sehr bedeutend zusammen. Dazu ist bei der dürren Erläuterung dieses Restes noch obendrein das logische Verständniß des Ver- fassers sehr oft ganz falsch, während dieses bei den von ihm be- nutzten Quellen sogar viel correcter ist. Die Rotwelsche Gram- matik hat daher keinen linguistischen, sondern nur einen sehr un- tergeordneten literar-historischen Werth und ist immer nur mit sehr großer Vorsicht zu gebrauchen. Dessenungeachtet ist sie das Orakel geworden für alle, welche sich später berufen fühlten, ein Gauner- wörterbuch zu schreiben. Ein leider hier nicht möglicher Wieder- abdruck der Rotwelschen Grammatik würde ein schweres Kriterium für alle rotwelsche Epigonen sein, welche den wüsten Schwall von Wörterbüchern unter die Presse gebracht haben, bei denen man in der That nicht weiß, ob man mehr über die linguistische Sünde an sich oder über die Verwegenheit der Autoren, solche Dinge als eigene Erforschungen zu veröffentlichen, erstaunen soll.
Siebenundzwanzigstes Kapitel. u)Das Wörterbuch des constanzer Hans.
Es ist begreiflich, daß bei der Armseligkeit und Dürre der Rotwelschen Grammatik von 1755 der Trieb zur linguistischen Forschung auf dem Gebiete des Gaunerthums nicht geweckt und gefördert wurde, obwol man nach dem Erscheinen des hildburg- hausener Wörterbuchs doch noch ein weiteres Vorgehen billig hätte erwarten können, zumal gerade um diese Zeit zahlreiche deutsche Jdiotiken zum Vorschein kamen 1) und mit prägnanter Gewalt auf
1) So enthält das "Journal von und für Deutschland" von Siegmund von Bibra, Jahrg. 1787, S. 48, ein Jdiotikon von Ulm; S. 249 von Göttingen und Grubenhagen; S. 363 ein sausenburger und rötteler Jdiotikon; in der zweiten Abtheilung S. 133 ein schlesisches Jdiotikon; S. 211 Jdiotismen aus der Un- terpfalz; S. 338 henneberger Jdiotismen; S. 413 coblenzer Jdiotismen; im Jahrg. 1790, S. 331, niedersächsische Jdiotismen, und Abth. II, S. 34, Pro- vinzialismen des flachen Landes neben der Südseite des Harzes u. s. w. Alle
ſehr bedeutend zuſammen. Dazu iſt bei der dürren Erläuterung dieſes Reſtes noch obendrein das logiſche Verſtändniß des Ver- faſſers ſehr oft ganz falſch, während dieſes bei den von ihm be- nutzten Quellen ſogar viel correcter iſt. Die Rotwelſche Gram- matik hat daher keinen linguiſtiſchen, ſondern nur einen ſehr un- tergeordneten literar-hiſtoriſchen Werth und iſt immer nur mit ſehr großer Vorſicht zu gebrauchen. Deſſenungeachtet iſt ſie das Orakel geworden für alle, welche ſich ſpäter berufen fühlten, ein Gauner- wörterbuch zu ſchreiben. Ein leider hier nicht möglicher Wieder- abdruck der Rotwelſchen Grammatik würde ein ſchweres Kriterium für alle rotwelſche Epigonen ſein, welche den wüſten Schwall von Wörterbüchern unter die Preſſe gebracht haben, bei denen man in der That nicht weiß, ob man mehr über die linguiſtiſche Sünde an ſich oder über die Verwegenheit der Autoren, ſolche Dinge als eigene Erforſchungen zu veröffentlichen, erſtaunen ſoll.
Siebenundzwanzigſtes Kapitel. u)Das Wörterbuch des conſtanzer Hans.
Es iſt begreiflich, daß bei der Armſeligkeit und Dürre der Rotwelſchen Grammatik von 1755 der Trieb zur linguiſtiſchen Forſchung auf dem Gebiete des Gaunerthums nicht geweckt und gefördert wurde, obwol man nach dem Erſcheinen des hildburg- hauſener Wörterbuchs doch noch ein weiteres Vorgehen billig hätte erwarten können, zumal gerade um dieſe Zeit zahlreiche deutſche Jdiotiken zum Vorſchein kamen 1) und mit prägnanter Gewalt auf
1) So enthält das „Journal von und für Deutſchland“ von Siegmund von Bibra, Jahrg. 1787, S. 48, ein Jdiotikon von Ulm; S. 249 von Göttingen und Grubenhagen; S. 363 ein ſauſenburger und rötteler Jdiotikon; in der zweiten Abtheilung S. 133 ein ſchleſiſches Jdiotikon; S. 211 Jdiotismen aus der Un- terpfalz; S. 338 henneberger Jdiotismen; S. 413 coblenzer Jdiotismen; im Jahrg. 1790, S. 331, niederſächſiſche Jdiotismen, und Abth. II, S. 34, Pro- vinzialismen des flachen Landes neben der Südſeite des Harzes u. ſ. w. Alle
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ſehr bedeutend zuſammen. Dazu iſt bei der dürren Erläuterung
dieſes Reſtes noch obendrein das logiſche Verſtändniß des Ver-
faſſers ſehr oft ganz falſch, während dieſes bei den von ihm be-
nutzten Quellen ſogar viel correcter iſt. Die Rotwelſche Gram-
matik hat daher keinen linguiſtiſchen, ſondern nur einen ſehr un-
tergeordneten literar-hiſtoriſchen Werth und iſt immer nur mit ſehr
großer Vorſicht zu gebrauchen. Deſſenungeachtet iſt ſie das Orakel
geworden für alle, welche ſich ſpäter berufen fühlten, ein Gauner-
wörterbuch zu ſchreiben. Ein leider hier nicht möglicher Wieder-
abdruck der Rotwelſchen Grammatik würde ein ſchweres Kriterium
für alle rotwelſche Epigonen ſein, welche den wüſten Schwall von
Wörterbüchern unter die Preſſe gebracht haben, bei denen man in
der That nicht weiß, ob man mehr über die linguiſtiſche Sünde
an ſich oder über die Verwegenheit der Autoren, ſolche Dinge als
eigene Erforſchungen zu veröffentlichen, erſtaunen ſoll.
Siebenundzwanzigſtes Kapitel.
u) Das Wörterbuch des conſtanzer Hans.
Es iſt begreiflich, daß bei der Armſeligkeit und Dürre der
Rotwelſchen Grammatik von 1755 der Trieb zur linguiſtiſchen
Forſchung auf dem Gebiete des Gaunerthums nicht geweckt und
gefördert wurde, obwol man nach dem Erſcheinen des hildburg-
hauſener Wörterbuchs doch noch ein weiteres Vorgehen billig hätte
erwarten können, zumal gerade um dieſe Zeit zahlreiche deutſche
Jdiotiken zum Vorſchein kamen 1) und mit prägnanter Gewalt auf
1) So enthält das „Journal von und für Deutſchland“ von Siegmund von
Bibra, Jahrg. 1787, S. 48, ein Jdiotikon von Ulm; S. 249 von Göttingen und
Grubenhagen; S. 363 ein ſauſenburger und rötteler Jdiotikon; in der zweiten
Abtheilung S. 133 ein ſchleſiſches Jdiotikon; S. 211 Jdiotismen aus der Un-
terpfalz; S. 338 henneberger Jdiotismen; S. 413 coblenzer Jdiotismen; im
Jahrg. 1790, S. 331, niederſächſiſche Jdiotismen, und Abth. II, S. 34, Pro-
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/176>, abgerufen am 19.05.2024.
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