch zweifelhaft &#x017F;ein,<lb/>
wenn man auf die älte&#x017F;te Urkunde &#x017F;ieht, in welcher es mit Be-<lb/>
ziehung auf verbrecheri&#x017F;che Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft gebraucht wird. Es i&#x017F;t<lb/>
dies die Urkunde über das Bündniß <note place="foot" n="1)">Vgl. Th. <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 50, und Daniel Brückner, &#x201E;Ver&#x017F;uch hi&#x017F;tori&#x017F;cher und<lb/>
natürlicher Merkwürdigkeiten der Land&#x017F;chaft Ba&#x017F;el&#x201C; (Ba&#x017F;el 1752), wo&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
S. 849 die ganze, &#x017F;ehr intere&#x017F;&#x017F;ante Urkunde abgedruckt i&#x017F;t.</note>, welches die Stadt Ba&#x017F;el<lb/>
am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Bi&#x017F;chof<lb/>
Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern<lb/>
weltlichen und gei&#x017F;tlichen Herren ab&#x017F;chloß gegen die &#x201E;&#x017F;e Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft, den man &#x017F;pricht Rot und Schwartz, darum groß &#x017F;chade<lb/>
und Bre&#x017F;te ufer&#x017F;tanden i&#x017F;t und noch fürbaß üfer&#x017F;tanden möchte &#x017F;in&#x201C;<lb/>
u. &#x017F;. w.</p><lb/>
              <p>Aus der Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung des <hi rendition="#g">Rot</hi> mit Schwartz erhellt,<lb/>
daß hier nur von der Farbe die Rede &#x017F;ein kann, nicht aber von<lb/>
dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateini&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">rupta</hi> gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere,<lb/>
obwol es er&#x017F;t durch Frön&#x017F;perger <note place="foot" n="2)">&#x201E;Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung&#x201C; (1558), Fol. 52.<lb/>
Vgl. J. L. Fri&#x017F;ch, &#x201E;Teut&#x017F;ch-lateini&#x017F;ches Wörterbuch&#x201C; (Berlin 1741), S. 129.</note> zum &#x017F;tehenden militäri&#x017F;chen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0047] Achtes Kapitel. a) Rotwälſch. 1) Rot. Auch die älteſte, zuerſt im baſeler Rathsmandat (I, 122) vorkommende reindeutſche Bezeichnung der Gaunerſprache Rot- wälſch iſt, als Compoſitum, der Gaunerſprache ſelbſt immer fremd geblieben, obſchon das Vocabular des Liber Vagatorum das Compoſitum Rotboß, betler herberig, der Bedeler orden rot- boß, bedlerherberg, rottun, bedeler, und rotten, bedelen, und die Rotwelſche Grammatik des Rodolph Dekk wie der Bedeler orden rotboß, betler herberg, hat. Die Etymologie des rôt, rot, root, roth, roht, rott, in der Compoſition Rotwälſch kann kaum noch zweifelhaft ſein, wenn man auf die älteſte Urkunde ſieht, in welcher es mit Be- ziehung auf verbrecheriſche Genoſſenſchaft gebraucht wird. Es iſt dies die Urkunde über das Bündniß 1), welches die Stadt Baſel am Montag nach Mariä Himmelfahrt 1391 mit dem Biſchof Friedrich von Strasburg, dem Abt Rudolf zu Murbach und andern weltlichen und geiſtlichen Herren abſchloß gegen die „böſe Geſell- ſchaft, den man ſpricht Rot und Schwartz, darum groß ſchade und Breſte uferſtanden iſt und noch fürbaß üferſtanden möchte ſin“ u. ſ. w. Aus der Zuſammenſtellung des Rot mit Schwartz erhellt, daß hier nur von der Farbe die Rede ſein kann, nicht aber von dem (nach Schwenck, a. a. O., S. 532) aus dem mittellateiniſchen rupta gebildeten Rotte, Bruchtheil, Schar, Rotte, welches letztere, obwol es erſt durch Frönſperger 2) zum ſtehenden militäriſchen 1) Vgl. Th. I, S. 50, und Daniel Brückner, „Verſuch hiſtoriſcher und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landſchaft Baſel“ (Baſel 1752), woſelbſt S. 849 die ganze, ſehr intereſſante Urkunde abgedruckt iſt. 2) „Fünf Bücher vom Kriegsregiment und Ordnung“ (1558), Fol. 52. Vgl. J. L. Friſch, „Teutſch-lateiniſches Wörterbuch“ (Berlin 1741), S. 129.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/47
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/47>, abgerufen am 21.11.2024.