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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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testen Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien!
Jeder wußte einen Vorzug seiner Stadt in das beste
Licht zu stellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze
zu werfen, sagte ich: "Von Politik verstehe ich nichts
und bin auch herzlich froh darüber. Aber so viel ich in
dieser kurzen Zeit vom Wiener Leben gesehen habe, so
hat Berlin einen Vorzug vor Wien: -- den der --
ästhetischen Verehrer von uns Künstlerinnen!"

"Ah! -- wie so? -- wie sollen wir das verstehen?"

"In Berlin giebt es solche Verehrer zu Dutzenden,
die den Künstlerinnen Abends nach dem Theater am
Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen --
und schon für unendlich kühn gelten, wenn sie Sonntag
Mittags nach der Kirche in feinster Tournüre ihren
Angebeteten eine Stutzvisite machen, ein Bouquet über¬
reichen oder ein Gedicht auf rosa Seidenpapier durch die
Post überschicken ..."

"Und" -- fiel Witthauer fast wehmüthig ein --
"unendlich glücklich sind, wenn sie auf den Geburtstags¬
tisch einer verehrten Künstlerin einen blühenden Rosen¬
stock stellen dürfen ..."

Gerührt reichte ich dem treuesten der Freunde die
Hand.

Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein schlanker,
blonder und auf's Zierlichste herausgeputzter Jüngling,
der am Tischchen neben uns saß und uns durch Baron
Zedlitz als Graf B. L. vorgestellt war, diesem Gespräch mit
der größten Spannung -- ja Verwunderung gefolgt

teſten Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien!
Jeder wußte einen Vorzug ſeiner Stadt in das beſte
Licht zu ſtellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze
zu werfen, ſagte ich: »Von Politik verſtehe ich nichts
und bin auch herzlich froh darüber. Aber ſo viel ich in
dieſer kurzen Zeit vom Wiener Leben geſehen habe, ſo
hat Berlin einen Vorzug vor Wien: — den der —
äſthetiſchen Verehrer von uns Künſtlerinnen!«

»Ah! — wie ſo? — wie ſollen wir das verſtehen?«

»In Berlin giebt es ſolche Verehrer zu Dutzenden,
die den Künſtlerinnen Abends nach dem Theater am
Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen —
und ſchon für unendlich kühn gelten, wenn ſie Sonntag
Mittags nach der Kirche in feinſter Tournüre ihren
Angebeteten eine Stutzviſite machen, ein Bouquet über¬
reichen oder ein Gedicht auf roſa Seidenpapier durch die
Poſt überſchicken …«

»Und« — fiel Witthauer faſt wehmüthig ein —
»unendlich glücklich ſind, wenn ſie auf den Geburtstags¬
tiſch einer verehrten Künſtlerin einen blühenden Roſen¬
ſtock ſtellen dürfen …«

Gerührt reichte ich dem treueſten der Freunde die
Hand.

Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein ſchlanker,
blonder und auf's Zierlichſte herausgeputzter Jüngling,
der am Tiſchchen neben uns ſaß und uns durch Baron
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[281/0309] teſten Witzkreuzfeuer: pro et contra Berlin oder Wien! Jeder wußte einen Vorzug ſeiner Stadt in das beſte Licht zu ſtellen. Als ich an die Reihe kam, meine Lanze zu werfen, ſagte ich: »Von Politik verſtehe ich nichts und bin auch herzlich froh darüber. Aber ſo viel ich in dieſer kurzen Zeit vom Wiener Leben geſehen habe, ſo hat Berlin einen Vorzug vor Wien: — den der — äſthetiſchen Verehrer von uns Künſtlerinnen!« »Ah! — wie ſo? — wie ſollen wir das verſtehen?« »In Berlin giebt es ſolche Verehrer zu Dutzenden, die den Künſtlerinnen Abends nach dem Theater am Wagen eine zierliche, anbetende Verbeugung machen — und ſchon für unendlich kühn gelten, wenn ſie Sonntag Mittags nach der Kirche in feinſter Tournüre ihren Angebeteten eine Stutzviſite machen, ein Bouquet über¬ reichen oder ein Gedicht auf roſa Seidenpapier durch die Poſt überſchicken …« »Und« — fiel Witthauer faſt wehmüthig ein — »unendlich glücklich ſind, wenn ſie auf den Geburtstags¬ tiſch einer verehrten Künſtlerin einen blühenden Roſen¬ ſtock ſtellen dürfen …« Gerührt reichte ich dem treueſten der Freunde die Hand. Schon lange hatte ich bemerkt, daß ein ſchlanker, blonder und auf's Zierlichſte herausgeputzter Jüngling, der am Tiſchchen neben uns ſaß und uns durch Baron Zedlitz als Graf B. L. vorgeſtellt war, dieſem Geſpräch mit der größten Spannung — ja Verwunderung gefolgt

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/309>, abgerufen am 20.05.2024.