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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Fidelis (steht auf und nimmt sie an der Hand; ruhig).
Luz!? Ist das meine stolze Luz, die, wenn man ihr
einen Vorwurf macht, den Kopf zurückwirft und das
Kinn verschiebt und spöttisch erklärt: So bin ich eben
und wenn's dir nicht recht ist, wie ich bin, hätt'st du
dir eine andere suchen müssen!? (Sieht sie lächelnd an.)
Luz (entzieht ihm plötzlich heftig ihre Hände, tritt von
ihm weg nach rechts, blickt zu Boden und sagt vor sich hin,
tonlos).
Vielleicht suchst du dir jetzt eine andere.
Fidelis (durch ihren Ton befremdet; sieht sie fragend an;
dann, sehr ernst, langsam).
Was ist denn also nur!
Luz (halb von ihm abgewendet, zu Boden blickend; trotzig
drohend, leise).
Zwing mich nicht, ich warne dich!
Fidelis (blickt sie einen Augenblick fragend an, wird un-
entschlossen und geht langsam zum ersten Fenster links; nach
einer kleinen Pause wendet er sich wieder nach ihr um; ruhig).

Nein. Kennst du mich so wenig? (Lächelnd.) Deshalb
klagt doch Mamchen immer über meinen Undank, weil
ich ihr nicht, wenn sie mir einen neuen Koffer schenkt,
gleich den Preis dafür in barem Gefühl zurückzahle.
Ich stehe nicht in solcher Verrechnung mit meinen Mit-
menschen. Wenn ich wen nicht mag, so hilft's ihm
nichts, wenn er sich noch so gut gegen mich benimmt.
Und wenn ich wen mag, so schad'ts ihm auch nichts,
wenn er mir hundert Mark stiehlt.
Luz (gierig zuhörend, jedes Wort förmlich einsaugend;
jetzt lebhaft widersprechend).
Das ist doch nicht so!
Fidelis (leichthin). Gewiß. Soll ich wegen hundert
Mark --?
Luz (rasch einfallend). Aber daß er einer solchen Hand-
Fidelis (ſteht auf und nimmt ſie an der Hand; ruhig).
Luz!? Iſt das meine ſtolze Luz, die, wenn man ihr
einen Vorwurf macht, den Kopf zurückwirft und das
Kinn verſchiebt und ſpöttiſch erklärt: So bin ich eben
und wenn's dir nicht recht iſt, wie ich bin, hätt'ſt du
dir eine andere ſuchen müſſen!? (Sieht ſie laͤchelnd an.)
Luz (entzieht ihm ploͤtzlich heftig ihre Haͤnde, tritt von
ihm weg nach rechts, blickt zu Boden und ſagt vor ſich hin,
tonlos).
Vielleicht ſuchſt du dir jetzt eine andere.
Fidelis (durch ihren Ton befremdet; ſieht ſie fragend an;
dann, ſehr ernſt, langſam).
Was iſt denn alſo nur!
Luz (halb von ihm abgewendet, zu Boden blickend; trotzig
drohend, leiſe).
Zwing mich nicht, ich warne dich!
Fidelis (blickt ſie einen Augenblick fragend an, wird un-
entſchloſſen und geht langſam zum erſten Fenſter links; nach
einer kleinen Pauſe wendet er ſich wieder nach ihr um; ruhig).

Nein. Kennſt du mich ſo wenig? (Laͤchelnd.) Deshalb
klagt doch Mamchen immer über meinen Undank, weil
ich ihr nicht, wenn ſie mir einen neuen Koffer ſchenkt,
gleich den Preis dafür in barem Gefühl zurückzahle.
Ich ſtehe nicht in ſolcher Verrechnung mit meinen Mit-
menſchen. Wenn ich wen nicht mag, ſo hilft's ihm
nichts, wenn er ſich noch ſo gut gegen mich benimmt.
Und wenn ich wen mag, ſo ſchad'ts ihm auch nichts,
wenn er mir hundert Mark ſtiehlt.
Luz (gierig zuhoͤrend, jedes Wort foͤrmlich einſaugend;
jetzt lebhaft widerſprechend).
Das iſt doch nicht ſo!
Fidelis (leichthin). Gewiß. Soll ich wegen hundert
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Luz (raſch einfallend). Aber daß er einer ſolchen Hand-
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[46/0049] Fidelis (ſteht auf und nimmt ſie an der Hand; ruhig). Luz!? Iſt das meine ſtolze Luz, die, wenn man ihr einen Vorwurf macht, den Kopf zurückwirft und das Kinn verſchiebt und ſpöttiſch erklärt: So bin ich eben und wenn's dir nicht recht iſt, wie ich bin, hätt'ſt du dir eine andere ſuchen müſſen!? (Sieht ſie laͤchelnd an.) Luz (entzieht ihm ploͤtzlich heftig ihre Haͤnde, tritt von ihm weg nach rechts, blickt zu Boden und ſagt vor ſich hin, tonlos). Vielleicht ſuchſt du dir jetzt eine andere. Fidelis (durch ihren Ton befremdet; ſieht ſie fragend an; dann, ſehr ernſt, langſam). Was iſt denn alſo nur! Luz (halb von ihm abgewendet, zu Boden blickend; trotzig drohend, leiſe). Zwing mich nicht, ich warne dich! Fidelis (blickt ſie einen Augenblick fragend an, wird un- entſchloſſen und geht langſam zum erſten Fenſter links; nach einer kleinen Pauſe wendet er ſich wieder nach ihr um; ruhig). Nein. Kennſt du mich ſo wenig? (Laͤchelnd.) Deshalb klagt doch Mamchen immer über meinen Undank, weil ich ihr nicht, wenn ſie mir einen neuen Koffer ſchenkt, gleich den Preis dafür in barem Gefühl zurückzahle. Ich ſtehe nicht in ſolcher Verrechnung mit meinen Mit- menſchen. Wenn ich wen nicht mag, ſo hilft's ihm nichts, wenn er ſich noch ſo gut gegen mich benimmt. Und wenn ich wen mag, ſo ſchad'ts ihm auch nichts, wenn er mir hundert Mark ſtiehlt. Luz (gierig zuhoͤrend, jedes Wort foͤrmlich einſaugend; jetzt lebhaft widerſprechend). Das iſt doch nicht ſo! Fidelis (leichthin). Gewiß. Soll ich wegen hundert Mark —? Luz (raſch einfallend). Aber daß er einer ſolchen Hand-

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/49>, abgerufen am 24.04.2024.