schichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains" u. s. w. 1) und zwar I, 213 fg., und II (Nachtrag), 346 fg., als Gauner- linguist auf, um die durch Mejer endlich so höchst erfreulich be- lebte Gaunerlinguistik leider recht wieder in die alte dürre Ver- knöcherung der Rotwelschen Grammatik zurückfallen zu lassen. Pfister manifestirt sich auch hier in der vollen Eigenthümlichkeit seiner Erscheinung. Wie er überhaupt mehr Fleiß und guten Wil- len als Geist und Scharfblick zeigt, wie die klare Objectivität sehr häufig seiner sanguinischen Subjectivität weicht und seine kritische Betrachtung in Sentimentalität überschlägt, sodaß er sogar die furchtbar ernste Hinrichtung seiner Hauptinquisiten zu einer mit den Coulissen der Eitelkeit decorirten dramatischen Darstellung machen konnte: so vergnügte er sich wie an allen Momenten sei- ner Untersuchung so auch an der ihm hier entgegenklingenden Gaunersprache, und ließ in der Freudigkeit über seine gaunerlin- guistische Errungenschaft sich sogar hinreißen, gleich selbst mit Gaunerzungen zu reden und eine "Gauneridylle" zu componiren, über welche jeder Gaunersprachkundige wie über den versessensten Galimatias lächeln muß. Sein ganz kümmerliches Sprachmaterial hat Pfister in voller Hingebung an seine gaunerische Clientel und in vollem Vertrauen auf ihre unfehlbare Autorität mit vielem Fleiß, aber ohne alle eigene Kenntniß und ohne alle kritische Son- derung niedergeschrieben, so ganz kurz und kaustisch, wie ihn seine Gauner, wenn auch leidlich ehrlich, aber doch keineswegs mit voll- kommener Offenheit abgefunden hatten. Darin liegt offenbar der Grund der überaus dürren Form und des magern logischen Ver- ständnisses in der ganzen Vocabulatur Pfister's, und darum konnte auch nach dem Erscheinen des ersten linguistischen Theils der Re- censent Br. in Nr. 174 und 175 des "Reichsanzeigers" vom Jahre 1812 mit scharfem und gründlichem Tadel rügen, daß Pfister bei der ihm gebotenen sehr günstigen Gelegenheit nicht bessere und gründlichere Ausbeute gemacht hatte. Es ist bezeichnend, daß und wie Pfister, welcher schon im August 1812 im Nachtrage, S. 346 fg.
1) Vgl. die Literatur Th. I, S. 250 fg.
ſchichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains“ u. ſ. w. 1) und zwar I, 213 fg., und II (Nachtrag), 346 fg., als Gauner- linguiſt auf, um die durch Mejer endlich ſo höchſt erfreulich be- lebte Gaunerlinguiſtik leider recht wieder in die alte dürre Ver- knöcherung der Rotwelſchen Grammatik zurückfallen zu laſſen. Pfiſter manifeſtirt ſich auch hier in der vollen Eigenthümlichkeit ſeiner Erſcheinung. Wie er überhaupt mehr Fleiß und guten Wil- len als Geiſt und Scharfblick zeigt, wie die klare Objectivität ſehr häufig ſeiner ſanguiniſchen Subjectivität weicht und ſeine kritiſche Betrachtung in Sentimentalität überſchlägt, ſodaß er ſogar die furchtbar ernſte Hinrichtung ſeiner Hauptinquiſiten zu einer mit den Couliſſen der Eitelkeit decorirten dramatiſchen Darſtellung machen konnte: ſo vergnügte er ſich wie an allen Momenten ſei- ner Unterſuchung ſo auch an der ihm hier entgegenklingenden Gaunerſprache, und ließ in der Freudigkeit über ſeine gaunerlin- guiſtiſche Errungenſchaft ſich ſogar hinreißen, gleich ſelbſt mit Gaunerzungen zu reden und eine „Gauneridylle“ zu componiren, über welche jeder Gaunerſprachkundige wie über den verſeſſenſten Galimatias lächeln muß. Sein ganz kümmerliches Sprachmaterial hat Pfiſter in voller Hingebung an ſeine gauneriſche Clientel und in vollem Vertrauen auf ihre unfehlbare Autorität mit vielem Fleiß, aber ohne alle eigene Kenntniß und ohne alle kritiſche Son- derung niedergeſchrieben, ſo ganz kurz und kauſtiſch, wie ihn ſeine Gauner, wenn auch leidlich ehrlich, aber doch keineswegs mit voll- kommener Offenheit abgefunden hatten. Darin liegt offenbar der Grund der überaus dürren Form und des magern logiſchen Ver- ſtändniſſes in der ganzen Vocabulatur Pfiſter’s, und darum konnte auch nach dem Erſcheinen des erſten linguiſtiſchen Theils der Re- cenſent Br. in Nr. 174 und 175 des „Reichsanzeigers“ vom Jahre 1812 mit ſcharfem und gründlichem Tadel rügen, daß Pfiſter bei der ihm gebotenen ſehr günſtigen Gelegenheit nicht beſſere und gründlichere Ausbeute gemacht hatte. Es iſt bezeichnend, daß und wie Pfiſter, welcher ſchon im Auguſt 1812 im Nachtrage, S. 346 fg.
1) Vgl. die Literatur Th. I, S. 250 fg.
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ſchichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains“ u. ſ. w. 1)
und zwar I, 213 fg., und II (Nachtrag), 346 fg., als Gauner-
linguiſt auf, um die durch Mejer endlich ſo höchſt erfreulich be-
lebte Gaunerlinguiſtik leider recht wieder in die alte dürre Ver-
knöcherung der Rotwelſchen Grammatik zurückfallen zu laſſen.
Pfiſter manifeſtirt ſich auch hier in der vollen Eigenthümlichkeit
ſeiner Erſcheinung. Wie er überhaupt mehr Fleiß und guten Wil-
len als Geiſt und Scharfblick zeigt, wie die klare Objectivität ſehr
häufig ſeiner ſanguiniſchen Subjectivität weicht und ſeine kritiſche
Betrachtung in Sentimentalität überſchlägt, ſodaß er ſogar die
furchtbar ernſte Hinrichtung ſeiner Hauptinquiſiten zu einer mit
den Couliſſen der Eitelkeit decorirten dramatiſchen Darſtellung
machen konnte: ſo vergnügte er ſich wie an allen Momenten ſei-
ner Unterſuchung ſo auch an der ihm hier entgegenklingenden
Gaunerſprache, und ließ in der Freudigkeit über ſeine gaunerlin-
guiſtiſche Errungenſchaft ſich ſogar hinreißen, gleich ſelbſt mit
Gaunerzungen zu reden und eine „Gauneridylle“ zu componiren,
über welche jeder Gaunerſprachkundige wie über den verſeſſenſten
Galimatias lächeln muß. Sein ganz kümmerliches Sprachmaterial
hat Pfiſter in voller Hingebung an ſeine gauneriſche Clientel und
in vollem Vertrauen auf ihre unfehlbare Autorität mit vielem
Fleiß, aber ohne alle eigene Kenntniß und ohne alle kritiſche Son-
derung niedergeſchrieben, ſo ganz kurz und kauſtiſch, wie ihn ſeine
Gauner, wenn auch leidlich ehrlich, aber doch keineswegs mit voll-
kommener Offenheit abgefunden hatten. Darin liegt offenbar der
Grund der überaus dürren Form und des magern logiſchen Ver-
ſtändniſſes in der ganzen Vocabulatur Pfiſter’s, und darum konnte
auch nach dem Erſcheinen des erſten linguiſtiſchen Theils der Re-
cenſent Br. in Nr. 174 und 175 des „Reichsanzeigers“ vom Jahre
1812 mit ſcharfem und gründlichem Tadel rügen, daß Pfiſter bei
der ihm gebotenen ſehr günſtigen Gelegenheit nicht beſſere und
gründlichere Ausbeute gemacht hatte. Es iſt bezeichnend, daß und
wie Pfiſter, welcher ſchon im Auguſt 1812 im Nachtrage, S. 346 fg.
1) Vgl. die Literatur Th. I, S. 250 fg.
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/204>, abgerufen am 24.11.2024.
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