mit Empfindlichkeit in einer flachen Apologie sich gegen die Kritik ausspricht, mit einer neuen, sehr starken Vocabelzuthat hervortritt, "welche zum Theil aus weiterer Aushebung seiner früheren Col- lectaneen, theils aus Benutzung einiger zerstreuter Bekanntmachun- gen (?), zum größten Theile aber aus neueren Aufnahmen (?) und Vergleichungen, welche er machte, bestanden, wobei er ge- flissentlich auch auf Anführung der besonderen Aussprache Rücksicht genommen hatte." Allerdings sind die Vocabeln bei Pfister dia- lektisch stark verfärbt, namentlich tritt das schwäbische Jdiom scharf hervor. Diese Verfärbung erstreckt sich, recht im Gegensatz zu den schlichten Mejer'schen Vocabeln, auch auf das hier ebenfalls stark vertretene Judendeutsch und auf das hier häufiger als sonst vor- her sich hervordrängende Zigeunerische. Doch bedarf es schon kei- ner besonders scharfen kritischen Lupe, um unter den von Pfister nirgends genannten Quellen für seine Vocabeln besonders den con- stanzer Hans als spiritus familiaris zu erkennen. Keineswegs aber trifft Pfister das hohle und absprechende Urtheil Thiele's, "Jüdische Gauner", I, 204, daß nämlich "das ziemlich fehler- hafte (?) Lexikon ausschließlich den Jargon betreffe, welcher fast ausschließlich von Spitzbuben christlicher Abkunft gesprochen sei, welchen Pfister sich gegenüber befunden habe"!!
Aus der Prüfung der ganzen Wörtermasse, welche Pfister in beiden Abtheilungen zusammengetragen hat, ergibt sich, daß er durchaus keine eigene linguistische kritische Forschung unternommen, sondern nur mit leider allzu großer dogmatischer Treue die kahle Vocabulatur mit der trockenen, dürftigen und oft sogar incorrecten logischen Erklärung niedergeschrieben hat, wie sie oft ersichtlich aus recht verdrossenem, mürrischem Gaunermunde gegeben sein mochte, wobei denn auch in der großen Masse die bessere Zuthat aus constanzer Hans und aus anderweiten Quellen nicht recht hervortreten und das Ganze heben konnte. Einen frappanten Be- weis von Pfister's mangelhafter Linguistik liefert aber seine in der That recht seltsame Begegnung mit dem in seiner ganzen persön- lichen und amtlichen Weise den schärfsten Gegensatz zu ihm bilden- den Polizeimeister C. D. Christensen in Kiel, von welchem im
Ave-Lallemant, Gaunerthum. IV. 13
mit Empfindlichkeit in einer flachen Apologie ſich gegen die Kritik ausſpricht, mit einer neuen, ſehr ſtarken Vocabelzuthat hervortritt, „welche zum Theil aus weiterer Aushebung ſeiner früheren Col- lectaneen, theils aus Benutzung einiger zerſtreuter Bekanntmachun- gen (?), zum größten Theile aber aus neueren Aufnahmen (?) und Vergleichungen, welche er machte, beſtanden, wobei er ge- fliſſentlich auch auf Anführung der beſonderen Ausſprache Rückſicht genommen hatte.“ Allerdings ſind die Vocabeln bei Pfiſter dia- lektiſch ſtark verfärbt, namentlich tritt das ſchwäbiſche Jdiom ſcharf hervor. Dieſe Verfärbung erſtreckt ſich, recht im Gegenſatz zu den ſchlichten Mejer’ſchen Vocabeln, auch auf das hier ebenfalls ſtark vertretene Judendeutſch und auf das hier häufiger als ſonſt vor- her ſich hervordrängende Zigeuneriſche. Doch bedarf es ſchon kei- ner beſonders ſcharfen kritiſchen Lupe, um unter den von Pfiſter nirgends genannten Quellen für ſeine Vocabeln beſonders den con- ſtanzer Hans als spiritus familiaris zu erkennen. Keineswegs aber trifft Pfiſter das hohle und abſprechende Urtheil Thiele’s, „Jüdiſche Gauner“, I, 204, daß nämlich „das ziemlich fehler- hafte (?) Lexikon ausſchließlich den Jargon betreffe, welcher faſt ausſchließlich von Spitzbuben chriſtlicher Abkunft geſprochen ſei, welchen Pfiſter ſich gegenüber befunden habe“!!
Aus der Prüfung der ganzen Wörtermaſſe, welche Pfiſter in beiden Abtheilungen zuſammengetragen hat, ergibt ſich, daß er durchaus keine eigene linguiſtiſche kritiſche Forſchung unternommen, ſondern nur mit leider allzu großer dogmatiſcher Treue die kahle Vocabulatur mit der trockenen, dürftigen und oft ſogar incorrecten logiſchen Erklärung niedergeſchrieben hat, wie ſie oft erſichtlich aus recht verdroſſenem, mürriſchem Gaunermunde gegeben ſein mochte, wobei denn auch in der großen Maſſe die beſſere Zuthat aus conſtanzer Hans und aus anderweiten Quellen nicht recht hervortreten und das Ganze heben konnte. Einen frappanten Be- weis von Pfiſter’s mangelhafter Linguiſtik liefert aber ſeine in der That recht ſeltſame Begegnung mit dem in ſeiner ganzen perſön- lichen und amtlichen Weiſe den ſchärfſten Gegenſatz zu ihm bilden- den Polizeimeiſter C. D. Chriſtenſen in Kiel, von welchem im
Avé-Lallemant, Gaunerthum. IV. 13
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[193/0205]
mit Empfindlichkeit in einer flachen Apologie ſich gegen die Kritik
ausſpricht, mit einer neuen, ſehr ſtarken Vocabelzuthat hervortritt,
„welche zum Theil aus weiterer Aushebung ſeiner früheren Col-
lectaneen, theils aus Benutzung einiger zerſtreuter Bekanntmachun-
gen (?), zum größten Theile aber aus neueren Aufnahmen (?)
und Vergleichungen, welche er machte, beſtanden, wobei er ge-
fliſſentlich auch auf Anführung der beſonderen Ausſprache Rückſicht
genommen hatte.“ Allerdings ſind die Vocabeln bei Pfiſter dia-
lektiſch ſtark verfärbt, namentlich tritt das ſchwäbiſche Jdiom ſcharf
hervor. Dieſe Verfärbung erſtreckt ſich, recht im Gegenſatz zu den
ſchlichten Mejer’ſchen Vocabeln, auch auf das hier ebenfalls ſtark
vertretene Judendeutſch und auf das hier häufiger als ſonſt vor-
her ſich hervordrängende Zigeuneriſche. Doch bedarf es ſchon kei-
ner beſonders ſcharfen kritiſchen Lupe, um unter den von Pfiſter
nirgends genannten Quellen für ſeine Vocabeln beſonders den con-
ſtanzer Hans als spiritus familiaris zu erkennen. Keineswegs
aber trifft Pfiſter das hohle und abſprechende Urtheil Thiele’s,
„Jüdiſche Gauner“, I, 204, daß nämlich „das ziemlich fehler-
hafte (?) Lexikon ausſchließlich den Jargon betreffe, welcher faſt
ausſchließlich von Spitzbuben chriſtlicher Abkunft geſprochen ſei,
welchen Pfiſter ſich gegenüber befunden habe“!!
Aus der Prüfung der ganzen Wörtermaſſe, welche Pfiſter in
beiden Abtheilungen zuſammengetragen hat, ergibt ſich, daß er
durchaus keine eigene linguiſtiſche kritiſche Forſchung unternommen,
ſondern nur mit leider allzu großer dogmatiſcher Treue die kahle
Vocabulatur mit der trockenen, dürftigen und oft ſogar incorrecten
logiſchen Erklärung niedergeſchrieben hat, wie ſie oft erſichtlich
aus recht verdroſſenem, mürriſchem Gaunermunde gegeben ſein
mochte, wobei denn auch in der großen Maſſe die beſſere Zuthat
aus conſtanzer Hans und aus anderweiten Quellen nicht recht
hervortreten und das Ganze heben konnte. Einen frappanten Be-
weis von Pfiſter’s mangelhafter Linguiſtik liefert aber ſeine in der
That recht ſeltſame Begegnung mit dem in ſeiner ganzen perſön-
lichen und amtlichen Weiſe den ſchärfſten Gegenſatz zu ihm bilden-
den Polizeimeiſter C. D. Chriſtenſen in Kiel, von welchem im
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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/205>, abgerufen am 24.11.2024.
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