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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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wird im Herzen jedes anständigen Menschen, der Wert
auf die Achtung der Welt legt, nicht so leicht Eingang
finden". Und: "Ein Missetäter braucht nur erlauchter Her-
kunft zu sein, um auf den Beifall der meisten Menschen
zählen zu können" 118).

Man hält in Deutschland noch heute für Philosophie
die Ansicht, dass das "wirkliche" Leben solch knäbische
Idealismen spielend beseitigt. Und doch ist gerade diese
Ueberzeugung eine moralische Fahnenflucht, liegt gerade
in dieser Ansicht das unheroische Faktum unserer Denkart.
Der König wusste das wohl. Sein Zynismus zeigte sich
darin, dass er die wahren Aufgaben des Herrschers begriff
und verriet und noch Philosophie daraus machte.

Sobald sich eine Gelegenheit bot, fiel er über Schlesien
her. Wobei wiederum zu bemerken wäre (siehe Masaryk),
dass eine Revolte nur dann kein Verrat ist, wenn sie von
menschlichem Mitleid getragen auf Notdurft und Rechten
basiert und von kollektivem Gewissen getragen, nach mehr-
fach vergeblicher Anmeldung ihrer Rechte zum Aufstand
gezwungen ist.

1741 bekennt der König 119): "Der Ruhm der preus-
sischen Waffen und die Ehre des Hauses bestimmen mein
Handeln und werden mich bis in den Tod leiten". Was
kümmert uns aber der Ehrgeiz eines Fürsten und die
Machtlust der preussischen Waffen? Uns ist die Wohlfahrt
des Volkes vertraut. Und wenn er behauptet: "Der preussische
König muss den Krieg unbedingt zu seinem Hauptstudium
machen und den Eifer derjenigen anfeuern, die den edlen
und gefährlichen Waffenruf ergriffen haben" 120) -- was
schiert uns die preussische Hauspolitik? Ist es Grösse,
den Krieg, ein satanisches Handwerk, zu pflegen? Aus dem
Lamm ein reissender Wolf, über Nacht. Unter Deutschen
ist das nicht überraschend. Thomas Mann, der im Früh-
jahr 1914 noch begeisterte Worte für ein demütig Weih-
nachtsstück Paul Claudels, "Die Verkündigung", fand,

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wird im Herzen jedes anständigen Menschen, der Wert
auf die Achtung der Welt legt, nicht so leicht Eingang
finden“. Und: „Ein Missetäter braucht nur erlauchter Her-
kunft zu sein, um auf den Beifall der meisten Menschen
zählen zu können“ 118).

Man hält in Deutschland noch heute für Philosophie
die Ansicht, dass das „wirkliche“ Leben solch knäbische
Idealismen spielend beseitigt. Und doch ist gerade diese
Ueberzeugung eine moralische Fahnenflucht, liegt gerade
in dieser Ansicht das unheroische Faktum unserer Denkart.
Der König wusste das wohl. Sein Zynismus zeigte sich
darin, dass er die wahren Aufgaben des Herrschers begriff
und verriet und noch Philosophie daraus machte.

Sobald sich eine Gelegenheit bot, fiel er über Schlesien
her. Wobei wiederum zu bemerken wäre (siehe Masaryk),
dass eine Revolte nur dann kein Verrat ist, wenn sie von
menschlichem Mitleid getragen auf Notdurft und Rechten
basiert und von kollektivem Gewissen getragen, nach mehr-
fach vergeblicher Anmeldung ihrer Rechte zum Aufstand
gezwungen ist.

1741 bekennt der König 119): „Der Ruhm der preus-
sischen Waffen und die Ehre des Hauses bestimmen mein
Handeln und werden mich bis in den Tod leiten“. Was
kümmert uns aber der Ehrgeiz eines Fürsten und die
Machtlust der preussischen Waffen? Uns ist die Wohlfahrt
des Volkes vertraut. Und wenn er behauptet: „Der preussische
König muss den Krieg unbedingt zu seinem Hauptstudium
machen und den Eifer derjenigen anfeuern, die den edlen
und gefährlichen Waffenruf ergriffen haben“ 120) — was
schiert uns die preussische Hauspolitik? Ist es Grösse,
den Krieg, ein satanisches Handwerk, zu pflegen? Aus dem
Lamm ein reissender Wolf, über Nacht. Unter Deutschen
ist das nicht überraschend. Thomas Mann, der im Früh-
jahr 1914 noch begeisterte Worte für ein demütig Weih-
nachtsstück Paul Claudels, „Die Verkündigung“, fand,

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[97/0105] wird im Herzen jedes anständigen Menschen, der Wert auf die Achtung der Welt legt, nicht so leicht Eingang finden“. Und: „Ein Missetäter braucht nur erlauchter Her- kunft zu sein, um auf den Beifall der meisten Menschen zählen zu können“ ¹¹⁸⁾ . Man hält in Deutschland noch heute für Philosophie die Ansicht, dass das „wirkliche“ Leben solch knäbische Idealismen spielend beseitigt. Und doch ist gerade diese Ueberzeugung eine moralische Fahnenflucht, liegt gerade in dieser Ansicht das unheroische Faktum unserer Denkart. Der König wusste das wohl. Sein Zynismus zeigte sich darin, dass er die wahren Aufgaben des Herrschers begriff und verriet und noch Philosophie daraus machte. Sobald sich eine Gelegenheit bot, fiel er über Schlesien her. Wobei wiederum zu bemerken wäre (siehe Masaryk), dass eine Revolte nur dann kein Verrat ist, wenn sie von menschlichem Mitleid getragen auf Notdurft und Rechten basiert und von kollektivem Gewissen getragen, nach mehr- fach vergeblicher Anmeldung ihrer Rechte zum Aufstand gezwungen ist. 1741 bekennt der König ¹¹⁹⁾ : „Der Ruhm der preus- sischen Waffen und die Ehre des Hauses bestimmen mein Handeln und werden mich bis in den Tod leiten“. Was kümmert uns aber der Ehrgeiz eines Fürsten und die Machtlust der preussischen Waffen? Uns ist die Wohlfahrt des Volkes vertraut. Und wenn er behauptet: „Der preussische König muss den Krieg unbedingt zu seinem Hauptstudium machen und den Eifer derjenigen anfeuern, die den edlen und gefährlichen Waffenruf ergriffen haben“ ¹²⁰⁾ — was schiert uns die preussische Hauspolitik? Ist es Grösse, den Krieg, ein satanisches Handwerk, zu pflegen? Aus dem Lamm ein reissender Wolf, über Nacht. Unter Deutschen ist das nicht überraschend. Thomas Mann, der im Früh- jahr 1914 noch begeisterte Worte für ein demütig Weih- nachtsstück Paul Claudels, „Die Verkündigung“, fand, 7

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/105>, abgerufen am 27.11.2024.