Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Das Vierdte Buch. Schlaffkammer gehen kundte ein Dienerin alleWorte. Diese hatte Selenisse nicht gesehen/ vnd sie vermochte auch/ auß Scham daß sie zu jhrer Frawen Geheimniß kommen were/ weder zu reden/ noch hinweg zugehen. Dann sie bildete jhr nicht ein; daß die Worte voll von Verzweiffelung zu solchen vnsinnigen Außgange gerahten würden/ vnd war- tete/ biß sie nach Abweichung der Frawen sich auch heimlich hienauß stelen könte. Selenisse aber/ die darfür hielte es bestünde das gantze Lob deß fürge- setzten Todes in einer Geschwindigkeit/ vnd daß man bald etliche schicken würde/ die sie mit Gewalt zurück hielten/ eröffnete eine kleine Truhen in der ein kurtzes Schwerdt lag/ welches jhr Mann vor diesem dem Sohne als er noch jung gewesen gege- ben/ vnd sie darumb auffgehaben hatte/ damit sie es auff seinen Hochzeittag nebenst seinem Kinder- spiele der Juno Lucinen heiligen köndte. Es begab sich gleich durch einen Fall/ daß es wenige Tage zuvor den Rost zubenehmen geschärffet worden. Es war auch nichts im Frawenzimmer so be- quem/ jhr die Brust zuöffnen. So bald sie diesen Degen ergrieffen/ erinnerte sie sich zugleich deß Mannes den sie verlohren hatte/ vnd deß Sohnes welchen sie vnwissendt verliesse. In häuffiger Betrachtung nun so vieler vnd wichtiger Sachen/ küssete sie das mördtliche Eysen/ redete es an/ vnd hielte den etwas säumenden Todt eine Zeit lang auff; Rr iiij
Das Vierdte Buch. Schlaffkammer gehen kundte ein Dienerin alleWorte. Dieſe hatte Seleniſſe nicht geſehen/ vnd ſie vermochte auch/ auß Scham daß ſie zu jhrer Frawen Geheimniß kommen were/ weder zu reden/ noch hinweg zugehen. Dañ ſie bildete jhr nicht ein; daß die Worte voll von Verzweiffelung zu ſolchẽ vnſinnigen Außgange gerahten wuͤrden/ vnd war- tete/ biß ſie nach Abweichung der Frawen ſich auch heimlich hienauß ſtelen koͤnte. Seleniſſe aber/ die darfuͤr hielte es beſtuͤnde das gantze Lob deß fuͤrge- ſetzten Todes in einer Geſchwindigkeit/ vnd daß man bald etliche ſchicken wuͤrde/ die ſie mit Gewalt zuruͤck hielten/ eroͤffnete eine kleine Truhen in der ein kurtzes Schwerdt lag/ welches jhr Mann vor dieſem dem Sohne als er noch jung geweſen gege- ben/ vnd ſie darumb auffgehaben hatte/ damit ſie es auff ſeinen Hochzeittag nebenſt ſeinem Kinder- ſpiele der Juno Lucinen heiligen koͤndte. Es begab ſich gleich durch einen Fall/ daß es wenige Tage zuvor den Roſt zubenehmen geſchaͤrffet worden. Es war auch nichts im Frawenzimmer ſo be- quem/ jhr die Bruſt zuoͤffnen. So bald ſie dieſen Degen ergrieffen/ erinnerte ſie ſich zugleich deß Mannes den ſie verlohren hatte/ vnd deß Sohnes welchen ſie vnwiſſendt verlieſſe. In haͤuffiger Betrachtung nun ſo vieler vnd wichtiger Sachen/ kuͤſſete ſie das moͤrdtliche Eyſen/ redete es an/ vnd hielte den etwas ſaͤumenden Todt eine Zeit lang auff; Rr iiij
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Das Vierdte Buch.
Schlaffkammer gehen kundte ein Dienerin alle
Worte. Dieſe hatte Seleniſſe nicht geſehen/ vnd
ſie vermochte auch/ auß Scham daß ſie zu jhrer
Frawen Geheimniß kommen were/ weder zu reden/
noch hinweg zugehen. Dañ ſie bildete jhr nicht ein;
daß die Worte voll von Verzweiffelung zu ſolchẽ
vnſinnigen Außgange gerahten wuͤrden/ vnd war-
tete/ biß ſie nach Abweichung der Frawen ſich auch
heimlich hienauß ſtelen koͤnte. Seleniſſe aber/ die
darfuͤr hielte es beſtuͤnde das gantze Lob deß fuͤrge-
ſetzten Todes in einer Geſchwindigkeit/ vnd daß
man bald etliche ſchicken wuͤrde/ die ſie mit Gewalt
zuruͤck hielten/ eroͤffnete eine kleine Truhen in der
ein kurtzes Schwerdt lag/ welches jhr Mann vor
dieſem dem Sohne als er noch jung geweſen gege-
ben/ vnd ſie darumb auffgehaben hatte/ damit ſie es
auff ſeinen Hochzeittag nebenſt ſeinem Kinder-
ſpiele der Juno Lucinen heiligen koͤndte. Es begab
ſich gleich durch einen Fall/ daß es wenige Tage
zuvor den Roſt zubenehmen geſchaͤrffet worden.
Es war auch nichts im Frawenzimmer ſo be-
quem/ jhr die Bruſt zuoͤffnen. So bald ſie dieſen
Degen ergrieffen/ erinnerte ſie ſich zugleich deß
Mannes den ſie verlohren hatte/ vnd deß Sohnes
welchen ſie vnwiſſendt verlieſſe. In haͤuffiger
Betrachtung nun ſo vieler vnd wichtiger Sachen/
kuͤſſete ſie das moͤrdtliche Eyſen/ redete es an/ vnd
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