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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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vortrefflichen Vorlesungen in Berlin hatte sie stets mit
dem Einnicken zu kämpfen, und mehrere Damen ent¬
schlummerten sanft, sich gegenseitig entschuldigend: Der
Geist sei willig gewesen, aber die Nerven zu schwach!"

Böttiger lächelte nicht ganz so harmlos, wie vorhin!

So ist es schon Manchem bei Tieck ergangen. Als
die berühmte Sophie Müller und ihr Vater Tieck's Vor¬
lesung von Macbeth hörten, saß die Tochter zu entfernt,
um den Vater munter erhalten zu können. Da -- am
Schluß beim Stühlerücken erwacht der alte Müller,
klatscht überlaut in die Hände und ruft: "Bravo, bravo!
köstlicher Humor! ..." -- Das Entsetzen der Gäste können
Sie sich vorstellen. Sophie Müller fiel beinahe in Ohn¬
macht, und soll den andern Morgen auf der Probe noch
ganz alterirt gewesen sein." Ich lachte herzlich mit und
beschloß, die Mutter zu bitten: nur -- Lustspiele bei
Tieck zu hören.

Böttiger fuhr fort:

Der Dramaturg wird also Alles thun, daß Sie für
unsere Bühne gewonnen werden, erstens, weil Sie ein
vortrefflicher Ersatz für die Rettich sind ..."

"Nicht für's Trauerspiel, Herr Hofrath," fiel ich ein.

"Aber desto mehr für's Lustspiel," -- sagte Böttiger
äußerst artig -- "wenigstens nach dem, was mein ehe¬
maliger Schüler schreibt. Nun, und dann wird Tieck
Sie auch aus Rache gegen die Rettich protegiren. Wer
Tieck's Eigenliebe verletzt, wird verbannt! Doch Sie
waren ja nicht seine Schülerin. Seien Sie also getrost,

vortrefflichen Vorleſungen in Berlin hatte ſie ſtets mit
dem Einnicken zu kämpfen, und mehrere Damen ent¬
ſchlummerten ſanft, ſich gegenſeitig entſchuldigend: Der
Geiſt ſei willig geweſen, aber die Nerven zu ſchwach!«

Böttiger lächelte nicht ganz ſo harmlos, wie vorhin!

So iſt es ſchon Manchem bei Tieck ergangen. Als
die berühmte Sophie Müller und ihr Vater Tieck's Vor¬
leſung von Macbeth hörten, ſaß die Tochter zu entfernt,
um den Vater munter erhalten zu können. Da — am
Schluß beim Stühlerücken erwacht der alte Müller,
klatſcht überlaut in die Hände und ruft: »Bravo, bravo!
köſtlicher Humor! …« — Das Entſetzen der Gäſte können
Sie ſich vorſtellen. Sophie Müller fiel beinahe in Ohn¬
macht, und ſoll den andern Morgen auf der Probe noch
ganz alterirt geweſen ſein.« Ich lachte herzlich mit und
beſchloß, die Mutter zu bitten: nur — Luſtſpiele bei
Tieck zu hören.

Böttiger fuhr fort:

Der Dramaturg wird alſo Alles thun, daß Sie für
unſere Bühne gewonnen werden, erſtens, weil Sie ein
vortrefflicher Erſatz für die Rettich ſind …«

»Nicht für's Trauerſpiel, Herr Hofrath,« fiel ich ein.

»Aber deſto mehr für's Luſtſpiel,« — ſagte Böttiger
äußerſt artig — »wenigſtens nach dem, was mein ehe¬
maliger Schüler ſchreibt. Nun, und dann wird Tieck
Sie auch aus Rache gegen die Rettich protegiren. Wer
Tieck's Eigenliebe verletzt, wird verbannt! Doch Sie
waren ja nicht ſeine Schülerin. Seien Sie alſo getroſt,

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[338/0366] vortrefflichen Vorleſungen in Berlin hatte ſie ſtets mit dem Einnicken zu kämpfen, und mehrere Damen ent¬ ſchlummerten ſanft, ſich gegenſeitig entſchuldigend: Der Geiſt ſei willig geweſen, aber die Nerven zu ſchwach!« Böttiger lächelte nicht ganz ſo harmlos, wie vorhin! So iſt es ſchon Manchem bei Tieck ergangen. Als die berühmte Sophie Müller und ihr Vater Tieck's Vor¬ leſung von Macbeth hörten, ſaß die Tochter zu entfernt, um den Vater munter erhalten zu können. Da — am Schluß beim Stühlerücken erwacht der alte Müller, klatſcht überlaut in die Hände und ruft: »Bravo, bravo! köſtlicher Humor! …« — Das Entſetzen der Gäſte können Sie ſich vorſtellen. Sophie Müller fiel beinahe in Ohn¬ macht, und ſoll den andern Morgen auf der Probe noch ganz alterirt geweſen ſein.« Ich lachte herzlich mit und beſchloß, die Mutter zu bitten: nur — Luſtſpiele bei Tieck zu hören. Böttiger fuhr fort: Der Dramaturg wird alſo Alles thun, daß Sie für unſere Bühne gewonnen werden, erſtens, weil Sie ein vortrefflicher Erſatz für die Rettich ſind …« »Nicht für's Trauerſpiel, Herr Hofrath,« fiel ich ein. »Aber deſto mehr für's Luſtſpiel,« — ſagte Böttiger äußerſt artig — »wenigſtens nach dem, was mein ehe¬ maliger Schüler ſchreibt. Nun, und dann wird Tieck Sie auch aus Rache gegen die Rettich protegiren. Wer Tieck's Eigenliebe verletzt, wird verbannt! Doch Sie waren ja nicht ſeine Schülerin. Seien Sie alſo getroſt,

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/366>, abgerufen am 22.11.2024.