testen Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien! Jeder wußte einen Vorzug seiner Stadt in das beste Licht zu stellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze zu werfen, sagte ich: "Von Politik verstehe ich nichts und bin auch herzlich froh darüber. Aber so viel ich in dieser kurzen Zeit vom Wiener Leben gesehen habe, so hat Berlin einen Vorzug vor Wien: -- den der -- ästhetischen Verehrer von uns Künstlerinnen!"
"Ah! -- wie so? -- wie sollen wir das verstehen?"
"In Berlin giebt es solche Verehrer zu Dutzenden, die den Künstlerinnen Abends nach dem Theater am Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen -- und schon für unendlich kühn gelten, wenn sie Sonntag Mittags nach der Kirche in feinster Tournüre ihren Angebeteten eine Stutzvisite machen, ein Bouquet über¬ reichen oder ein Gedicht auf rosa Seidenpapier durch die Post überschicken ..."
"Und" -- fiel Witthauer fast wehmüthig ein -- "unendlich glücklich sind, wenn sie auf den Geburtstags¬ tisch einer verehrten Künstlerin einen blühenden Rosen¬ stock stellen dürfen ..."
Gerührt reichte ich dem treuesten der Freunde die Hand.
Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein schlanker, blonder und auf's Zierlichste herausgeputzter Jüngling, der am Tischchen neben uns saß und uns durch Baron Zedlitz als Graf B. L. vorgestellt war, diesem Gespräch mit der größten Spannung -- ja Verwunderung gefolgt
teſten Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien! Jeder wußte einen Vorzug ſeiner Stadt in das beſte Licht zu ſtellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze zu werfen, ſagte ich: »Von Politik verſtehe ich nichts und bin auch herzlich froh darüber. Aber ſo viel ich in dieſer kurzen Zeit vom Wiener Leben geſehen habe, ſo hat Berlin einen Vorzug vor Wien: — den der — äſthetiſchen Verehrer von uns Künſtlerinnen!«
»Ah! — wie ſo? — wie ſollen wir das verſtehen?«
»In Berlin giebt es ſolche Verehrer zu Dutzenden, die den Künſtlerinnen Abends nach dem Theater am Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen — und ſchon für unendlich kühn gelten, wenn ſie Sonntag Mittags nach der Kirche in feinſter Tournüre ihren Angebeteten eine Stutzviſite machen, ein Bouquet über¬ reichen oder ein Gedicht auf roſa Seidenpapier durch die Poſt überſchicken …«
»Und« — fiel Witthauer faſt wehmüthig ein — »unendlich glücklich ſind, wenn ſie auf den Geburtstags¬ tiſch einer verehrten Künſtlerin einen blühenden Roſen¬ ſtock ſtellen dürfen …«
Gerührt reichte ich dem treueſten der Freunde die Hand.
Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein ſchlanker, blonder und auf's Zierlichſte herausgeputzter Jüngling, der am Tiſchchen neben uns ſaß und uns durch Baron Zedlitz als Graf B. L. vorgeſtellt war, dieſem Geſpräch mit der größten Spannung — ja Verwunderung gefolgt
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0309"n="281"/>
teſten Witzkreuzfeuer: <hirendition="#aq">pro et contra</hi> Berlin oder Wien!<lb/>
Jeder wußte einen Vorzug ſeiner Stadt in das beſte<lb/>
Licht zu ſtellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze<lb/>
zu werfen, ſagte ich: »Von Politik verſtehe ich nichts<lb/>
und bin auch herzlich froh darüber. Aber ſo viel ich in<lb/>
dieſer kurzen Zeit vom Wiener Leben geſehen habe, ſo<lb/>
hat Berlin einen Vorzug vor Wien: — den der —<lb/>
äſthetiſchen Verehrer von uns Künſtlerinnen!«</p><lb/><p>»Ah! — wie ſo? — wie ſollen wir das verſtehen?«</p><lb/><p>»In Berlin giebt es ſolche Verehrer zu Dutzenden,<lb/>
die den Künſtlerinnen Abends nach dem Theater am<lb/>
Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen —<lb/>
und ſchon für unendlich kühn gelten, wenn ſie Sonntag<lb/>
Mittags nach der Kirche in feinſter Tournüre ihren<lb/>
Angebeteten eine Stutzviſite machen, ein Bouquet über¬<lb/>
reichen oder ein Gedicht auf roſa Seidenpapier durch die<lb/>
Poſt überſchicken …«</p><lb/><p>»Und« — fiel Witthauer faſt wehmüthig ein —<lb/>
»unendlich glücklich ſind, wenn ſie auf den Geburtstags¬<lb/>
tiſch einer verehrten Künſtlerin einen blühenden Roſen¬<lb/>ſtock ſtellen dürfen …«</p><lb/><p>Gerührt reichte ich dem treueſten der Freunde die<lb/>
Hand.</p><lb/><p>Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein ſchlanker,<lb/>
blonder und auf's Zierlichſte herausgeputzter Jüngling,<lb/>
der am Tiſchchen neben uns ſaß und uns durch Baron<lb/>
Zedlitz als Graf B. L. vorgeſtellt war, dieſem Geſpräch mit<lb/>
der größten Spannung — ja Verwunderung gefolgt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[281/0309]
teſten Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien!
Jeder wußte einen Vorzug ſeiner Stadt in das beſte
Licht zu ſtellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze
zu werfen, ſagte ich: »Von Politik verſtehe ich nichts
und bin auch herzlich froh darüber. Aber ſo viel ich in
dieſer kurzen Zeit vom Wiener Leben geſehen habe, ſo
hat Berlin einen Vorzug vor Wien: — den der —
äſthetiſchen Verehrer von uns Künſtlerinnen!«
»Ah! — wie ſo? — wie ſollen wir das verſtehen?«
»In Berlin giebt es ſolche Verehrer zu Dutzenden,
die den Künſtlerinnen Abends nach dem Theater am
Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen —
und ſchon für unendlich kühn gelten, wenn ſie Sonntag
Mittags nach der Kirche in feinſter Tournüre ihren
Angebeteten eine Stutzviſite machen, ein Bouquet über¬
reichen oder ein Gedicht auf roſa Seidenpapier durch die
Poſt überſchicken …«
»Und« — fiel Witthauer faſt wehmüthig ein —
»unendlich glücklich ſind, wenn ſie auf den Geburtstags¬
tiſch einer verehrten Künſtlerin einen blühenden Roſen¬
ſtock ſtellen dürfen …«
Gerührt reichte ich dem treueſten der Freunde die
Hand.
Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein ſchlanker,
blonder und auf's Zierlichſte herausgeputzter Jüngling,
der am Tiſchchen neben uns ſaß und uns durch Baron
Zedlitz als Graf B. L. vorgeſtellt war, dieſem Geſpräch mit
der größten Spannung — ja Verwunderung gefolgt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/309>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.