Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Fünffte Buch. wann es meines Verhängnisses Wille gewesen we-re. Aber ich glaube/ die Götter haben mich wöllen fliehen lassen. Ich bin in dem nechsten Waldt ver- borgen gelegen. Hernach hab ich frembde Hülffe ge- sucht/ vnd bin längst vber das Gebirge zu den Ligu- riern gerahten. Dann die stärcksten Völcker daselbst stunden mit mir im Bündnüsse/ durch welcher Ver- mittelung ich mein Königreich widerumb zu erlan- gen gesonnen war. Als ich an das nechste Meer kommen/ in die schöne Statt so Janus gebawet soll haben zu verreisen/ bin ich vnbekandter weise in das erste Schiff getretten. Die Winde aber haben vns in Sardinien verworffen/ vnd in dem die Schiff- leute zu Ancker lagen/ hat mich der berühmbte Na- men deß Tempels/ von da ich newlich hergeführet bin worden/ zu anbettung deß Jupiters gereitzet. Daselbst verwunderte ich mich vber der Gestalt deß Orts/ vnd der Priester Leben; nam mir also für mich aller Sorgen zuentäussern/ vnd/ nachdem ich so viel Menschliches Vnglück außgestanden/ endlich die Gunst der Götter zu versuchen. Dann/ sagte ich wider mich selbst/ warumb soll ich mein Vatterland lieben/ das mit dem Blut der Meinigen begossen ist; vnd welches ich nicht weniger mit meiner Bunds- genossen als der Feinde Blut widerumb einnehmen muß? Wem solte ich nachmals die Kron hinderlas- sen? oder was hette ich für Lust in meinem Hause das nun ohne Kinder were? Die Natur hatte mir zwey Söhne; vnd das Glück für weilen den dritten gege- P p p v
Das Fuͤnffte Buch. wann es meines Verhaͤngniſſes Wille geweſen we-re. Aber ich glaube/ die Goͤtter haben mich woͤllen fliehen laſſen. Ich bin in dem nechſten Waldt ver- borgen gelegen. Hernach hab ich frembde Huͤlffe ge- ſucht/ vnd bin laͤngſt vber das Gebirge zu den Ligu- riern gerahten. Dann die ſtaͤrckſten Voͤlcker daſelbſt ſtunden mit mir im Buͤndnuͤſſe/ durch welcher Ver- mittelung ich mein Koͤnigreich widerumb zu erlan- gen geſonnen war. Als ich an das nechſte Meer kommen/ in die ſchoͤne Statt ſo Janus gebawet ſoll haben zu verꝛeiſen/ bin ich vnbekandter weiſe in das erſte Schiff getretten. Die Winde aber haben vns in Sardinien verworffen/ vnd in dem die Schiff- leute zu Ancker lagen/ hat mich der beruͤhmbte Na- men deß Tempels/ von da ich newlich hergefuͤhret bin worden/ zu anbettung deß Jupiters gereitzet. Daſelbſt verwunderte ich mich vber der Geſtalt deß Orts/ vnd der Prieſter Leben; nam mir alſo fuͤr mich aller Sorgen zuentaͤuſſern/ vnd/ nachdem ich ſo viel Menſchliches Vngluͤck außgeſtanden/ endlich die Gunſt der Goͤtter zu verſuchen. Dann/ ſagte ich wider mich ſelbſt/ warumb ſoll ich mein Vatterland lieben/ das mit dem Blut der Meinigen begoſſen iſt; vnd welches ich nicht weniger mit meiner Bunds- genoſſen als der Feinde Blut widerumb einnehmen muß? Wem ſolte ich nachmals die Kron hinderlaſ- ſen? oder was hette ich fuͤr Luſt in meinem Hauſe das nun ohne Kinder were? Die Natur hatte mir zwey Soͤhne; vnd das Gluͤck fuͤr weilen den dritten gege- P p p v
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Das Fuͤnffte Buch.
wann es meines Verhaͤngniſſes Wille geweſen we-
re. Aber ich glaube/ die Goͤtter haben mich woͤllen
fliehen laſſen. Ich bin in dem nechſten Waldt ver-
borgen gelegen. Hernach hab ich frembde Huͤlffe ge-
ſucht/ vnd bin laͤngſt vber das Gebirge zu den Ligu-
riern gerahten. Dann die ſtaͤrckſten Voͤlcker daſelbſt
ſtunden mit mir im Buͤndnuͤſſe/ durch welcher Ver-
mittelung ich mein Koͤnigreich widerumb zu erlan-
gen geſonnen war. Als ich an das nechſte Meer
kommen/ in die ſchoͤne Statt ſo Janus gebawet ſoll
haben zu verꝛeiſen/ bin ich vnbekandter weiſe in das
erſte Schiff getretten. Die Winde aber haben vns
in Sardinien verworffen/ vnd in dem die Schiff-
leute zu Ancker lagen/ hat mich der beruͤhmbte Na-
men deß Tempels/ von da ich newlich hergefuͤhret
bin worden/ zu anbettung deß Jupiters gereitzet.
Daſelbſt verwunderte ich mich vber der Geſtalt deß
Orts/ vnd der Prieſter Leben; nam mir alſo fuͤr mich
aller Sorgen zuentaͤuſſern/ vnd/ nachdem ich ſo viel
Menſchliches Vngluͤck außgeſtanden/ endlich die
Gunſt der Goͤtter zu verſuchen. Dann/ ſagte ich
wider mich ſelbſt/ warumb ſoll ich mein Vatterland
lieben/ das mit dem Blut der Meinigen begoſſen iſt;
vnd welches ich nicht weniger mit meiner Bunds-
genoſſen als der Feinde Blut widerumb einnehmen
muß? Wem ſolte ich nachmals die Kron hinderlaſ-
ſen? oder was hette ich fuͤr Luſt in meinem Hauſe
das nun ohne Kinder were? Die Natur hatte mir
zwey Soͤhne; vnd das Gluͤck fuͤr weilen den dritten
gege-
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Zitationshilfe: | Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 969. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/1013>, abgerufen am 26.06.2024. |