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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Innerhalb all' dieser Beschränkung steht aber ausserdem
noch ein anderes Fragezeichen voran, das die Beschränkung
in der Individualität selbst schon betrifft.

Der Gedanke des Einzelwesen ist ein steriler, erst der
gesellschaftliche*) produktiv, erst dieser ruft psychische
Schöpfungen hervor, welche der Geist anschauen und im
Studium zu erforschen vermag. Und mehr: Der Gedanke
des Einzelnen erhält die Möglichkeit seiner Existenz erst nach,
und innerhalb, dem Gesellschaftsgedanken. Wenn indess
dann der Mensch als Gesellschaftswesen am ethnischen
Horizonte gespiegelt ist, für seine Selbstbeobachtung, so wird
sich jedwede Individualität wieder enthüllen bei richtig ver-
wandter Methode der Zerlegung. In den Völkergedanken
lassen sich also nach Maass und Zahl geordnete Schöpfungen
der Betrachtung unterwerfen, und nachdem sie als Krystalle
in ihren Umrissen constatirt sind, mögen sie auch wieder
in die Mutterlauge elementarer Gedankengährungen, aus deren
embryonalen Vorstudien sie hervorgeschossen sind, zersetzt
und analysirt werden.

Hier wäre nun kein Mangel zu fürchten, und eher würde
(bei der Nothwendigkeit statistischer Umschau über den
Globus) Ueberfülle des Stoffes, ein embarras des richesses
drohen, bis fortschreitende Erkenntniss anordnende Gruppi-
rung, zur Verdichtung unter höheren Einheiten, erlaubt.

Wenn die Psychologie bisher von Vorstellungen, Ge-
fühlen, Abstractionen u. s. w. handelte, so wird sich Alles
das in einer vergleichenden Psychologie noch weit ausgiebiger
zur Verhandlung bringen lassen, und neben den Idealen in
Kunst und Wissenschaft würden sie der Religion practische
Aufschlüsse gewähren, und auch den socialen Institutionen
zur Beurtheilung der eigenen, wenn in einer allgemeinen

*) Das gesellschaftliche Bewusstsein umfasst diejenigen Seelenzustände,
welche den Gesellschaftsgliedern in Folge ihres Wechselverkehrs gemein-
sam sind (Lindner).

Innerhalb all’ dieser Beschränkung steht aber ausserdem
noch ein anderes Fragezeichen voran, das die Beschränkung
in der Individualität selbst schon betrifft.

Der Gedanke des Einzelwesen ist ein steriler, erst der
gesellschaftliche*) produktiv, erst dieser ruft psychische
Schöpfungen hervor, welche der Geist anschauen und im
Studium zu erforschen vermag. Und mehr: Der Gedanke
des Einzelnen erhält die Möglichkeit seiner Existenz erst nach,
und innerhalb, dem Gesellschaftsgedanken. Wenn indess
dann der Mensch als Gesellschaftswesen am ethnischen
Horizonte gespiegelt ist, für seine Selbstbeobachtung, so wird
sich jedwede Individualität wieder enthüllen bei richtig ver-
wandter Methode der Zerlegung. In den Völkergedanken
lassen sich also nach Maass und Zahl geordnete Schöpfungen
der Betrachtung unterwerfen, und nachdem sie als Krystalle
in ihren Umrissen constatirt sind, mögen sie auch wieder
in die Mutterlauge elementarer Gedankengährungen, aus deren
embryonalen Vorstudien sie hervorgeschossen sind, zersetzt
und analysirt werden.

Hier wäre nun kein Mangel zu fürchten, und eher würde
(bei der Nothwendigkeit statistischer Umschau über den
Globus) Ueberfülle des Stoffes, ein embarras des richesses
drohen, bis fortschreitende Erkenntniss anordnende Gruppi-
rung, zur Verdichtung unter höheren Einheiten, erlaubt.

Wenn die Psychologie bisher von Vorstellungen, Ge-
fühlen, Abstractionen u. s. w. handelte, so wird sich Alles
das in einer vergleichenden Psychologie noch weit ausgiebiger
zur Verhandlung bringen lassen, und neben den Idealen in
Kunst und Wissenschaft würden sie der Religion practische
Aufschlüsse gewähren, und auch den socialen Institutionen
zur Beurtheilung der eigenen, wenn in einer allgemeinen

*) Das gesellschaftliche Bewusstsein umfasst diejenigen Seelenzustände,
welche den Gesellschaftsgliedern in Folge ihres Wechselverkehrs gemein-
sam sind (Lindner).
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[6/0040] Innerhalb all’ dieser Beschränkung steht aber ausserdem noch ein anderes Fragezeichen voran, das die Beschränkung in der Individualität selbst schon betrifft. Der Gedanke des Einzelwesen ist ein steriler, erst der gesellschaftliche *) produktiv, erst dieser ruft psychische Schöpfungen hervor, welche der Geist anschauen und im Studium zu erforschen vermag. Und mehr: Der Gedanke des Einzelnen erhält die Möglichkeit seiner Existenz erst nach, und innerhalb, dem Gesellschaftsgedanken. Wenn indess dann der Mensch als Gesellschaftswesen am ethnischen Horizonte gespiegelt ist, für seine Selbstbeobachtung, so wird sich jedwede Individualität wieder enthüllen bei richtig ver- wandter Methode der Zerlegung. In den Völkergedanken lassen sich also nach Maass und Zahl geordnete Schöpfungen der Betrachtung unterwerfen, und nachdem sie als Krystalle in ihren Umrissen constatirt sind, mögen sie auch wieder in die Mutterlauge elementarer Gedankengährungen, aus deren embryonalen Vorstudien sie hervorgeschossen sind, zersetzt und analysirt werden. Hier wäre nun kein Mangel zu fürchten, und eher würde (bei der Nothwendigkeit statistischer Umschau über den Globus) Ueberfülle des Stoffes, ein embarras des richesses drohen, bis fortschreitende Erkenntniss anordnende Gruppi- rung, zur Verdichtung unter höheren Einheiten, erlaubt. Wenn die Psychologie bisher von Vorstellungen, Ge- fühlen, Abstractionen u. s. w. handelte, so wird sich Alles das in einer vergleichenden Psychologie noch weit ausgiebiger zur Verhandlung bringen lassen, und neben den Idealen in Kunst und Wissenschaft würden sie der Religion practische Aufschlüsse gewähren, und auch den socialen Institutionen zur Beurtheilung der eigenen, wenn in einer allgemeinen *) Das gesellschaftliche Bewusstsein umfasst diejenigen Seelenzustände, welche den Gesellschaftsgliedern in Folge ihres Wechselverkehrs gemein- sam sind (Lindner).

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/40>, abgerufen am 21.11.2024.