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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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neueren Geschichte, mit Napoleon Bonaparte, zusammentrifft,
und sich gezwungen sieht, die strengste Despotie, die
Züchtung, die Dressur zu fordern.

7.

Es kann nicht die Absicht dieser Untersuchung sein,
in den Disput theologischer Schulen einzutreten. Gleich-
wohl ergibt sich die Notwendigkeit, dafür zu stimmen, dass
die Religion völlig befreit, statt völlig vernichtet werde, und
so jene mächtigste Kaste der Intelligenz zu rütteln, die der
Priester und Seelenbeamten.

Zwei gewaltige Strömungen haben in ihrem Wider-
spruch das Gedankengebäude der Kirche errichtet: die Lehre
der offiziellen Orthodoxie und die Lehren der Heiligen,
Mystiker und der Propheten. Ich sage, in ihrem Wider-
spruch, um nicht Gegensatz zu sagen; denn oft wusste die
Orthodoxie nicht, ob ihre Heiligen Ketzer waren oder Söhne
Gottes, und diese Tatsache allein könnte zureichen, den
Begriff der Kirche als der Inkarnation Christi und der
Person Christi als der Inkarnation Gottes zu erschüttern.
Zwei Worte des Evangeliums widersprachen einander: "Du
bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine
Kirche bauen" und: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt".

Die Evangelienkritik der verschiedensten Zeiten und
Schulen hat ergeben, dass die Evangelientexte schon von
frühesten jüdischen Ekklesiastikern und Rabbinern bearbeitet
wurden; ja dass die Apostel selbst bewusste oder unbewusste
Redakteure des göttlichen Wortes waren. Christliche Inten-
tion und guter Wille mögen mich und den Leser vor
Unheil schützen, wenn ich in theologicis die Partei Thomas
Münzers und jenes Abt Joachim nehme, die da leugneten,
dass Jesus Christus wahrhaft Gott und der Evangelientext
des 4. Jahrhunderts wahrhaft Gottes Wort sei. Jesus Christus
gab Zeugnis, die Evangelien geben Zeugnis. Gott kann

neueren Geschichte, mit Napoleon Bonaparte, zusammentrifft,
und sich gezwungen sieht, die strengste Despotie, die
Züchtung, die Dressur zu fordern.

7.

Es kann nicht die Absicht dieser Untersuchung sein,
in den Disput theologischer Schulen einzutreten. Gleich-
wohl ergibt sich die Notwendigkeit, dafür zu stimmen, dass
die Religion völlig befreit, statt völlig vernichtet werde, und
so jene mächtigste Kaste der Intelligenz zu rütteln, die der
Priester und Seelenbeamten.

Zwei gewaltige Strömungen haben in ihrem Wider-
spruch das Gedankengebäude der Kirche errichtet: die Lehre
der offiziellen Orthodoxie und die Lehren der Heiligen,
Mystiker und der Propheten. Ich sage, in ihrem Wider-
spruch, um nicht Gegensatz zu sagen; denn oft wusste die
Orthodoxie nicht, ob ihre Heiligen Ketzer waren oder Söhne
Gottes, und diese Tatsache allein könnte zureichen, den
Begriff der Kirche als der Inkarnation Christi und der
Person Christi als der Inkarnation Gottes zu erschüttern.
Zwei Worte des Evangeliums widersprachen einander: „Du
bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine
Kirche bauen“ und: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“.

Die Evangelienkritik der verschiedensten Zeiten und
Schulen hat ergeben, dass die Evangelientexte schon von
frühesten jüdischen Ekklesiastikern und Rabbinern bearbeitet
wurden; ja dass die Apostel selbst bewusste oder unbewusste
Redakteure des göttlichen Wortes waren. Christliche Inten-
tion und guter Wille mögen mich und den Leser vor
Unheil schützen, wenn ich in theologicis die Partei Thomas
Münzers und jenes Abt Joachim nehme, die da leugneten,
dass Jesus Christus wahrhaft Gott und der Evangelientext
des 4. Jahrhunderts wahrhaft Gottes Wort sei. Jesus Christus
gab Zeugnis, die Evangelien geben Zeugnis. Gott kann

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[228/0236] neueren Geschichte, mit Napoleon Bonaparte, zusammentrifft, und sich gezwungen sieht, die strengste Despotie, die Züchtung, die Dressur zu fordern. 7. Es kann nicht die Absicht dieser Untersuchung sein, in den Disput theologischer Schulen einzutreten. Gleich- wohl ergibt sich die Notwendigkeit, dafür zu stimmen, dass die Religion völlig befreit, statt völlig vernichtet werde, und so jene mächtigste Kaste der Intelligenz zu rütteln, die der Priester und Seelenbeamten. Zwei gewaltige Strömungen haben in ihrem Wider- spruch das Gedankengebäude der Kirche errichtet: die Lehre der offiziellen Orthodoxie und die Lehren der Heiligen, Mystiker und der Propheten. Ich sage, in ihrem Wider- spruch, um nicht Gegensatz zu sagen; denn oft wusste die Orthodoxie nicht, ob ihre Heiligen Ketzer waren oder Söhne Gottes, und diese Tatsache allein könnte zureichen, den Begriff der Kirche als der Inkarnation Christi und der Person Christi als der Inkarnation Gottes zu erschüttern. Zwei Worte des Evangeliums widersprachen einander: „Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“ und: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“. Die Evangelienkritik der verschiedensten Zeiten und Schulen hat ergeben, dass die Evangelientexte schon von frühesten jüdischen Ekklesiastikern und Rabbinern bearbeitet wurden; ja dass die Apostel selbst bewusste oder unbewusste Redakteure des göttlichen Wortes waren. Christliche Inten- tion und guter Wille mögen mich und den Leser vor Unheil schützen, wenn ich in theologicis die Partei Thomas Münzers und jenes Abt Joachim nehme, die da leugneten, dass Jesus Christus wahrhaft Gott und der Evangelientext des 4. Jahrhunderts wahrhaft Gottes Wort sei. Jesus Christus gab Zeugnis, die Evangelien geben Zeugnis. Gott kann

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/236>, abgerufen am 26.11.2024.