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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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DRITTES KAPITEL
1.

Wir sollten in unseren Reden und Schriften zurück-
kehren zur Simplizität unserer Vorfahren, jener himmlischen
Chronisten des Wahren und Falschen, die über die Beweg-
gründe ihres mit Fleiss und Geduld stilisierten Bemühens
keinen Zweifel aufkommen liessen; deren bona voluntas,
ins Werk gesetzt für Menschen, die eine bona fides ihnen
entgegenbrachten, jene dreifache Frucht trug, die die Sache,
den Autor und sein Publikum gleichzeitig förderte. Eure
Rede sei Ja ja, Nein nein, alle Sophistik aber sei euch
Ausflucht, Schwäche und Blendwerk. In einer Zeit, die wie
vielleicht keine vorher, aus der Ideologie demagogisches
Werkzeug macht; in der jede politische, soziale und religiöse
Aeusserung der Eitelkeit und dem Interesse von Personen,
Gesellschaften und Klassen zum Opfer fällt, -- kann die
Autorität des geschriebenen und gesprochenen Wortes anders
wiederhergestellt werden, als durch die äusserste Aufrichtigkeit?

Von der Ansprache eines apokalyptischen Herrn von
Hohenzollern bis hinab zur Zeitungsannonce: welche Selbst-
sicherheit im Irreführen und Ueberlisten! Welcher Mangel
an Redlichkeit, welch verschlagener Sinn im Missbrauch
naiven Vertrauens! Wessen Motive sind noch identisch mit
dem Wort, das er schreibt oder spricht? Wer besitzt noch
den Mut, einzustehen für seine Erlebnisse, sein Tun und
seine Ueberzeugung? Das grosse Abdanken zum "Besten"
des Vaterlands und der persönlichen Wohlfahrt -- grassiert
es nicht schlimmer als eine Seuche? Und ist es weniger
verächtlich, weil heute mehr auf dem Spiele steht, weil
die Gefahr grösser ist?

DRITTES KAPITEL
1.

Wir sollten in unseren Reden und Schriften zurück-
kehren zur Simplizität unserer Vorfahren, jener himmlischen
Chronisten des Wahren und Falschen, die über die Beweg-
gründe ihres mit Fleiss und Geduld stilisierten Bemühens
keinen Zweifel aufkommen liessen; deren bona voluntas,
ins Werk gesetzt für Menschen, die eine bona fides ihnen
entgegenbrachten, jene dreifache Frucht trug, die die Sache,
den Autor und sein Publikum gleichzeitig förderte. Eure
Rede sei Ja ja, Nein nein, alle Sophistik aber sei euch
Ausflucht, Schwäche und Blendwerk. In einer Zeit, die wie
vielleicht keine vorher, aus der Ideologie demagogisches
Werkzeug macht; in der jede politische, soziale und religiöse
Aeusserung der Eitelkeit und dem Interesse von Personen,
Gesellschaften und Klassen zum Opfer fällt, — kann die
Autorität des geschriebenen und gesprochenen Wortes anders
wiederhergestellt werden, als durch die äusserste Aufrichtigkeit?

Von der Ansprache eines apokalyptischen Herrn von
Hohenzollern bis hinab zur Zeitungsannonce: welche Selbst-
sicherheit im Irreführen und Ueberlisten! Welcher Mangel
an Redlichkeit, welch verschlagener Sinn im Missbrauch
naiven Vertrauens! Wessen Motive sind noch identisch mit
dem Wort, das er schreibt oder spricht? Wer besitzt noch
den Mut, einzustehen für seine Erlebnisse, sein Tun und
seine Ueberzeugung? Das grosse Abdanken zum „Besten“
des Vaterlands und der persönlichen Wohlfahrt — grassiert
es nicht schlimmer als eine Seuche? Und ist es weniger
verächtlich, weil heute mehr auf dem Spiele steht, weil
die Gefahr grösser ist?

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[125/0133] DRITTES KAPITEL 1. Wir sollten in unseren Reden und Schriften zurück- kehren zur Simplizität unserer Vorfahren, jener himmlischen Chronisten des Wahren und Falschen, die über die Beweg- gründe ihres mit Fleiss und Geduld stilisierten Bemühens keinen Zweifel aufkommen liessen; deren bona voluntas, ins Werk gesetzt für Menschen, die eine bona fides ihnen entgegenbrachten, jene dreifache Frucht trug, die die Sache, den Autor und sein Publikum gleichzeitig förderte. Eure Rede sei Ja ja, Nein nein, alle Sophistik aber sei euch Ausflucht, Schwäche und Blendwerk. In einer Zeit, die wie vielleicht keine vorher, aus der Ideologie demagogisches Werkzeug macht; in der jede politische, soziale und religiöse Aeusserung der Eitelkeit und dem Interesse von Personen, Gesellschaften und Klassen zum Opfer fällt, — kann die Autorität des geschriebenen und gesprochenen Wortes anders wiederhergestellt werden, als durch die äusserste Aufrichtigkeit? Von der Ansprache eines apokalyptischen Herrn von Hohenzollern bis hinab zur Zeitungsannonce: welche Selbst- sicherheit im Irreführen und Ueberlisten! Welcher Mangel an Redlichkeit, welch verschlagener Sinn im Missbrauch naiven Vertrauens! Wessen Motive sind noch identisch mit dem Wort, das er schreibt oder spricht? Wer besitzt noch den Mut, einzustehen für seine Erlebnisse, sein Tun und seine Ueberzeugung? Das grosse Abdanken zum „Besten“ des Vaterlands und der persönlichen Wohlfahrt — grassiert es nicht schlimmer als eine Seuche? Und ist es weniger verächtlich, weil heute mehr auf dem Spiele steht, weil die Gefahr grösser ist?

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/133>, abgerufen am 23.11.2024.