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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Der Kutscher starrt sie sprachlos an. Fiaker Nr. 2
wiederholt die stehende Fiakerfrage: "Fahr'n mer, Ihro
Gnad'n?"

Unermüdlich antwortet Frau von Weißenthurn auch
Nr. 2:

"Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!"
-- doch noch um einige Herzenstöne schmachtender und
mit elegischem Augen- und Schirm-Aufschlag im Kom¬
parativ, -- etwa wie Gretchen haucht:

"Ach neige,
Du schmerzensreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!"

Länger hält nun aber auch der bekannte übermüthige
Wiener Fiakerwitz nicht seine Schleusen zu -- und Fiaker
Nr. 2 macht eine Geste, als wolle er vor Schreck vom
Bock fallen, und haucht dann noch elegischer im Sonntags-
Hochdeutsch:

"Aber, mein Gott, Ihro Gnad'n, -- warum denn
ein so hingebendes Wesen?"

"Wer wollt' so dumm fragen, Tonerl, Du hörst
ja doch: sie hat einen Schirm!!!" ist die klassische
Antwort von Fiaker Nr. 1.

Das ist das Signal und von Fiaker zu Fiaker
geht es:

"Hörst, Kasperl, sie hat 'nen Schirm ..."

"No! no! wir fahr'n net, sie hat 'nen Schirm ..."

Frau von Weißenthurn sagt nichts mehr, sie seufzt
nur leise vor sich hin, huscht so schnell als möglich vor¬

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Der Kutſcher ſtarrt ſie ſprachlos an. Fiaker Nr. 2
wiederholt die ſtehende Fiakerfrage: »Fahr'n mer, Ihro
Gnad'n?«

Unermüdlich antwortet Frau von Weißenthurn auch
Nr. 2:

»Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!«
— doch noch um einige Herzenstöne ſchmachtender und
mit elegiſchem Augen- und Schirm-Aufſchlag im Kom¬
parativ, — etwa wie Gretchen haucht:

»Ach neige,
Du ſchmerzensreiche,
Dein Antlitz gnädig meiner Noth!«

Länger hält nun aber auch der bekannte übermüthige
Wiener Fiakerwitz nicht ſeine Schleuſen zu — und Fiaker
Nr. 2 macht eine Geſte, als wolle er vor Schreck vom
Bock fallen, und haucht dann noch elegiſcher im Sonntags-
Hochdeutſch:

»Aber, mein Gott, Ihro Gnad'n, — warum denn
ein ſo hingebendes Weſen?«

»Wer wollt' ſo dumm fragen, Tonerl, Du hörſt
ja doch: ſie hat einen Schirm!!!« iſt die klaſſiſche
Antwort von Fiaker Nr. 1.

Das iſt das Signal und von Fiaker zu Fiaker
geht es:

»Hörſt, Kaſperl, ſie hat 'nen Schirm …«

»No! no! wir fahr'n net, ſie hat 'nen Schirm …«

Frau von Weißenthurn ſagt nichts mehr, ſie ſeufzt
nur leiſe vor ſich hin, huſcht ſo ſchnell als möglich vor¬

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[307/0335] Der Kutſcher ſtarrt ſie ſprachlos an. Fiaker Nr. 2 wiederholt die ſtehende Fiakerfrage: »Fahr'n mer, Ihro Gnad'n?« Unermüdlich antwortet Frau von Weißenthurn auch Nr. 2: »Ich danke, mein Freund, ich habe einen Schirm!« — doch noch um einige Herzenstöne ſchmachtender und mit elegiſchem Augen- und Schirm-Aufſchlag im Kom¬ parativ, — etwa wie Gretchen haucht: »Ach neige, Du ſchmerzensreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Noth!« Länger hält nun aber auch der bekannte übermüthige Wiener Fiakerwitz nicht ſeine Schleuſen zu — und Fiaker Nr. 2 macht eine Geſte, als wolle er vor Schreck vom Bock fallen, und haucht dann noch elegiſcher im Sonntags- Hochdeutſch: »Aber, mein Gott, Ihro Gnad'n, — warum denn ein ſo hingebendes Weſen?« »Wer wollt' ſo dumm fragen, Tonerl, Du hörſt ja doch: ſie hat einen Schirm!!!« iſt die klaſſiſche Antwort von Fiaker Nr. 1. Das iſt das Signal und von Fiaker zu Fiaker geht es: »Hörſt, Kaſperl, ſie hat 'nen Schirm …« »No! no! wir fahr'n net, ſie hat 'nen Schirm …« Frau von Weißenthurn ſagt nichts mehr, ſie ſeufzt nur leiſe vor ſich hin, huſcht ſo ſchnell als möglich vor¬ 20 *

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/335>, abgerufen am 22.11.2024.