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Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919.

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weder inkarniert noch dargestellt werden. Es gibt keine
Wunder, es gab Wunderbares, mitten unter uns. Ein Wunder
wäre die vollendete Inkarnation des Ewigen in zeitlicher
Gestalt. Sie war nie, und wird nie sein. Gott und die
Freiheit sind eins. Reich Gottes auf Erden ist Sakrileg.
Sichtbare Kirche ein Sakrileg. Unfehlbarer Stellvertreter
Gottes ein Sakrileg. Theokratie, von Gott eingesetzte Ge-
walt, das Sakrileg aller Sakrilegien. Gott ist die Freiheit
des Geringsten in der geistigen Kommunion aller. Gott ist
All-Güte, All-Liebe, All-Mitleid, All-Weisheit, höchster Ge-
danke, nie zu erreichen und stets zu erstreben. Gott ist die
Qual und die Sehnsucht erdgebundener Menschen. "Söhne
Gottes", Propheten und Heilige, werden sich ihm nähern,
um desto tiefer nur ihre Schuld an die Menschheit zu
finden.

Der Offenbarungsglaube theologischer Akademien führte
die grundlegenden Irrtümer ein, auf denen das sichtbare
Kirchengebäude errichtet wurde. Die Lehre von der Inkar-
nation Gottes in der Person Christi, erfunden gegen den
Judenhass der römischen Aristokratie und um der neuen
Lehre im abergläubigen Volke mehr Autorität zu verleihen,
schuf die absolute Heilswahrheit und eine falsche, über-
triebene, individuelle Erlösungslehre. Alles ist getan, die
Welt ist erlöst, der Mensch schuldet nichts mehr als den
Glauben. Die Lehre von der Inkarnation der vollendeten
Heilswahrheit in der Kirche schuf das Monopol der Hostien-
verwaltung. Die göttliche Intelligenz ist Privileg des Klerus,
die Unwissenheit der Laien verlangt die Bevormundung, die
Bevormundung fördert den Gegensatz eines theologischen
Adels und eines animalisch-profanen Proletariats.

Wenn das Evangelienwort von Petrus, dem Fels, und
der Kirche, die darauf gebaut werden soll, authentisch ist,
war die Sünde Christi, dass er aus einem Zeugen Gottes
zum Religionsstifter wurde; die Sünde der Apostel aber,
dass sie aus dem Buchstaben des Evangeliums einen Er-

weder inkarniert noch dargestellt werden. Es gibt keine
Wunder, es gab Wunderbares, mitten unter uns. Ein Wunder
wäre die vollendete Inkarnation des Ewigen in zeitlicher
Gestalt. Sie war nie, und wird nie sein. Gott und die
Freiheit sind eins. Reich Gottes auf Erden ist Sakrileg.
Sichtbare Kirche ein Sakrileg. Unfehlbarer Stellvertreter
Gottes ein Sakrileg. Theokratie, von Gott eingesetzte Ge-
walt, das Sakrileg aller Sakrilegien. Gott ist die Freiheit
des Geringsten in der geistigen Kommunion aller. Gott ist
All-Güte, All-Liebe, All-Mitleid, All-Weisheit, höchster Ge-
danke, nie zu erreichen und stets zu erstreben. Gott ist die
Qual und die Sehnsucht erdgebundener Menschen. „Söhne
Gottes“, Propheten und Heilige, werden sich ihm nähern,
um desto tiefer nur ihre Schuld an die Menschheit zu
finden.

Der Offenbarungsglaube theologischer Akademien führte
die grundlegenden Irrtümer ein, auf denen das sichtbare
Kirchengebäude errichtet wurde. Die Lehre von der Inkar-
nation Gottes in der Person Christi, erfunden gegen den
Judenhass der römischen Aristokratie und um der neuen
Lehre im abergläubigen Volke mehr Autorität zu verleihen,
schuf die absolute Heilswahrheit und eine falsche, über-
triebene, individuelle Erlösungslehre. Alles ist getan, die
Welt ist erlöst, der Mensch schuldet nichts mehr als den
Glauben. Die Lehre von der Inkarnation der vollendeten
Heilswahrheit in der Kirche schuf das Monopol der Hostien-
verwaltung. Die göttliche Intelligenz ist Privileg des Klerus,
die Unwissenheit der Laien verlangt die Bevormundung, die
Bevormundung fördert den Gegensatz eines theologischen
Adels und eines animalisch-profanen Proletariats.

Wenn das Evangelienwort von Petrus, dem Fels, und
der Kirche, die darauf gebaut werden soll, authentisch ist,
war die Sünde Christi, dass er aus einem Zeugen Gottes
zum Religionsstifter wurde; die Sünde der Apostel aber,
dass sie aus dem Buchstaben des Evangeliums einen Er-

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[229/0237] weder inkarniert noch dargestellt werden. Es gibt keine Wunder, es gab Wunderbares, mitten unter uns. Ein Wunder wäre die vollendete Inkarnation des Ewigen in zeitlicher Gestalt. Sie war nie, und wird nie sein. Gott und die Freiheit sind eins. Reich Gottes auf Erden ist Sakrileg. Sichtbare Kirche ein Sakrileg. Unfehlbarer Stellvertreter Gottes ein Sakrileg. Theokratie, von Gott eingesetzte Ge- walt, das Sakrileg aller Sakrilegien. Gott ist die Freiheit des Geringsten in der geistigen Kommunion aller. Gott ist All-Güte, All-Liebe, All-Mitleid, All-Weisheit, höchster Ge- danke, nie zu erreichen und stets zu erstreben. Gott ist die Qual und die Sehnsucht erdgebundener Menschen. „Söhne Gottes“, Propheten und Heilige, werden sich ihm nähern, um desto tiefer nur ihre Schuld an die Menschheit zu finden. Der Offenbarungsglaube theologischer Akademien führte die grundlegenden Irrtümer ein, auf denen das sichtbare Kirchengebäude errichtet wurde. Die Lehre von der Inkar- nation Gottes in der Person Christi, erfunden gegen den Judenhass der römischen Aristokratie und um der neuen Lehre im abergläubigen Volke mehr Autorität zu verleihen, schuf die absolute Heilswahrheit und eine falsche, über- triebene, individuelle Erlösungslehre. Alles ist getan, die Welt ist erlöst, der Mensch schuldet nichts mehr als den Glauben. Die Lehre von der Inkarnation der vollendeten Heilswahrheit in der Kirche schuf das Monopol der Hostien- verwaltung. Die göttliche Intelligenz ist Privileg des Klerus, die Unwissenheit der Laien verlangt die Bevormundung, die Bevormundung fördert den Gegensatz eines theologischen Adels und eines animalisch-profanen Proletariats. Wenn das Evangelienwort von Petrus, dem Fels, und der Kirche, die darauf gebaut werden soll, authentisch ist, war die Sünde Christi, dass er aus einem Zeugen Gottes zum Religionsstifter wurde; die Sünde der Apostel aber, dass sie aus dem Buchstaben des Evangeliums einen Er-

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Zitationshilfe: Ball, Hugo: Zur Kritik der deutschen Intelligenz. Bern, 1919, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ball_intelligenz_1919/237>, abgerufen am 26.11.2024.