... Ueberall Lachen, Kokettiren und die lauteste, un¬ genirteste Unterhaltung -- und nicht nur in den Zwischen¬ akten. Fächer und Lorgnette manövrirten, weiße schöne Frauenarme präsentirten sich auf den rothsammtenen Logenbrüstungen möglichst vortheilhaft ... man sah: Jeder und noch mehr Jede wollte gesehen werden und suchte sich in das glänzendste Licht zu stellen. Die Bühne war Nebensache.
Die arme "Knillwurst" ging spurlos vorüber. Der feurige, geniale Ludwig Löwe, die anmuthige Fournier, und selbst Goethe's genialste Schülerin -- meine theure Amalie Wolff, vermochten nicht zu enthusiasmiren. Elisabeth's in Berlin so berühmtes sanftes: "Leicester, ich befehle!" -- und ihr herrschendes, hartes: "Burleigh, ich bitte" -- diese fein psychologischen Nuancen wurden in Wien gar nicht beachtet. Kein Wunder also, daß Amalie Wolff's Spiel immer befangener wurde. Sie sagte mir später selber: "Ich bin schwer dafür gestraft, daß ich meinem Vorsatze: nach meines Mannes Tode nicht mehr zu gastiren! -- untreu wurde. Und dann irrte ich in der Wahl der Rollen. In Wien dominirt heute das Lustspiel. Ich hätte nur im humoristischen Fache auftreten sollen und wäre hier auch der wirksamsten Unterstützung sicher gewesen.
Und Amalie Wolff hatte Recht. Im heiteren, graziösen Genre des Lustspiels und Konversationsstücks bewährte das Burgtheater seinen in den zwanziger Jahren unter Schreyvogel's trefflicher Leitung begründeten Ruf:
… Ueberall Lachen, Kokettiren und die lauteſte, un¬ genirteſte Unterhaltung — und nicht nur in den Zwiſchen¬ akten. Fächer und Lorgnette manövrirten, weiße ſchöne Frauenarme präſentirten ſich auf den rothſammtenen Logenbrüſtungen möglichſt vortheilhaft … man ſah: Jeder und noch mehr Jede wollte geſehen werden und ſuchte ſich in das glänzendſte Licht zu ſtellen. Die Bühne war Nebenſache.
Die arme »Knillwurſt« ging ſpurlos vorüber. Der feurige, geniale Ludwig Löwe, die anmuthige Fournier, und ſelbſt Goethe's genialſte Schülerin — meine theure Amalie Wolff, vermochten nicht zu enthuſiasmiren. Eliſabeth's in Berlin ſo berühmtes ſanftes: »Leiceſter, ich befehle!« — und ihr herrſchendes, hartes: »Burleigh, ich bitte« — dieſe fein pſychologiſchen Nuancen wurden in Wien gar nicht beachtet. Kein Wunder alſo, daß Amalie Wolff's Spiel immer befangener wurde. Sie ſagte mir ſpäter ſelber: »Ich bin ſchwer dafür geſtraft, daß ich meinem Vorſatze: nach meines Mannes Tode nicht mehr zu gaſtiren! — untreu wurde. Und dann irrte ich in der Wahl der Rollen. In Wien dominirt heute das Luſtſpiel. Ich hätte nur im humoriſtiſchen Fache auftreten ſollen und wäre hier auch der wirkſamſten Unterſtützung ſicher geweſen.
Und Amalie Wolff hatte Recht. Im heiteren, graziöſen Genre des Luſtſpiels und Konverſationsſtücks bewährte das Burgtheater ſeinen in den zwanziger Jahren unter Schreyvogel's trefflicher Leitung begründeten Ruf:
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Frauenarme präſentirten ſich auf den rothſammtenen
Logenbrüſtungen möglichſt vortheilhaft … man ſah: Jeder
und noch mehr Jede wollte geſehen werden und ſuchte
ſich in das glänzendſte Licht zu ſtellen. Die Bühne
war Nebenſache.
Die arme »Knillwurſt« ging ſpurlos vorüber. Der
feurige, geniale Ludwig Löwe, die anmuthige Fournier,
und ſelbſt Goethe's genialſte Schülerin — meine theure
Amalie Wolff, vermochten nicht zu enthuſiasmiren.
Eliſabeth's in Berlin ſo berühmtes ſanftes: »Leiceſter, ich
befehle!« — und ihr herrſchendes, hartes: »Burleigh,
ich bitte« — dieſe fein pſychologiſchen Nuancen wurden
in Wien gar nicht beachtet. Kein Wunder alſo, daß
Amalie Wolff's Spiel immer befangener wurde. Sie
ſagte mir ſpäter ſelber: »Ich bin ſchwer dafür geſtraft,
daß ich meinem Vorſatze: nach meines Mannes Tode
nicht mehr zu gaſtiren! — untreu wurde. Und dann
irrte ich in der Wahl der Rollen. In Wien dominirt
heute das Luſtſpiel. Ich hätte nur im humoriſtiſchen
Fache auftreten ſollen und wäre hier auch der wirkſamſten
Unterſtützung ſicher geweſen.
Und Amalie Wolff hatte Recht. Im heiteren,
graziöſen Genre des Luſtſpiels und Konverſationsſtücks
bewährte das Burgtheater ſeinen in den zwanziger Jahren
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/297>, abgerufen am 22.11.2024.
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