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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Der Hofrath wohnte sehr hoch, die Treppen nahmen
gar kein Ende. Böttiger bewillkommte mich wie eine
liebe Bekannte. Er bot das Bild eines vollkommen
glücklichen Greises. Er hatte gutmüthige Züge, ein
immerwährendes mildes Lächeln auf den Lippen und kleine,
helle Aeuglein, welche klug, manchmal forschend blickten;
Böttiger war damals bereits 74 Jahre alt.

"Waren Sie schon bei Tieck?" war eine seiner ersten
Fragen, als er hörte, daß ich in Dresden gern ein Enga¬
gement annehmen würde.

"Nein, Herr Hofrath, ich wollte erst Hofrath Wink¬
ler (Theodor Hell) besuchen, den ich bei Clauren in Berlin
kennen lernte, und ihn bitten, mich bei Tieck einzuführen!"

Da machte der alte Herr ein kurioses Gesicht, das
ich später erst verstehen sollte. Er sagte aber harmlos:

"Es trifft sich augenblicklich sehr günstig für Ihre
Wünsche. Die Rettich will nicht hier bleiben; ihr Mann
kann Karl Devrient nicht ersetzen, das Publikum behandelt
ihn mit eisiger Kälte, und -- -- mit Tieck hat die
Freundschaft auch längst aufgehört! Er lobt sie gar nicht
mehr!"

"Seine so geliebte Schülerin? wie ist das möglich?"
rief ich verwundert.

"Hm! Die Schülerin ist selbstständig geworden,
keine geistige Sklavin mehr, kann auch nicht mehr zwei-
bis dreimal in der Woche vorlesen hören ..."

"Dreimal in einer Woche? Herr Hofrath! wie wird
es dann meiner armen Mutter ergehen? Bei Holtei's

Erinnerungen etc. 22

Der Hofrath wohnte ſehr hoch, die Treppen nahmen
gar kein Ende. Böttiger bewillkommte mich wie eine
liebe Bekannte. Er bot das Bild eines vollkommen
glücklichen Greiſes. Er hatte gutmüthige Züge, ein
immerwährendes mildes Lächeln auf den Lippen und kleine,
helle Aeuglein, welche klug, manchmal forſchend blickten;
Böttiger war damals bereits 74 Jahre alt.

»Waren Sie ſchon bei Tieck?« war eine ſeiner erſten
Fragen, als er hörte, daß ich in Dresden gern ein Enga¬
gement annehmen würde.

»Nein, Herr Hofrath, ich wollte erſt Hofrath Wink¬
ler (Theodor Hell) beſuchen, den ich bei Clauren in Berlin
kennen lernte, und ihn bitten, mich bei Tieck einzuführen!«

Da machte der alte Herr ein kurioſes Geſicht, das
ich ſpäter erſt verſtehen ſollte. Er ſagte aber harmlos:

»Es trifft ſich augenblicklich ſehr günſtig für Ihre
Wünſche. Die Rettich will nicht hier bleiben; ihr Mann
kann Karl Devrient nicht erſetzen, das Publikum behandelt
ihn mit eiſiger Kälte, und — — mit Tieck hat die
Freundſchaft auch längſt aufgehört! Er lobt ſie gar nicht
mehr!«

»Seine ſo geliebte Schülerin? wie iſt das möglich?«
rief ich verwundert.

»Hm! Die Schülerin iſt ſelbſtſtändig geworden,
keine geiſtige Sklavin mehr, kann auch nicht mehr zwei-
bis dreimal in der Woche vorleſen hören …«

»Dreimal in einer Woche? Herr Hofrath! wie wird
es dann meiner armen Mutter ergehen? Bei Holtei's

Erinnerungen ꝛc. 22
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[337/0365] Der Hofrath wohnte ſehr hoch, die Treppen nahmen gar kein Ende. Böttiger bewillkommte mich wie eine liebe Bekannte. Er bot das Bild eines vollkommen glücklichen Greiſes. Er hatte gutmüthige Züge, ein immerwährendes mildes Lächeln auf den Lippen und kleine, helle Aeuglein, welche klug, manchmal forſchend blickten; Böttiger war damals bereits 74 Jahre alt. »Waren Sie ſchon bei Tieck?« war eine ſeiner erſten Fragen, als er hörte, daß ich in Dresden gern ein Enga¬ gement annehmen würde. »Nein, Herr Hofrath, ich wollte erſt Hofrath Wink¬ ler (Theodor Hell) beſuchen, den ich bei Clauren in Berlin kennen lernte, und ihn bitten, mich bei Tieck einzuführen!« Da machte der alte Herr ein kurioſes Geſicht, das ich ſpäter erſt verſtehen ſollte. Er ſagte aber harmlos: »Es trifft ſich augenblicklich ſehr günſtig für Ihre Wünſche. Die Rettich will nicht hier bleiben; ihr Mann kann Karl Devrient nicht erſetzen, das Publikum behandelt ihn mit eiſiger Kälte, und — — mit Tieck hat die Freundſchaft auch längſt aufgehört! Er lobt ſie gar nicht mehr!« »Seine ſo geliebte Schülerin? wie iſt das möglich?« rief ich verwundert. »Hm! Die Schülerin iſt ſelbſtſtändig geworden, keine geiſtige Sklavin mehr, kann auch nicht mehr zwei- bis dreimal in der Woche vorleſen hören …« »Dreimal in einer Woche? Herr Hofrath! wie wird es dann meiner armen Mutter ergehen? Bei Holtei's Erinnerungen ꝛc. 22

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/365>, abgerufen am 22.11.2024.