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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828.

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zu beweisen ist. Ich habe stets gefunden, dass diejenigen Eier, welche unter der
Brust der Henne liegen, sich rascher entwickeln, als diejenigen, die am Rande
des Nestes unter dem Flügel sind.

Einfluss
vom Alter
des Eies.

Am auffallendsten aber ist, wenigstens für die ersten Tage der Bebrütung,
die Verschiedenheit der Entwickelung, je nachdem die Eier kurze oder lange Zeit
vorher gelegt waren. Wenn ich am Ende des Juli vom Markte Eier kaufte, so
brachte ich im Durchschnitt kaum die Hälfte derselben zur Entwickelung, im
August weniger als die Hälfte, und im September unter dreissig Eiern zwei. Da
die meisten Eier, die man in diesen Zeiten vom Markte kaust, lange gelegen ha-
ben, und ich zu denselben Zeiten andere Eier, die bei mir kurz vorher gelegt wa-
ren, fast alle zur Entwickelung brachte, so konnte ich nicht nur die alte Bemer-
kung bestätigen, dass Eier, wenn sie längere Zeit gelegen haben, und für unsere
Geruchsorgane noch völlig frisch erscheinen, doch zur Entwickelung nicht taug-
lich sind, sondern ich glaubte auch zu erkennen, dass, abgesehen von den gar
nicht befruchteten Eiern, im Dotter eine Metamorphose vorgegangen war. Be-
kanntlich ist auch in nicht bebrüteten Eiern eine langsame Verdunstung. Ausser-
dem schien mir aber in der Umgebung des Keimblattes eine ansehnlichere Lage
von weisslichen Dotterkügelchen sich angesammelt zu haben, als man in frischen
Eiern findet. Da diese weissen Kügelchen mit denen übereinstimmen, welche
während der Bebrütung sich in den Halonen sammeln, so glaube ich, dass die-
selbe Metamorphose, welche der Dotter während der Bebrütung unter dem Ein-
flusse des Keimblattes erfährt, auch ohne Bebrütung jedoch überaus laugsam, in
ihm eintritt. Eine Folge davon ist, dass nun, wenn das Ei der Bebrütung unter-
worfen wird, ein Missverhältniss zwischen Keimblatt und Dotter sich findet, wel-
ches entweder die Entwickelung ganz hindert, oder, wenn es noch nicht so weit
vorgeschritten ist, sie verzögert, indem das Missverhältniss nur langsam überwun-
den wird. Alte Eier können gegen frische bei demselben Wärmegrade um einen
bis zwei Tage zurückbleiben, wie ich im Bereiche der ersten fünf Tage gefunden
habe. Ueber die spätere Zeit habe ich weniger bestimmte Erfahrung.

Nach wel-
chen Grund-
sätzen die
Zeit der Ent-
wickelung
bestimmt
ist.

Um nun doch die Zeiten für die einzelnen Entwickelungsstufen bestimmen
zu können, suchte ich eine Normal-Entwickelung festzustellen. Ich wählte Eier,
welche wenige Tage vorher gelegt waren, und schob sie unter die Brust der brü-
tenden Henne. Ich bestimmte nun die Entwickelungsstufe für das Ende des er-
sten, zweiten u. s. w. bis zum Ende des fünften Tages, und suchte die Zwischen-
zeiten theils annäherungsweise durch Schätzung, theils durch unmittelbare Beob-
achtung zu finden. Ich glaubte das Ei unter günstige Umstände bringen zu müs-
sen, um darnach die Zeit zu bestimmen, weil offenbar viele Momente die Ent-

zu beweisen ist. Ich habe stets gefunden, daſs diejenigen Eier, welche unter der
Brust der Henne liegen, sich rascher entwickeln, als diejenigen, die am Rande
des Nestes unter dem Flügel sind.

Einfluſs
vom Alter
des Eies.

Am auffallendsten aber ist, wenigstens für die ersten Tage der Bebrütung,
die Verschiedenheit der Entwickelung, je nachdem die Eier kurze oder lange Zeit
vorher gelegt waren. Wenn ich am Ende des Juli vom Markte Eier kaufte, so
brachte ich im Durchschnitt kaum die Hälfte derselben zur Entwickelung, im
August weniger als die Hälfte, und im September unter dreiſsig Eiern zwei. Da
die meisten Eier, die man in diesen Zeiten vom Markte kauſt, lange gelegen ha-
ben, und ich zu denselben Zeiten andere Eier, die bei mir kurz vorher gelegt wa-
ren, fast alle zur Entwickelung brachte, so konnte ich nicht nur die alte Bemer-
kung bestätigen, daſs Eier, wenn sie längere Zeit gelegen haben, und für unsere
Geruchsorgane noch völlig frisch erscheinen, doch zur Entwickelung nicht taug-
lich sind, sondern ich glaubte auch zu erkennen, daſs, abgesehen von den gar
nicht befruchteten Eiern, im Dotter eine Metamorphose vorgegangen war. Be-
kanntlich ist auch in nicht bebrüteten Eiern eine langsame Verdunstung. Auſser-
dem schien mir aber in der Umgebung des Keimblattes eine ansehnlichere Lage
von weiſslichen Dotterkügelchen sich angesammelt zu haben, als man in frischen
Eiern findet. Da diese weiſsen Kügelchen mit denen übereinstimmen, welche
während der Bebrütung sich in den Halonen sammeln, so glaube ich, daſs die-
selbe Metamorphose, welche der Dotter während der Bebrütung unter dem Ein-
flusse des Keimblattes erfährt, auch ohne Bebrütung jedoch überaus laugsam, in
ihm eintritt. Eine Folge davon ist, daſs nun, wenn das Ei der Bebrütung unter-
worfen wird, ein Miſsverhältniſs zwischen Keimblatt und Dotter sich findet, wel-
ches entweder die Entwickelung ganz hindert, oder, wenn es noch nicht so weit
vorgeschritten ist, sie verzögert, indem das Miſsverhältniſs nur langsam überwun-
den wird. Alte Eier können gegen frische bei demselben Wärmegrade um einen
bis zwei Tage zurückbleiben, wie ich im Bereiche der ersten fünf Tage gefunden
habe. Ueber die spätere Zeit habe ich weniger bestimmte Erfahrung.

Nach wel-
chen Grund-
sätzen die
Zeit der Ent-
wickelung
bestimmt
ist.

Um nun doch die Zeiten für die einzelnen Entwickelungsstufen bestimmen
zu können, suchte ich eine Normal-Entwickelung festzustellen. Ich wählte Eier,
welche wenige Tage vorher gelegt waren, und schob sie unter die Brust der brü-
tenden Henne. Ich bestimmte nun die Entwickelungsstufe für das Ende des er-
sten, zweiten u. s. w. bis zum Ende des fünften Tages, und suchte die Zwischen-
zeiten theils annäherungsweise durch Schätzung, theils durch unmittelbare Beob-
achtung zu finden. Ich glaubte das Ei unter günstige Umstände bringen zu müs-
sen, um darnach die Zeit zu bestimmen, weil offenbar viele Momente die Ent-

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[6/0036] zu beweisen ist. Ich habe stets gefunden, daſs diejenigen Eier, welche unter der Brust der Henne liegen, sich rascher entwickeln, als diejenigen, die am Rande des Nestes unter dem Flügel sind. Am auffallendsten aber ist, wenigstens für die ersten Tage der Bebrütung, die Verschiedenheit der Entwickelung, je nachdem die Eier kurze oder lange Zeit vorher gelegt waren. Wenn ich am Ende des Juli vom Markte Eier kaufte, so brachte ich im Durchschnitt kaum die Hälfte derselben zur Entwickelung, im August weniger als die Hälfte, und im September unter dreiſsig Eiern zwei. Da die meisten Eier, die man in diesen Zeiten vom Markte kauſt, lange gelegen ha- ben, und ich zu denselben Zeiten andere Eier, die bei mir kurz vorher gelegt wa- ren, fast alle zur Entwickelung brachte, so konnte ich nicht nur die alte Bemer- kung bestätigen, daſs Eier, wenn sie längere Zeit gelegen haben, und für unsere Geruchsorgane noch völlig frisch erscheinen, doch zur Entwickelung nicht taug- lich sind, sondern ich glaubte auch zu erkennen, daſs, abgesehen von den gar nicht befruchteten Eiern, im Dotter eine Metamorphose vorgegangen war. Be- kanntlich ist auch in nicht bebrüteten Eiern eine langsame Verdunstung. Auſser- dem schien mir aber in der Umgebung des Keimblattes eine ansehnlichere Lage von weiſslichen Dotterkügelchen sich angesammelt zu haben, als man in frischen Eiern findet. Da diese weiſsen Kügelchen mit denen übereinstimmen, welche während der Bebrütung sich in den Halonen sammeln, so glaube ich, daſs die- selbe Metamorphose, welche der Dotter während der Bebrütung unter dem Ein- flusse des Keimblattes erfährt, auch ohne Bebrütung jedoch überaus laugsam, in ihm eintritt. Eine Folge davon ist, daſs nun, wenn das Ei der Bebrütung unter- worfen wird, ein Miſsverhältniſs zwischen Keimblatt und Dotter sich findet, wel- ches entweder die Entwickelung ganz hindert, oder, wenn es noch nicht so weit vorgeschritten ist, sie verzögert, indem das Miſsverhältniſs nur langsam überwun- den wird. Alte Eier können gegen frische bei demselben Wärmegrade um einen bis zwei Tage zurückbleiben, wie ich im Bereiche der ersten fünf Tage gefunden habe. Ueber die spätere Zeit habe ich weniger bestimmte Erfahrung. Um nun doch die Zeiten für die einzelnen Entwickelungsstufen bestimmen zu können, suchte ich eine Normal-Entwickelung festzustellen. Ich wählte Eier, welche wenige Tage vorher gelegt waren, und schob sie unter die Brust der brü- tenden Henne. Ich bestimmte nun die Entwickelungsstufe für das Ende des er- sten, zweiten u. s. w. bis zum Ende des fünften Tages, und suchte die Zwischen- zeiten theils annäherungsweise durch Schätzung, theils durch unmittelbare Beob- achtung zu finden. Ich glaubte das Ei unter günstige Umstände bringen zu müs- sen, um darnach die Zeit zu bestimmen, weil offenbar viele Momente die Ent-

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. Königsberg, 1828, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1828/36>, abgerufen am 03.12.2024.