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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Kinder scheuen das Feuer. Bequure ist, wie manche andere
Ausdrücke, phonetisch richtig aufgefaßt, wenn auch unorthographisch,
für Bekwure, von [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], keber, Grab. Vortrefflich ist der Unter-
schied zwischen Kiß und Klumnick dargestellt. Merkwürdig ist
hier noch das erste Vorkommen der seltsamen Uebersetzung des
Lupper, Luppe (vom lateinischen lupa, Hure) und des Ossene,
Ossne
(vom jüdischdeutschen [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], osen, ausen, Pl. [irrelevantes Material - Zeichen fehlt], Ohr)
mit Uhr, welche beide Ausdrücke mit der Bedeutung Uhr vom
Gaunerthum durchaus recipirt sind. Wenn beide Ausdrücke ein-
zeln auch als Druckfehler erscheinen, so können sie hier bei ihrem
Zusammentreffen und erstem Erscheinen sehr füglich als absichtliche
themuratische Transpositionen gelten.

Zum Schluß der trefflichen, wohlgelungenen Arbeit gibt Mejer
("Neues Hannoverisches Magazin", Stück 34 und 35) noch sehr
interessante Mittheilungen über die in der Brade'schen Bande üb-
lich gewesene Vertheilung der Beute und über die Paralyse des
Gaunerthums überhaupt. Die ganze Arbeit wurde noch einmal
im "Reichsanzeiger", 1807, Nr. 114, 118, 119, 120, 124 und
163 abgedruckt und fand neben dem verdienten Beifall hier und
da eine Besprechung. Damit war aber auch alles abgethan, und
wiederum blieb die linguistische Forschung ganz danieder liegen.



Dreißigstes Kapitel.
x) Das Jenische Wörterbuch von Pfister.

Mejer hatte den erfreulichen Beweis geliefert, wie das be-
rufene Talent bei einer gründlich und tüchtig geführten Unter-
suchung reichliche Gelegenheit finden kann, gerade auch in der
Sprache das Wesen des Gaunerthums in seinem tiefsten Jnnern
zu entdecken. Mit Recht durfte man erwarten, daß bei spätern
linguistischen Arbeiten dies tüchtige Muster berücksichtigt und auf
dieser trefflichen Grundlage weiter gebaut würde. Da trat denn
nun auch fünf Jahre später Pfister in seiner "Actenmäßigen Ge-

Kinder ſcheuen das Feuer. Bequure iſt, wie manche andere
Ausdrücke, phonetiſch richtig aufgefaßt, wenn auch unorthographiſch,
für Bekwure, von [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], keber, Grab. Vortrefflich iſt der Unter-
ſchied zwiſchen Kiß und Klumnick dargeſtellt. Merkwürdig iſt
hier noch das erſte Vorkommen der ſeltſamen Ueberſetzung des
Lupper, Luppe (vom lateiniſchen lupa, Hure) und des Oſſene,
Oſſne
(vom jüdiſchdeutſchen [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], osen, ausen, Pl. [irrelevantes Material – Zeichen fehlt], Ohr)
mit Uhr, welche beide Ausdrücke mit der Bedeutung Uhr vom
Gaunerthum durchaus recipirt ſind. Wenn beide Ausdrücke ein-
zeln auch als Druckfehler erſcheinen, ſo können ſie hier bei ihrem
Zuſammentreffen und erſtem Erſcheinen ſehr füglich als abſichtliche
themuratiſche Transpoſitionen gelten.

Zum Schluß der trefflichen, wohlgelungenen Arbeit gibt Mejer
(„Neues Hannoveriſches Magazin“, Stück 34 und 35) noch ſehr
intereſſante Mittheilungen über die in der Brade’ſchen Bande üb-
lich geweſene Vertheilung der Beute und über die Paralyſe des
Gaunerthums überhaupt. Die ganze Arbeit wurde noch einmal
im „Reichsanzeiger“, 1807, Nr. 114, 118, 119, 120, 124 und
163 abgedruckt und fand neben dem verdienten Beifall hier und
da eine Beſprechung. Damit war aber auch alles abgethan, und
wiederum blieb die linguiſtiſche Forſchung ganz danieder liegen.



Dreißigſtes Kapitel.
x) Das Jeniſche Wörterbuch von Pfiſter.

Mejer hatte den erfreulichen Beweis geliefert, wie das be-
rufene Talent bei einer gründlich und tüchtig geführten Unter-
ſuchung reichliche Gelegenheit finden kann, gerade auch in der
Sprache das Weſen des Gaunerthums in ſeinem tiefſten Jnnern
zu entdecken. Mit Recht durfte man erwarten, daß bei ſpätern
linguiſtiſchen Arbeiten dies tüchtige Muſter berückſichtigt und auf
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nun auch fünf Jahre ſpäter Pfiſter in ſeiner „Actenmäßigen Ge-

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[191/0203] Kinder ſcheuen das Feuer. Bequure iſt, wie manche andere Ausdrücke, phonetiſch richtig aufgefaßt, wenn auch unorthographiſch, für Bekwure, von _ , keber, Grab. Vortrefflich iſt der Unter- ſchied zwiſchen Kiß und Klumnick dargeſtellt. Merkwürdig iſt hier noch das erſte Vorkommen der ſeltſamen Ueberſetzung des Lupper, Luppe (vom lateiniſchen lupa, Hure) und des Oſſene, Oſſne (vom jüdiſchdeutſchen _ , osen, ausen, Pl. _ , Ohr) mit Uhr, welche beide Ausdrücke mit der Bedeutung Uhr vom Gaunerthum durchaus recipirt ſind. Wenn beide Ausdrücke ein- zeln auch als Druckfehler erſcheinen, ſo können ſie hier bei ihrem Zuſammentreffen und erſtem Erſcheinen ſehr füglich als abſichtliche themuratiſche Transpoſitionen gelten. Zum Schluß der trefflichen, wohlgelungenen Arbeit gibt Mejer („Neues Hannoveriſches Magazin“, Stück 34 und 35) noch ſehr intereſſante Mittheilungen über die in der Brade’ſchen Bande üb- lich geweſene Vertheilung der Beute und über die Paralyſe des Gaunerthums überhaupt. Die ganze Arbeit wurde noch einmal im „Reichsanzeiger“, 1807, Nr. 114, 118, 119, 120, 124 und 163 abgedruckt und fand neben dem verdienten Beifall hier und da eine Beſprechung. Damit war aber auch alles abgethan, und wiederum blieb die linguiſtiſche Forſchung ganz danieder liegen. Dreißigſtes Kapitel. x) Das Jeniſche Wörterbuch von Pfiſter. Mejer hatte den erfreulichen Beweis geliefert, wie das be- rufene Talent bei einer gründlich und tüchtig geführten Unter- ſuchung reichliche Gelegenheit finden kann, gerade auch in der Sprache das Weſen des Gaunerthums in ſeinem tiefſten Jnnern zu entdecken. Mit Recht durfte man erwarten, daß bei ſpätern linguiſtiſchen Arbeiten dies tüchtige Muſter berückſichtigt und auf dieſer trefflichen Grundlage weiter gebaut würde. Da trat denn nun auch fünf Jahre ſpäter Pfiſter in ſeiner „Actenmäßigen Ge-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/203>, abgerufen am 21.11.2024.