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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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Menschheitsgeschichte die, vielleicht fossil bereits verknöcher-
ten, Typen complicirter Culturen sich mit dem Einblick in
niedrige Entwicklungsstufen durchsichtigerer Einfachheit*) mit
dem Schlüsel, der von dort erlangt ist, gesetzlich klären
und so im eigenem Kreise zum Verständniss gelangen. Inner-
halb des als abgeschlossenes Ganze vor Augen stehenden
Gesellschafsgedanken lassen sich dann wieder durch Theil-
striche die componirenden Einzelgedanken**) markiren und auf
die physiologische Basis zurückführen, unter Schliessung der
Kette im Natur-Mechanismus. Und vielleicht werden dann
die organischen Wachsthumsgesetze, die in den im Gesichts-
kreis vergrösserten Reflexbildern in ihren Zeugungen erkannt
sind für mikrokosmische Schöpfungen, gelegentliche Streif-
lichte zu werfen im Stande sein auf die makrokosmischen
im Universum.

Wenn wir in einem Ueberblick des Globus die ge-
sammten Wandlungen des Menschheitsgedanken in allen seinen

*) Die natürlichen Vorstellungen über das Problem des Pflanzenwachs-
thums (in einer der empirischen Lösung zugänglichen Fassung) sind neuer-
dings erst aus den Untersuchungen über die Entwicklung niederer Pflanzen
hervorgegangen (1864) und ausschliesslich diesen gehören die "ersten Ver-
suche an, das Wachsthum einer Pflanze aus einer nothwendigen und ge-
setzmässigen Folge der Zellbildung nachzuweisen, gleichsam den architec-
tonischen Plan zu zeichnen, nach welchem die Natur bei der Gestaltung
der Pflanzenformen verfährt, und den ganzen Aufbau einer Pflanze schritt-
weis, wie den eines Gebäudes, dessen Pläne und Risse vorliegen, von
Baustein zu Baustein zu verfolgen, zu beschreiben und somit auch zu be-
greifen." (Pringsheim). Die Kryptogamenforscher (s. Jessen) suchten "von
dem einfachen leicht verständlichen Bau der einfachsten Gewächse Auf-
klärung für die complicirtere, schwierigere Structur höherer Pflanzen zu
erlangen".
**) "Das wahrnehmende Ich bringt sich durch sein wahrnehmendes
Bewusstsein selbst hervor" (s. Bergmann) als gleichsam ein Svayambhu
also, während bei dem noch nicht zu den Göttern der Meditationshimmel
aufgestiegenem Mensch (auf seiner ihm von Confucius bereits angewiesenen
Erde) das "wahrnehmende Ich" sich innerhalb der Gesellschaft mit dem
Sichselbstbewusstwerden als integrirender Theil (des, seine eigene Existenz
erst ermöglichenden, Ganzen) wird begnügen müssen.

Menschheitsgeschichte die, vielleicht fossil bereits verknöcher-
ten, Typen complicirter Culturen sich mit dem Einblick in
niedrige Entwicklungsstufen durchsichtigerer Einfachheit*) mit
dem Schlüsel, der von dort erlangt ist, gesetzlich klären
und so im eigenem Kreise zum Verständniss gelangen. Inner-
halb des als abgeschlossenes Ganze vor Augen stehenden
Gesellschafsgedanken lassen sich dann wieder durch Theil-
striche die componirenden Einzelgedanken**) markiren und auf
die physiologische Basis zurückführen, unter Schliessung der
Kette im Natur-Mechanismus. Und vielleicht werden dann
die organischen Wachsthumsgesetze, die in den im Gesichts-
kreis vergrösserten Reflexbildern in ihren Zeugungen erkannt
sind für mikrokosmische Schöpfungen, gelegentliche Streif-
lichte zu werfen im Stande sein auf die makrokosmischen
im Universum.

Wenn wir in einem Ueberblick des Globus die ge-
sammten Wandlungen des Menschheitsgedanken in allen seinen

*) Die natürlichen Vorstellungen über das Problem des Pflanzenwachs-
thums (in einer der empirischen Lösung zugänglichen Fassung) sind neuer-
dings erst aus den Untersuchungen über die Entwicklung niederer Pflanzen
hervorgegangen (1864) und ausschliesslich diesen gehören die „ersten Ver-
suche an, das Wachsthum einer Pflanze aus einer nothwendigen und ge-
setzmässigen Folge der Zellbildung nachzuweisen, gleichsam den architec-
tonischen Plan zu zeichnen, nach welchem die Natur bei der Gestaltung
der Pflanzenformen verfährt, und den ganzen Aufbau einer Pflanze schritt-
weis, wie den eines Gebäudes, dessen Pläne und Risse vorliegen, von
Baustein zu Baustein zu verfolgen, zu beschreiben und somit auch zu be-
greifen.“ (Pringsheim). Die Kryptogamenforscher (s. Jessen) suchten „von
dem einfachen leicht verständlichen Bau der einfachsten Gewächse Auf-
klärung für die complicirtere, schwierigere Structur höherer Pflanzen zu
erlangen“.
**) „Das wahrnehmende Ich bringt sich durch sein wahrnehmendes
Bewusstsein selbst hervor“ (s. Bergmann) als gleichsam ein Svayambhu
also, während bei dem noch nicht zu den Göttern der Meditationshimmel
aufgestiegenem Mensch (auf seiner ihm von Confucius bereits angewiesenen
Erde) das „wahrnehmende Ich“ sich innerhalb der Gesellschaft mit dem
Sichselbstbewusstwerden als integrirender Theil (des, seine eigene Existenz
erst ermöglichenden, Ganzen) wird begnügen müssen.
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[7/0041] Menschheitsgeschichte die, vielleicht fossil bereits verknöcher- ten, Typen complicirter Culturen sich mit dem Einblick in niedrige Entwicklungsstufen durchsichtigerer Einfachheit *) mit dem Schlüsel, der von dort erlangt ist, gesetzlich klären und so im eigenem Kreise zum Verständniss gelangen. Inner- halb des als abgeschlossenes Ganze vor Augen stehenden Gesellschafsgedanken lassen sich dann wieder durch Theil- striche die componirenden Einzelgedanken **) markiren und auf die physiologische Basis zurückführen, unter Schliessung der Kette im Natur-Mechanismus. Und vielleicht werden dann die organischen Wachsthumsgesetze, die in den im Gesichts- kreis vergrösserten Reflexbildern in ihren Zeugungen erkannt sind für mikrokosmische Schöpfungen, gelegentliche Streif- lichte zu werfen im Stande sein auf die makrokosmischen im Universum. Wenn wir in einem Ueberblick des Globus die ge- sammten Wandlungen des Menschheitsgedanken in allen seinen *) Die natürlichen Vorstellungen über das Problem des Pflanzenwachs- thums (in einer der empirischen Lösung zugänglichen Fassung) sind neuer- dings erst aus den Untersuchungen über die Entwicklung niederer Pflanzen hervorgegangen (1864) und ausschliesslich diesen gehören die „ersten Ver- suche an, das Wachsthum einer Pflanze aus einer nothwendigen und ge- setzmässigen Folge der Zellbildung nachzuweisen, gleichsam den architec- tonischen Plan zu zeichnen, nach welchem die Natur bei der Gestaltung der Pflanzenformen verfährt, und den ganzen Aufbau einer Pflanze schritt- weis, wie den eines Gebäudes, dessen Pläne und Risse vorliegen, von Baustein zu Baustein zu verfolgen, zu beschreiben und somit auch zu be- greifen.“ (Pringsheim). Die Kryptogamenforscher (s. Jessen) suchten „von dem einfachen leicht verständlichen Bau der einfachsten Gewächse Auf- klärung für die complicirtere, schwierigere Structur höherer Pflanzen zu erlangen“. **) „Das wahrnehmende Ich bringt sich durch sein wahrnehmendes Bewusstsein selbst hervor“ (s. Bergmann) als gleichsam ein Svayambhu also, während bei dem noch nicht zu den Göttern der Meditationshimmel aufgestiegenem Mensch (auf seiner ihm von Confucius bereits angewiesenen Erde) das „wahrnehmende Ich“ sich innerhalb der Gesellschaft mit dem Sichselbstbewusstwerden als integrirender Theil (des, seine eigene Existenz erst ermöglichenden, Ganzen) wird begnügen müssen.

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/41>, abgerufen am 03.05.2024.