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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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schaftlichen Verhältnissen fügen mussten, aber ihnen nie-
mals das Gesetz diktiert haben. Sowohl die politische wie
die bürgerliche Gesetzgebung proklamieren, protokollieren
nur das Wollen der ökonomischen Vorsehung. (!) Das Recht
ist nur die offizielle Anerkennung der Tatsache" 61).

In diesen Sätzen findet sich nicht nur der Marx'sche
Superlativismus, der die Resultate gerade der französischen
Wirtschaftskritik übertreibt, es findet sich bereits auch die
völlige Verkennung der preussischen Dynastie, die sich gerade
seit Friedrich II. entschlossen hatte, selber die Vorsehung
zu spielen und ihre lieben Geldjuden dazu heranzuziehen.
Und es findet sich darin die später bei Marx und den
Marxisten immer wiederkehrende Geneigtheit, die Monarchie
trotz ihrer ungeheuren theologischen und militärischen Stützen
als eine passagere, vom Kapital abhängige Erscheinung dar-
zustellen, während man zu bemerken unterlässt, erstens dass
der Monarch in gewissen Staaten der grösste Grundbesitzer
und Kapitalist ist, zweitens dass infolgedessen die Finanz
das grösste Interesse an der Aufrechterhaltung der Dynastie
besitzt, wofür drittens die Dynastie mit allen ihr zu Gebote
stehenden Machtmitteln und Repräsentationstiteln die kapi-
talistische Ausbeutung fördert. Die einseitige Bekämpfung
des Industriekapitals durch einen gegen die agrarische Junker-
dynastie nachsichtigen Juden konnte von Bismarck sogar
als eine besondere Demuts- und Ergebenheitsgeste aufgefasst
werden, und wenn Marx auch die Mitarbeit am amtlichen
Staatsanzeiger ablehnte, -- der Antrag wurde ihm gestellt 62) -- so ist doch durch eine Publikation des preussischen
Pressechefs Otto Hammann bekannt geworden, dass die
preussisch-deutsche Regierung bereits unter Caprivi die
marxistische Opposition gegen die Industriekonzerne ganz
bewusst gewähren liess, ja dass gerade einer der Gründe
für Bismarcks Entlassung sein kurzsichtiger Terror gegen-
über der Sozialdemokratie war. 63)

Marxens Kampf geht um die jüdische Aktionsfreiheit

schaftlichen Verhältnissen fügen mussten, aber ihnen nie-
mals das Gesetz diktiert haben. Sowohl die politische wie
die bürgerliche Gesetzgebung proklamieren, protokollieren
nur das Wollen der ökonomischen Vorsehung. (!) Das Recht
ist nur die offizielle Anerkennung der Tatsache“ 61).

In diesen Sätzen findet sich nicht nur der Marx'sche
Superlativismus, der die Resultate gerade der französischen
Wirtschaftskritik übertreibt, es findet sich bereits auch die
völlige Verkennung der preussischen Dynastie, die sich gerade
seit Friedrich II. entschlossen hatte, selber die Vorsehung
zu spielen und ihre lieben Geldjuden dazu heranzuziehen.
Und es findet sich darin die später bei Marx und den
Marxisten immer wiederkehrende Geneigtheit, die Monarchie
trotz ihrer ungeheuren theologischen und militärischen Stützen
als eine passagere, vom Kapital abhängige Erscheinung dar-
zustellen, während man zu bemerken unterlässt, erstens dass
der Monarch in gewissen Staaten der grösste Grundbesitzer
und Kapitalist ist, zweitens dass infolgedessen die Finanz
das grösste Interesse an der Aufrechterhaltung der Dynastie
besitzt, wofür drittens die Dynastie mit allen ihr zu Gebote
stehenden Machtmitteln und Repräsentationstiteln die kapi-
talistische Ausbeutung fördert. Die einseitige Bekämpfung
des Industriekapitals durch einen gegen die agrarische Junker-
dynastie nachsichtigen Juden konnte von Bismarck sogar
als eine besondere Demuts- und Ergebenheitsgeste aufgefasst
werden, und wenn Marx auch die Mitarbeit am amtlichen
Staatsanzeiger ablehnte, — der Antrag wurde ihm gestellt 62) — so ist doch durch eine Publikation des preussischen
Pressechefs Otto Hammann bekannt geworden, dass die
preussisch-deutsche Regierung bereits unter Caprivi die
marxistische Opposition gegen die Industriekonzerne ganz
bewusst gewähren liess, ja dass gerade einer der Gründe
für Bismarcks Entlassung sein kurzsichtiger Terror gegen-
über der Sozialdemokratie war. 63)

Marxens Kampf geht um die jüdische Aktionsfreiheit

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[195/0203] schaftlichen Verhältnissen fügen mussten, aber ihnen nie- mals das Gesetz diktiert haben. Sowohl die politische wie die bürgerliche Gesetzgebung proklamieren, protokollieren nur das Wollen der ökonomischen Vorsehung. (!) Das Recht ist nur die offizielle Anerkennung der Tatsache“ ⁶¹⁾ . In diesen Sätzen findet sich nicht nur der Marx'sche Superlativismus, der die Resultate gerade der französischen Wirtschaftskritik übertreibt, es findet sich bereits auch die völlige Verkennung der preussischen Dynastie, die sich gerade seit Friedrich II. entschlossen hatte, selber die Vorsehung zu spielen und ihre lieben Geldjuden dazu heranzuziehen. Und es findet sich darin die später bei Marx und den Marxisten immer wiederkehrende Geneigtheit, die Monarchie trotz ihrer ungeheuren theologischen und militärischen Stützen als eine passagere, vom Kapital abhängige Erscheinung dar- zustellen, während man zu bemerken unterlässt, erstens dass der Monarch in gewissen Staaten der grösste Grundbesitzer und Kapitalist ist, zweitens dass infolgedessen die Finanz das grösste Interesse an der Aufrechterhaltung der Dynastie besitzt, wofür drittens die Dynastie mit allen ihr zu Gebote stehenden Machtmitteln und Repräsentationstiteln die kapi- talistische Ausbeutung fördert. Die einseitige Bekämpfung des Industriekapitals durch einen gegen die agrarische Junker- dynastie nachsichtigen Juden konnte von Bismarck sogar als eine besondere Demuts- und Ergebenheitsgeste aufgefasst werden, und wenn Marx auch die Mitarbeit am amtlichen Staatsanzeiger ablehnte, — der Antrag wurde ihm gestellt ⁶²⁾ — so ist doch durch eine Publikation des preussischen Pressechefs Otto Hammann bekannt geworden, dass die preussisch-deutsche Regierung bereits unter Caprivi die marxistische Opposition gegen die Industriekonzerne ganz bewusst gewähren liess, ja dass gerade einer der Gründe für Bismarcks Entlassung sein kurzsichtiger Terror gegen- über der Sozialdemokratie war. ⁶³⁾ Marxens Kampf geht um die jüdische Aktionsfreiheit

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/203>, abgerufen am 22.11.2024.