Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

der Freistühle auf rother Erde erwähnt, und da erwiesen die
Freistühle sich nur in Westfalen 1) auf rother Erde befanden,
so haben alle Schriftsteller 2) über Femgerichte es sich recht sauer
angelegen sein lassen, herauszufinden, womit der gute westfälische
Boden denn so roth geschaffen worden sei. Nach der von Gellius
gegebenen Erklärung des rufus und der Grundbedeutung des rioda
ergibt sich, daß Paul Wigand in seinem ausgezeichneten Werke 3)
auch hier wieder seinen richtigen Blick bewährt hat, wenn er
die rothe Erde überhaupt nur ganz einfach als die Erde, den
freien Erdboden, freies Feld bezeichnet, auf welcher, im Gegen-
satz zu den in Städten und Häusern gehegten Gerichten, an alter
freier Malstätte, unter offenem, freiem Himmel, Gericht gehalten
wurde. 4)

Endlich -- um aus den zahlreichen Belegen noch ein poeti-
sches Specimen anzuführen -- singt Walther von der Vogelweide
(Lieder und Sprüche; bei Wackernagel, "Althochdeutsches Lesebuch",
S. 390):
Dar zuo die bluomen manicvalt
diu heide rot, der grüene walt
--

wo im zierlichen Bilde die rothe Heide recht bestimmt als flaches Feld

insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts" (Tübingen 1845) die
erste Abhandlung: Die Femgerichte des Mittelalters, S. 3--38, und die Ex-
curse dazu S. 113--244, insbesondere die Quellen S. 113.
1) Wächter, a. a. O., S. 8, 175.
2) Vgl. die verschiedenen Ansichten von Klüber, Möser, von Lang, Wigand
und Berck bei Wächter, a. a. O., S. 178 und 179.
3) "Das Femgericht Westfalens. Aus den Quellen dargestellt" (Hamm
1825), S. 276.
4) Wächter, a. a. O., S. 179, stößt sich freilich daran und ist der An-
sicht, daß bei dieser Erklärung der Ausdruck dann ja beinahe von allen Ge-
richten Deutschlands überhaupt bis tief in das 15. Jahrhundert hätte gebraucht
werden müssen, was ja doch in der That nicht der Fall gewesen sei. Doch
spricht Wächter, a. a. O., S. 8 (vgl. S. 175), auch mit vollem Recht
und entschiedener Sicherheit aus, daß die Femgerichte nie einen Sitz in Süd-
deutschland hatten, sondern daß Freistühle sich blos in Westfalen auf
rother Erde befanden,
aber freilich Freischöffen im ganzen Deut-
schen Reiche.
Ave-Lallemant, Gaunerthum. III. 2

der Freiſtühle auf rother Erde erwähnt, und da erwieſen die
Freiſtühle ſich nur in Weſtfalen 1) auf rother Erde befanden,
ſo haben alle Schriftſteller 2) über Femgerichte es ſich recht ſauer
angelegen ſein laſſen, herauszufinden, womit der gute weſtfäliſche
Boden denn ſo roth geſchaffen worden ſei. Nach der von Gellius
gegebenen Erklärung des rufus und der Grundbedeutung des rioda
ergibt ſich, daß Paul Wigand in ſeinem ausgezeichneten Werke 3)
auch hier wieder ſeinen richtigen Blick bewährt hat, wenn er
die rothe Erde überhaupt nur ganz einfach als die Erde, den
freien Erdboden, freies Feld bezeichnet, auf welcher, im Gegen-
ſatz zu den in Städten und Häuſern gehegten Gerichten, an alter
freier Malſtätte, unter offenem, freiem Himmel, Gericht gehalten
wurde. 4)

Endlich — um aus den zahlreichen Belegen noch ein poeti-
ſches Specimen anzuführen — ſingt Walther von der Vogelweide
(Lieder und Sprüche; bei Wackernagel, „Althochdeutſches Leſebuch“,
S. 390):
Dar zuo die bluomen manicvalt
diu heide rôt, der grüene walt

wo im zierlichen Bilde die rothe Heide recht beſtimmt als flaches Feld

insbeſondere zur Geſchichte des deutſchen Strafrechts“ (Tübingen 1845) die
erſte Abhandlung: Die Femgerichte des Mittelalters, S. 3—38, und die Ex-
curſe dazu S. 113—244, insbeſondere die Quellen S. 113.
1) Wächter, a. a. O., S. 8, 175.
2) Vgl. die verſchiedenen Anſichten von Klüber, Möſer, von Lang, Wigand
und Berck bei Wächter, a. a. O., S. 178 und 179.
3) „Das Femgericht Weſtfalens. Aus den Quellen dargeſtellt“ (Hamm
1825), S. 276.
4) Wächter, a. a. O., S. 179, ſtößt ſich freilich daran und iſt der An-
ſicht, daß bei dieſer Erklärung der Ausdruck dann ja beinahe von allen Ge-
richten Deutſchlands überhaupt bis tief in das 15. Jahrhundert hätte gebraucht
werden müſſen, was ja doch in der That nicht der Fall geweſen ſei. Doch
ſpricht Wächter, a. a. O., S. 8 (vgl. S. 175), auch mit vollem Recht
und entſchiedener Sicherheit aus, daß die Femgerichte nie einen Sitz in Süd-
deutſchland hatten, ſondern daß Freiſtühle ſich blos in Weſtfalen auf
rother Erde befanden,
aber freilich Freiſchöffen im ganzen Deut-
ſchen Reiche.
Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0051" n="17"/>
der Frei&#x017F;tühle <hi rendition="#g">auf rother Erde</hi> erwähnt, und da erwie&#x017F;en die<lb/>
Frei&#x017F;tühle &#x017F;ich nur in <hi rendition="#g">We&#x017F;tfalen</hi> <note place="foot" n="1)">Wächter, a. a. O., S. 8, 175.</note> auf <hi rendition="#g">rother Erde</hi> befanden,<lb/>
&#x017F;o haben alle Schrift&#x017F;teller <note place="foot" n="2)">Vgl. die ver&#x017F;chiedenen An&#x017F;ichten von Klüber, Mö&#x017F;er, von Lang, Wigand<lb/>
und Berck bei Wächter, a. a. O., S. 178 und 179.</note> über Femgerichte es &#x017F;ich recht &#x017F;auer<lb/>
angelegen &#x017F;ein la&#x017F;&#x017F;en, herauszufinden, womit der gute we&#x017F;tfäli&#x017F;che<lb/>
Boden denn &#x017F;o roth ge&#x017F;chaffen worden &#x017F;ei. Nach der von Gellius<lb/>
gegebenen Erklärung des <hi rendition="#aq">rufus</hi> und der Grundbedeutung des <hi rendition="#aq">rioda</hi><lb/>
ergibt &#x017F;ich, daß Paul Wigand in &#x017F;einem ausgezeichneten Werke <note place="foot" n="3)">&#x201E;Das Femgericht We&#x017F;tfalens. Aus den Quellen darge&#x017F;tellt&#x201C; (Hamm<lb/>
1825), S. 276.</note><lb/>
auch hier wieder &#x017F;einen richtigen Blick bewährt hat, wenn er<lb/>
die rothe Erde überhaupt nur ganz einfach als die Erde, den<lb/>
freien Erdboden, freies Feld bezeichnet, auf welcher, im Gegen-<lb/>
&#x017F;atz zu den in Städten und Häu&#x017F;ern gehegten Gerichten, an alter<lb/>
freier Mal&#x017F;tätte, unter offenem, freiem Himmel, Gericht gehalten<lb/>
wurde. <note place="foot" n="4)">Wächter, a. a. O., S. 179, &#x017F;tößt &#x017F;ich freilich daran und i&#x017F;t der An-<lb/>
&#x017F;icht, daß bei die&#x017F;er Erklärung der Ausdruck dann ja beinahe von allen Ge-<lb/>
richten Deut&#x017F;chlands überhaupt bis tief in das 15. Jahrhundert hätte gebraucht<lb/>
werden mü&#x017F;&#x017F;en, was ja doch in der That nicht der Fall gewe&#x017F;en &#x017F;ei. Doch<lb/>
&#x017F;pricht Wächter, a. a. O., S. 8 (vgl. S. 175), auch mit vollem Recht<lb/>
und ent&#x017F;chiedener Sicherheit aus, daß die Femgerichte nie einen Sitz in Süd-<lb/>
deut&#x017F;chland hatten, &#x017F;ondern <hi rendition="#g">daß Frei&#x017F;tühle &#x017F;ich blos in We&#x017F;tfalen auf<lb/>
rother Erde befanden,</hi> aber freilich <hi rendition="#g">Frei&#x017F;chöffen</hi> im <hi rendition="#g">ganzen</hi> Deut-<lb/>
&#x017F;chen Reiche.</note></p><lb/>
              <p>Endlich &#x2014; um aus den zahlreichen Belegen noch ein poeti-<lb/>
&#x017F;ches Specimen anzuführen &#x2014; &#x017F;ingt Walther von der Vogelweide<lb/>
(Lieder und Sprüche; bei Wackernagel, &#x201E;Althochdeut&#x017F;ches Le&#x017F;ebuch&#x201C;,<lb/>
S. 390):<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Dar zuo die bluomen manicvalt<lb/>
diu heide rôt, der grüene walt</hi> &#x2014;</hi><lb/>
wo im zierlichen Bilde die rothe Heide recht be&#x017F;timmt als flaches Feld<lb/><note xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="2)">insbe&#x017F;ondere zur Ge&#x017F;chichte des deut&#x017F;chen Strafrechts&#x201C; (Tübingen 1845) die<lb/>
er&#x017F;te Abhandlung: Die Femgerichte des Mittelalters, S. 3&#x2014;38, und die Ex-<lb/>
cur&#x017F;e dazu S. 113&#x2014;244, insbe&#x017F;ondere die Quellen S. 113.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Avé-Lallemant,</hi> Gaunerthum. <hi rendition="#aq">III.</hi> 2</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0051] der Freiſtühle auf rother Erde erwähnt, und da erwieſen die Freiſtühle ſich nur in Weſtfalen 1) auf rother Erde befanden, ſo haben alle Schriftſteller 2) über Femgerichte es ſich recht ſauer angelegen ſein laſſen, herauszufinden, womit der gute weſtfäliſche Boden denn ſo roth geſchaffen worden ſei. Nach der von Gellius gegebenen Erklärung des rufus und der Grundbedeutung des rioda ergibt ſich, daß Paul Wigand in ſeinem ausgezeichneten Werke 3) auch hier wieder ſeinen richtigen Blick bewährt hat, wenn er die rothe Erde überhaupt nur ganz einfach als die Erde, den freien Erdboden, freies Feld bezeichnet, auf welcher, im Gegen- ſatz zu den in Städten und Häuſern gehegten Gerichten, an alter freier Malſtätte, unter offenem, freiem Himmel, Gericht gehalten wurde. 4) Endlich — um aus den zahlreichen Belegen noch ein poeti- ſches Specimen anzuführen — ſingt Walther von der Vogelweide (Lieder und Sprüche; bei Wackernagel, „Althochdeutſches Leſebuch“, S. 390): Dar zuo die bluomen manicvalt diu heide rôt, der grüene walt — wo im zierlichen Bilde die rothe Heide recht beſtimmt als flaches Feld 2) 1) Wächter, a. a. O., S. 8, 175. 2) Vgl. die verſchiedenen Anſichten von Klüber, Möſer, von Lang, Wigand und Berck bei Wächter, a. a. O., S. 178 und 179. 3) „Das Femgericht Weſtfalens. Aus den Quellen dargeſtellt“ (Hamm 1825), S. 276. 4) Wächter, a. a. O., S. 179, ſtößt ſich freilich daran und iſt der An- ſicht, daß bei dieſer Erklärung der Ausdruck dann ja beinahe von allen Ge- richten Deutſchlands überhaupt bis tief in das 15. Jahrhundert hätte gebraucht werden müſſen, was ja doch in der That nicht der Fall geweſen ſei. Doch ſpricht Wächter, a. a. O., S. 8 (vgl. S. 175), auch mit vollem Recht und entſchiedener Sicherheit aus, daß die Femgerichte nie einen Sitz in Süd- deutſchland hatten, ſondern daß Freiſtühle ſich blos in Weſtfalen auf rother Erde befanden, aber freilich Freiſchöffen im ganzen Deut- ſchen Reiche. 2) insbeſondere zur Geſchichte des deutſchen Strafrechts“ (Tübingen 1845) die erſte Abhandlung: Die Femgerichte des Mittelalters, S. 3—38, und die Ex- curſe dazu S. 113—244, insbeſondere die Quellen S. 113. Avé-Lallemant, Gaunerthum. III. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/51
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/51>, abgerufen am 21.11.2024.