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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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Knochen in Verbindung mit andern Knochen, und die Muskeln eben so in Ver-
bindung mit andern Muskeln abhandeln zu müssen. Man sieht aber leicht ein,
dass man mit demselben Rechte die Muskeln des Magens besonders abhandeln
müsste, was nur deswegen nicht geschieht, weil man sie nicht einzeln sondern
kann, und hiervon liegt der Grund nur darin, dass der Magen der höheren
Thiere keine festen Theile enthält, wie der Magen der Krebse. Die Isolirung
der Muskeln in der Hand ist eben so nur eine Folge vom Daseyn der Knochen.

Die Botaniker sind durch die Natur selbst auf eine andre Scheidung ge-
kommen. Ihre Anatomie beschäftigt sich nur mit den histologischen Elementen
und die morphologische Kenntniss der Organe der Pflanze wurde sonst unter dem
Namen der Terminologie bearbeitet. Diese sogenannte Terminologie oder die
Kenntniss der äussern Theile ist sich jetzt bewusst, dass sie eine Organologie ist,
da alle Organe der Pflanze äusserlich getrennt sind.

In dieser Eintheilung ist offenbar mehr Consequenz. Sollte man ihr nicht
in der Morphologie der Thiere folgen können und diese schärfer in eine Histologie
oder die Lehre von den organischen Elementen, und Organologie oder besondere
Morphologie, scheiden. Ursprünglich hat man alle Theile des Körpers, die eine
gewisse Besonderheit haben, Organe genannt und das Hirn wie das Herz für
Organe gehalten. Jetzt scheint man ihnen dieses Recht streitig machen zu wollen,
weil sie weniger zusammengesetzt sind, allein das Hirn hat seine Blutgefässe und
das Herz seine Nerven so gut als der Magen. Die Botaniker halten einen Theil,
der nur aus Zellgewebe besteht, nichts desto weniger für ein Organ, wenn er
gesondert da liegt. -- In den Thieren kann man jede besondere Modification der
Fundamentalorgane für Organe ansehn, und wenn man ganz der Entwickelungs-
weise folgt, wird man in der Nervenschicht der Wirbelthiere zwei Organe er-
kennen, Hirn und Rückenmark, in der Fleischschicht Schädel und Gesicht,
Rücken und Bauchwand, so wie man einzelne Organe in der Schleimhautröhre
unterscheidet. Die Knochen, Muskeln und Blutgefässe in ihnen sind die organi-
schen Elemente. Ob für den Vortrag eine solche Eintheilung die passendere wäre,
ist eine andre Frage. Für die Erkenntniss des Baues scheint sie es offenbar.



Knochen in Verbindung mit andern Knochen, und die Muskeln eben so in Ver-
bindung mit andern Muskeln abhandeln zu müssen. Man sieht aber leicht ein,
daſs man mit demselben Rechte die Muskeln des Magens besonders abhandeln
müſste, was nur deswegen nicht geschieht, weil man sie nicht einzeln sondern
kann, und hiervon liegt der Grund nur darin, daſs der Magen der höheren
Thiere keine festen Theile enthält, wie der Magen der Krebse. Die Isolirung
der Muskeln in der Hand ist eben so nur eine Folge vom Daseyn der Knochen.

Die Botaniker sind durch die Natur selbst auf eine andre Scheidung ge-
kommen. Ihre Anatomie beschäftigt sich nur mit den histologischen Elementen
und die morphologische Kenntniſs der Organe der Pflanze wurde sonst unter dem
Namen der Terminologie bearbeitet. Diese sogenannte Terminologie oder die
Kenntniſs der äuſsern Theile ist sich jetzt bewuſst, daſs sie eine Organologie ist,
da alle Organe der Pflanze äuſserlich getrennt sind.

In dieser Eintheilung ist offenbar mehr Consequenz. Sollte man ihr nicht
in der Morphologie der Thiere folgen können und diese schärfer in eine Histologie
oder die Lehre von den organischen Elementen, und Organologie oder besondere
Morphologie, scheiden. Ursprünglich hat man alle Theile des Körpers, die eine
gewisse Besonderheit haben, Organe genannt und das Hirn wie das Herz für
Organe gehalten. Jetzt scheint man ihnen dieses Recht streitig machen zu wollen,
weil sie weniger zusammengesetzt sind, allein das Hirn hat seine Blutgefäſse und
das Herz seine Nerven so gut als der Magen. Die Botaniker halten einen Theil,
der nur aus Zellgewebe besteht, nichts desto weniger für ein Organ, wenn er
gesondert da liegt. — In den Thieren kann man jede besondere Modification der
Fundamentalorgane für Organe ansehn, und wenn man ganz der Entwickelungs-
weise folgt, wird man in der Nervenschicht der Wirbelthiere zwei Organe er-
kennen, Hirn und Rückenmark, in der Fleischschicht Schädel und Gesicht,
Rücken und Bauchwand, so wie man einzelne Organe in der Schleimhautröhre
unterscheidet. Die Knochen, Muskeln und Blutgefäſse in ihnen sind die organi-
schen Elemente. Ob für den Vortrag eine solche Eintheilung die passendere wäre,
ist eine andre Frage. Für die Erkenntniſs des Baues scheint sie es offenbar.



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[198/0228] Knochen in Verbindung mit andern Knochen, und die Muskeln eben so in Ver- bindung mit andern Muskeln abhandeln zu müssen. Man sieht aber leicht ein, daſs man mit demselben Rechte die Muskeln des Magens besonders abhandeln müſste, was nur deswegen nicht geschieht, weil man sie nicht einzeln sondern kann, und hiervon liegt der Grund nur darin, daſs der Magen der höheren Thiere keine festen Theile enthält, wie der Magen der Krebse. Die Isolirung der Muskeln in der Hand ist eben so nur eine Folge vom Daseyn der Knochen. Die Botaniker sind durch die Natur selbst auf eine andre Scheidung ge- kommen. Ihre Anatomie beschäftigt sich nur mit den histologischen Elementen und die morphologische Kenntniſs der Organe der Pflanze wurde sonst unter dem Namen der Terminologie bearbeitet. Diese sogenannte Terminologie oder die Kenntniſs der äuſsern Theile ist sich jetzt bewuſst, daſs sie eine Organologie ist, da alle Organe der Pflanze äuſserlich getrennt sind. In dieser Eintheilung ist offenbar mehr Consequenz. Sollte man ihr nicht in der Morphologie der Thiere folgen können und diese schärfer in eine Histologie oder die Lehre von den organischen Elementen, und Organologie oder besondere Morphologie, scheiden. Ursprünglich hat man alle Theile des Körpers, die eine gewisse Besonderheit haben, Organe genannt und das Hirn wie das Herz für Organe gehalten. Jetzt scheint man ihnen dieses Recht streitig machen zu wollen, weil sie weniger zusammengesetzt sind, allein das Hirn hat seine Blutgefäſse und das Herz seine Nerven so gut als der Magen. Die Botaniker halten einen Theil, der nur aus Zellgewebe besteht, nichts desto weniger für ein Organ, wenn er gesondert da liegt. — In den Thieren kann man jede besondere Modification der Fundamentalorgane für Organe ansehn, und wenn man ganz der Entwickelungs- weise folgt, wird man in der Nervenschicht der Wirbelthiere zwei Organe er- kennen, Hirn und Rückenmark, in der Fleischschicht Schädel und Gesicht, Rücken und Bauchwand, so wie man einzelne Organe in der Schleimhautröhre unterscheidet. Die Knochen, Muskeln und Blutgefäſse in ihnen sind die organi- schen Elemente. Ob für den Vortrag eine solche Eintheilung die passendere wäre, ist eine andre Frage. Für die Erkenntniſs des Baues scheint sie es offenbar.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/228>, abgerufen am 27.04.2024.