Basedow, Johann Bernhard: Das in Dessau errichtete Philanthropinum. Leipzig, 1774.Von einem merkwürdigen sammen rechnen. Jn derselben ist dieser jungeMann zu folgender Fertigkeit gebracht. 1) Es ist kein lateinisch Buch, welches er nicht verstehen oder durch lateinische Erklärung sich nicht erklären lassen könnte, wenn der Jnhalt von solcher Art ist, daß er ihn im Teutschen ohne oder mit Hülfe eines Erklärers verstehen würde; 2) Ohne also einen classischen Schriftsteller gesehen zu haben, liest er die moralischen Schriften des Cicero, den Eutro- pius und den Cornelius, wenn sie ihm in die Hände gegeben werden, mit Verstand und Wohlgefallen, und übersetzt sie weit besser, als die Primaner gros- ser Schulen, wenn man einige der besten ausnimmt, thun können; 3) Er versteht alle Lateinisch-Re- dende weit fertiger als diese, wenn er sie im Teut- schen verstehen würde; 4) Er spricht fertiger von dem, was er zu sagen hat; doch, wie man leicht begreift, noch nicht ohne Fehler. Denn ich habe ihm gesagt, daß er im Sprechen, wenn es ihm Mühe macht, nicht an Regeln denken soll, son- dern nur im Schreiben; 5) Er schreibt, was er zu schreiben hat, in Briefen lateinisch und mit weit wenigern Fehlern; 6) Denn er hat auch schon so viele grammatikalische Erkenntniß, daß, (wenn ers für seine Pflicht hält, sich im höchsten Grade in Acht zu nehmen, ein Wörterbuch und die ele- mentarische Grammatik nachzuschlagen, oder an Statt der ihm ungewöhnlichern Redensarten ge- wöhnlichere zu nehmen) ihm nur ziemlich selten ein Sprachfehler entwischen wird, und daß er sie gänzlich verhüten würde, wenn ich von nun an in dieser Ab- sicht
Von einem merkwuͤrdigen ſammen rechnen. Jn derſelben iſt dieſer jungeMann zu folgender Fertigkeit gebracht. 1) Es iſt kein lateiniſch Buch, welches er nicht verſtehen oder durch lateiniſche Erklaͤrung ſich nicht erklaͤren laſſen koͤnnte, wenn der Jnhalt von ſolcher Art iſt, daß er ihn im Teutſchen ohne oder mit Huͤlfe eines Erklaͤrers verſtehen wuͤrde; 2) Ohne alſo einen claſſiſchen Schriftſteller geſehen zu haben, lieſt er die moraliſchen Schriften des Cicero, den Eutro- pius und den Cornelius, wenn ſie ihm in die Haͤnde gegeben werden, mit Verſtand und Wohlgefallen, und uͤberſetzt ſie weit beſſer, als die Primaner groſ- ſer Schulen, wenn man einige der beſten ausnimmt, thun koͤnnen; 3) Er verſteht alle Lateiniſch-Re- dende weit fertiger als dieſe, wenn er ſie im Teut- ſchen verſtehen wuͤrde; 4) Er ſpricht fertiger von dem, was er zu ſagen hat; doch, wie man leicht begreift, noch nicht ohne Fehler. Denn ich habe ihm geſagt, daß er im Sprechen, wenn es ihm Muͤhe macht, nicht an Regeln denken ſoll, ſon- dern nur im Schreiben; 5) Er ſchreibt, was er zu ſchreiben hat, in Briefen lateiniſch und mit weit wenigern Fehlern; 6) Denn er hat auch ſchon ſo viele grammatikaliſche Erkenntniß, daß, (wenn ers fuͤr ſeine Pflicht haͤlt, ſich im hoͤchſten Grade in Acht zu nehmen, ein Woͤrterbuch und die ele- mentariſche Grammatik nachzuſchlagen, oder an Statt der ihm ungewoͤhnlichern Redensarten ge- woͤhnlichere zu nehmen) ihm nur ziemlich ſelten ein Sprachfehler entwiſchen wird, und daß er ſie gaͤnzlich verhuͤten wuͤrde, wenn ich von nun an in dieſer Ab- ſicht
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Von einem merkwuͤrdigen
ſammen rechnen. Jn derſelben iſt dieſer junge
Mann zu folgender Fertigkeit gebracht. 1) Es
iſt kein lateiniſch Buch, welches er nicht verſtehen
oder durch lateiniſche Erklaͤrung ſich nicht erklaͤren
laſſen koͤnnte, wenn der Jnhalt von ſolcher Art iſt,
daß er ihn im Teutſchen ohne oder mit Huͤlfe eines
Erklaͤrers verſtehen wuͤrde; 2) Ohne alſo einen
claſſiſchen Schriftſteller geſehen zu haben, lieſt er
die moraliſchen Schriften des Cicero, den Eutro-
pius und den Cornelius, wenn ſie ihm in die Haͤnde
gegeben werden, mit Verſtand und Wohlgefallen,
und uͤberſetzt ſie weit beſſer, als die Primaner groſ-
ſer Schulen, wenn man einige der beſten ausnimmt,
thun koͤnnen; 3) Er verſteht alle Lateiniſch-Re-
dende weit fertiger als dieſe, wenn er ſie im Teut-
ſchen verſtehen wuͤrde; 4) Er ſpricht fertiger von
dem, was er zu ſagen hat; doch, wie man leicht
begreift, noch nicht ohne Fehler. Denn ich habe
ihm geſagt, daß er im Sprechen, wenn es ihm
Muͤhe macht, nicht an Regeln denken ſoll, ſon-
dern nur im Schreiben; 5) Er ſchreibt, was er
zu ſchreiben hat, in Briefen lateiniſch und mit
weit wenigern Fehlern; 6) Denn er hat auch ſchon
ſo viele grammatikaliſche Erkenntniß, daß, (wenn
ers fuͤr ſeine Pflicht haͤlt, ſich im hoͤchſten Grade
in Acht zu nehmen, ein Woͤrterbuch und die ele-
mentariſche Grammatik nachzuſchlagen, oder an
Statt der ihm ungewoͤhnlichern Redensarten ge-
woͤhnlichere zu nehmen) ihm nur ziemlich ſelten ein
Sprachfehler entwiſchen wird, und daß er ſie gaͤnzlich
verhuͤten wuͤrde, wenn ich von nun an in dieſer Ab-
ſicht
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