"Aber sein Vater hat es doch sein Leben lang nicht verwinden können ... Es muß auch zu trostlos sein: erst die Krone und die Heimat -- und dann noch die Gattin und die Kinder zu verlieren ... Armer Oberst Gustav¬ son!"
Graf und Gräfin Tettenborn hatten den seligen Vater gekannt und zeigten in herzlichster Weise seiner Wittwe und Tochter, wie sehr sie ihn schätzten. Ihr liebenswürdiges Haus wurde uns während unseres Aufent¬ halts in Wien bald ein Stück badischer Heimat.
In dem runden, rothwangigen, echt Wienerisch lebens¬ lustigen Prinzen Gustav Wasa hätte ich freilich den armen, blassen, melancholischen Königssohn ohne Land und Krone aus Karlsruhe nicht wiedererkannt.
Gräfin Fikelmont in Petersburg hatte mir ein Em¬ pfehlungsschreiben an die französische Gesandtin, Marquise St. Aulair, gegeben und mit feinem Lächeln hinzugefügt: "Sie werden Legitimisten pur sang kennen lernen!"
Ich wurde anfangs etwas enttäuscht! Die ganze Gesandtschaft war mir zu -- kolossal gebildet, zu über¬ irdisch sanftmüthig und weltverachtend -- und selbst die jungen, hübschen Töchter gemessen und zugeknöpft, wie Puritanerinnen. Alle schienen einen geheimen Schauer vor dem helläugigen, lebenslustigen Weltkinde zu em¬ pfinden, das noch obendrein den gottverlassenen Brettern angehörte. Aber nach und nach entschauerten und knöpften sie sich einer nach dem Andern auf. Wir plauderten über Petersburg, Paris, die Mars ... und ich fand zuletzt
»Aber ſein Vater hat es doch ſein Leben lang nicht verwinden können … Es muß auch zu troſtlos ſein: erſt die Krone und die Heimat — und dann noch die Gattin und die Kinder zu verlieren … Armer Oberſt Guſtav¬ ſon!«
Graf und Gräfin Tettenborn hatten den ſeligen Vater gekannt und zeigten in herzlichſter Weiſe ſeiner Wittwe und Tochter, wie ſehr ſie ihn ſchätzten. Ihr liebenswürdiges Haus wurde uns während unſeres Aufent¬ halts in Wien bald ein Stück badiſcher Heimat.
In dem runden, rothwangigen, echt Wieneriſch lebens¬ luſtigen Prinzen Guſtav Waſa hätte ich freilich den armen, blaſſen, melancholiſchen Königsſohn ohne Land und Krone aus Karlsruhe nicht wiedererkannt.
Gräfin Fikelmont in Petersburg hatte mir ein Em¬ pfehlungsſchreiben an die franzöſiſche Geſandtin, Marquiſe St. Aulair, gegeben und mit feinem Lächeln hinzugefügt: »Sie werden Legitimiſten pur sang kennen lernen!«
Ich wurde anfangs etwas enttäuſcht! Die ganze Geſandtſchaft war mir zu — koloſſal gebildet, zu über¬ irdiſch ſanftmüthig und weltverachtend — und ſelbſt die jungen, hübſchen Töchter gemeſſen und zugeknöpft, wie Puritanerinnen. Alle ſchienen einen geheimen Schauer vor dem helläugigen, lebensluſtigen Weltkinde zu em¬ pfinden, das noch obendrein den gottverlaſſenen Brettern angehörte. Aber nach und nach entſchauerten und knöpften ſie ſich einer nach dem Andern auf. Wir plauderten über Petersburg, Paris, die Mars … und ich fand zuletzt
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»Aber ſein Vater hat es doch ſein Leben lang nicht
verwinden können … Es muß auch zu troſtlos ſein: erſt
die Krone und die Heimat — und dann noch die Gattin
und die Kinder zu verlieren … Armer Oberſt Guſtav¬
ſon!«
Graf und Gräfin Tettenborn hatten den ſeligen
Vater gekannt und zeigten in herzlichſter Weiſe ſeiner
Wittwe und Tochter, wie ſehr ſie ihn ſchätzten. Ihr
liebenswürdiges Haus wurde uns während unſeres Aufent¬
halts in Wien bald ein Stück badiſcher Heimat.
In dem runden, rothwangigen, echt Wieneriſch lebens¬
luſtigen Prinzen Guſtav Waſa hätte ich freilich den armen,
blaſſen, melancholiſchen Königsſohn ohne Land und Krone
aus Karlsruhe nicht wiedererkannt.
Gräfin Fikelmont in Petersburg hatte mir ein Em¬
pfehlungsſchreiben an die franzöſiſche Geſandtin, Marquiſe
St. Aulair, gegeben und mit feinem Lächeln hinzugefügt:
»Sie werden Legitimiſten pur sang kennen lernen!«
Ich wurde anfangs etwas enttäuſcht! Die ganze
Geſandtſchaft war mir zu — koloſſal gebildet, zu über¬
irdiſch ſanftmüthig und weltverachtend — und ſelbſt die
jungen, hübſchen Töchter gemeſſen und zugeknöpft, wie
Puritanerinnen. Alle ſchienen einen geheimen Schauer
vor dem helläugigen, lebensluſtigen Weltkinde zu em¬
pfinden, das noch obendrein den gottverlaſſenen Brettern
angehörte. Aber nach und nach entſchauerten und knöpften
ſie ſich einer nach dem Andern auf. Wir plauderten über
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/306>, abgerufen am 22.11.2024.
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