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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881.

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scher Ueberbleibsel bewahren (aber eben auch die volle
Bedeutung derselben, als für unerwartete Aufschlüsse oft
folgenreich). So würde es unter den oben angeführten Bei-
spielen für die Vorstellungen von der Krankheit gelten (die
allerdings im Anschluss an ethnologische Analogien noch im
Volksglauben spuken, für wissenschaftliche Theorien der
Pathologie und Therapie dagegen practische Verwerthung
verloren haben), während die andern beiden, die von der
Gottheit oder die der Entstehung, mit ihren Verzweigungen
noch tief in unsere heutige Weltanschauung hineinragen, für
Religion sowohl, wie für Philosophie. Und dies liesse sich
in den Vorstellungsreihen an vielerlei Parallelen weiter ver-
folgen.

Manche derjenigen, die die wichtigsten Interessen des
Lebens berühren (oder vielmehr alle die für das irdische
Leben wichtigsten, nächst individueller Selbsterhaltung), be-
rühren den gesellschaftlichen Zustand in seinen mit dem
Staat zusammenfallenden*), und sich übereinander verschie-
benden**) Kreisungen (in Ständen, Kasten, Gilden, Gemein-
den, Genossenschaften u. s. w.).

*) Der öffentliche Gleichgewichtszustand, den wir eben den Staat
(Status) nennen, bildet nur ein meist jämmerliches Compromiss der ver-
schiedenen öffentlichen Interessen, anstatt eine dauernde naturgemässe
Ausgleichung und Versöhnung derselben darzustellen (s. Lindner), wie nur
bei einem Verständniss der organischen Entwickelung eingeleitet werden
kann.
**) Zu der Anerkennung, "dass der Staat der einheitliche Organismus
des Gesammt-Volkslebens sei, und somit die ihn begreifende und aus-
legende Wissenschaft der Wissenschaft des Einzellebens gegenüberstehe"
kam (s. Mohl) die Erkenntniss, "dass das gemeinschaftliche Leben der
Menschen keineswegs im Staate allein bestehe", sondern dass zwischen der
Sphäre der einzelnen Persönlichkeiten und der organischen Einheit des
Volkslebens "eine Anzahl von Lebenskreisen in der Mitte liegt", als Folge
der complicirten Lebensverhältnisse moderner Bildung, für die sich beim
Hinblick auf die einfacheren Anfänge in den Naturvölkern manche Schwierig-
keiten aus dem Thatsächlichen selbst schon auf hellen würden. Auf dem Grund-
gedanken, dass zu unterscheiden sei zwischen der bürgerlichen Gesellschaft

scher Ueberbleibsel bewahren (aber eben auch die volle
Bedeutung derselben, als für unerwartete Aufschlüsse oft
folgenreich). So würde es unter den oben angeführten Bei-
spielen für die Vorstellungen von der Krankheit gelten (die
allerdings im Anschluss an ethnologische Analogien noch im
Volksglauben spuken, für wissenschaftliche Theorien der
Pathologie und Therapie dagegen practische Verwerthung
verloren haben), während die andern beiden, die von der
Gottheit oder die der Entstehung, mit ihren Verzweigungen
noch tief in unsere heutige Weltanschauung hineinragen, für
Religion sowohl, wie für Philosophie. Und dies liesse sich
in den Vorstellungsreihen an vielerlei Parallelen weiter ver-
folgen.

Manche derjenigen, die die wichtigsten Interessen des
Lebens berühren (oder vielmehr alle die für das irdische
Leben wichtigsten, nächst individueller Selbsterhaltung), be-
rühren den gesellschaftlichen Zustand in seinen mit dem
Staat zusammenfallenden*), und sich übereinander verschie-
benden**) Kreisungen (in Ständen, Kasten, Gilden, Gemein-
den, Genossenschaften u. s. w.).

*) Der öffentliche Gleichgewichtszustand, den wir eben den Staat
(Status) nennen, bildet nur ein meist jämmerliches Compromiss der ver-
schiedenen öffentlichen Interessen, anstatt eine dauernde naturgemässe
Ausgleichung und Versöhnung derselben darzustellen (s. Lindner), wie nur
bei einem Verständniss der organischen Entwickelung eingeleitet werden
kann.
**) Zu der Anerkennung, „dass der Staat der einheitliche Organismus
des Gesammt-Volkslebens sei, und somit die ihn begreifende und aus-
legende Wissenschaft der Wissenschaft des Einzellebens gegenüberstehe“
kam (s. Mohl) die Erkenntniss, „dass das gemeinschaftliche Leben der
Menschen keineswegs im Staate allein bestehe“, sondern dass zwischen der
Sphäre der einzelnen Persönlichkeiten und der organischen Einheit des
Volkslebens „eine Anzahl von Lebenskreisen in der Mitte liegt“, als Folge
der complicirten Lebensverhältnisse moderner Bildung, für die sich beim
Hinblick auf die einfacheren Anfänge in den Naturvölkern manche Schwierig-
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[18/0052] scher Ueberbleibsel bewahren (aber eben auch die volle Bedeutung derselben, als für unerwartete Aufschlüsse oft folgenreich). So würde es unter den oben angeführten Bei- spielen für die Vorstellungen von der Krankheit gelten (die allerdings im Anschluss an ethnologische Analogien noch im Volksglauben spuken, für wissenschaftliche Theorien der Pathologie und Therapie dagegen practische Verwerthung verloren haben), während die andern beiden, die von der Gottheit oder die der Entstehung, mit ihren Verzweigungen noch tief in unsere heutige Weltanschauung hineinragen, für Religion sowohl, wie für Philosophie. Und dies liesse sich in den Vorstellungsreihen an vielerlei Parallelen weiter ver- folgen. Manche derjenigen, die die wichtigsten Interessen des Lebens berühren (oder vielmehr alle die für das irdische Leben wichtigsten, nächst individueller Selbsterhaltung), be- rühren den gesellschaftlichen Zustand in seinen mit dem Staat zusammenfallenden *), und sich übereinander verschie- benden **) Kreisungen (in Ständen, Kasten, Gilden, Gemein- den, Genossenschaften u. s. w.). *) Der öffentliche Gleichgewichtszustand, den wir eben den Staat (Status) nennen, bildet nur ein meist jämmerliches Compromiss der ver- schiedenen öffentlichen Interessen, anstatt eine dauernde naturgemässe Ausgleichung und Versöhnung derselben darzustellen (s. Lindner), wie nur bei einem Verständniss der organischen Entwickelung eingeleitet werden kann. **) Zu der Anerkennung, „dass der Staat der einheitliche Organismus des Gesammt-Volkslebens sei, und somit die ihn begreifende und aus- legende Wissenschaft der Wissenschaft des Einzellebens gegenüberstehe“ kam (s. Mohl) die Erkenntniss, „dass das gemeinschaftliche Leben der Menschen keineswegs im Staate allein bestehe“, sondern dass zwischen der Sphäre der einzelnen Persönlichkeiten und der organischen Einheit des Volkslebens „eine Anzahl von Lebenskreisen in der Mitte liegt“, als Folge der complicirten Lebensverhältnisse moderner Bildung, für die sich beim Hinblick auf die einfacheren Anfänge in den Naturvölkern manche Schwierig- keiten aus dem Thatsächlichen selbst schon auf hellen würden. Auf dem Grund- gedanken, dass zu unterscheiden sei zwischen der bürgerlichen Gesellschaft

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Zitationshilfe: Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/52>, abgerufen am 25.11.2024.