Lust, Strauß seine Tänze dirigiren zu sehen: den kleinen, beweglichen Mann mit der kleinen Zaubervioline in der Hand: er hüpfte, nickte, geigte, wiegte sich in zitternder Aufregung nach den berauschenden Tönen. Das Orchester leistete Vorzügliches, Oberon's Horn konnte nicht zaube¬ rischer zum Tanzen einladen.
"Wer g'fällt Ihna halt besser -- der Strauß oder der Lanner?" fragte mich unser beau.
"Ich höre Beide gleich gern -- aber tanzen möchte ich mit dem besten Tänzer nach Strauß -- mit dem liebsten nach Lanner. Die Walzer von Strauß sind frohsinniger -- die von Lanner poetischer -- gefühl¬ voller ..."
Der beau sah mich an, als wollte er sagen: "Ihr Norddeutschen seind doch halt a närrisch Volk mit eurer romantischen ewigen Lieb und poetischen gefühlvollen Musik -- i freu mi sehr, daß i a lustig Wiener bin." --
Es war die höchste Zeit, an mein kontraktlich ver¬ sprochenes Gastspiel in Pest zu denken. So hieß es denn auf einige Wochen von der lustigen Kaiserstadt an der schönen Donau scheiden. An einem flimmernden Junimorgen rollten wir also zum Thore hinaus -- Ungarn zu. Die Mutter und ich, Hündchen Cora und Papagei Coco saßen im Wagen, der Diener neben dem Postillon auf dem Bock. Die ungarischen Postillone sind flink und sehen in ihren malerischen Kostümen gar schmuck aus. Sie fahren fast ebenso toll, wie die russischen, nur daß dies auf der schmalen, hochgewölbten
Luſt, Strauß ſeine Tänze dirigiren zu ſehen: den kleinen, beweglichen Mann mit der kleinen Zaubervioline in der Hand: er hüpfte, nickte, geigte, wiegte ſich in zitternder Aufregung nach den berauſchenden Tönen. Das Orcheſter leiſtete Vorzügliches, Oberon's Horn konnte nicht zaube¬ riſcher zum Tanzen einladen.
»Wer g'fällt Ihna halt beſſer — der Strauß oder der Lanner?« fragte mich unſer beau.
»Ich höre Beide gleich gern — aber tanzen möchte ich mit dem beſten Tänzer nach Strauß — mit dem liebſten nach Lanner. Die Walzer von Strauß ſind frohſinniger — die von Lanner poetiſcher — gefühl¬ voller …«
Der beau ſah mich an, als wollte er ſagen: »Ihr Norddeutſchen ſeind doch halt a närriſch Volk mit eurer romantiſchen ewigen Lieb und poetiſchen gefühlvollen Muſik — i freu mi ſehr, daß i a luſtig Wiener bin.« —
Es war die höchſte Zeit, an mein kontraktlich ver¬ ſprochenes Gaſtſpiel in Peſt zu denken. So hieß es denn auf einige Wochen von der luſtigen Kaiſerſtadt an der ſchönen Donau ſcheiden. An einem flimmernden Junimorgen rollten wir alſo zum Thore hinaus — Ungarn zu. Die Mutter und ich, Hündchen Cora und Papagei Coco ſaßen im Wagen, der Diener neben dem Poſtillon auf dem Bock. Die ungariſchen Poſtillone ſind flink und ſehen in ihren maleriſchen Koſtümen gar ſchmuck aus. Sie fahren faſt ebenſo toll, wie die ruſſiſchen, nur daß dies auf der ſchmalen, hochgewölbten
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Luſt, Strauß ſeine Tänze dirigiren zu ſehen: den kleinen,
beweglichen Mann mit der kleinen Zaubervioline in der
Hand: er hüpfte, nickte, geigte, wiegte ſich in zitternder
Aufregung nach den berauſchenden Tönen. Das Orcheſter
leiſtete Vorzügliches, Oberon's Horn konnte nicht zaube¬
riſcher zum Tanzen einladen.
»Wer g'fällt Ihna halt beſſer — der Strauß oder
der Lanner?« fragte mich unſer beau.
»Ich höre Beide gleich gern — aber tanzen
möchte ich mit dem beſten Tänzer nach Strauß — mit
dem liebſten nach Lanner. Die Walzer von Strauß
ſind frohſinniger — die von Lanner poetiſcher — gefühl¬
voller …«
Der beau ſah mich an, als wollte er ſagen: »Ihr
Norddeutſchen ſeind doch halt a närriſch Volk mit eurer
romantiſchen ewigen Lieb und poetiſchen gefühlvollen
Muſik — i freu mi ſehr, daß i a luſtig Wiener bin.« —
Es war die höchſte Zeit, an mein kontraktlich ver¬
ſprochenes Gaſtſpiel in Peſt zu denken. So hieß es
denn auf einige Wochen von der luſtigen Kaiſerſtadt an
der ſchönen Donau ſcheiden. An einem flimmernden
Junimorgen rollten wir alſo zum Thore hinaus —
Ungarn zu. Die Mutter und ich, Hündchen Cora und
Papagei Coco ſaßen im Wagen, der Diener neben dem
Poſtillon auf dem Bock. Die ungariſchen Poſtillone
ſind flink und ſehen in ihren maleriſchen Koſtümen gar
ſchmuck aus. Sie fahren faſt ebenſo toll, wie die
ruſſiſchen, nur daß dies auf der ſchmalen, hochgewölbten
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/311>, abgerufen am 22.11.2024.
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