Mlle. Mars gerade in diesen Rollen bewundert, -- ja studirt und mir Manches anzupassen gesucht."
"Vortrefflich, charmant!" rief Winkler freudestrahlend ... "Aber Tieck müssen Sie bald besuchen," setzte er bedächtiger hinzu -- "wer geleitet Sie aber zu Tieck? Es ist wirklich recht fatal, daß ich augenblicklich mit ihm -- gespannt bin ..."
"Sie auch?" rief ich, jetzt wirklich erschrocken ... "Sie sind schon der Dritte, von dem ich heute Morgen höre, daß er mit Tieck auf gespanntem Fuße steht -- erst die Rettich -- dann Hofrath Böttiger und ..."
"Und noch so Viele, Viele!" lachte er bitter. "Emil Devrient, Pauli, Werdy wohnen auch keinen Vorlesungen Tieck's mehr bei -- und das ist stets das sicherste Zeichen, daß der alte Dramaturg grollt -- oder daß seine Günst¬ linge ein Haar in -- den ewigen Vorlesungen gefunden haben ... Doch, davon erzähle ich, Ihnen später einmal ausführlicher ..."
Winkler, damals fast sechzig Jahre alt, war seit Berlin womöglich noch häßlicher geworden. Aber man vergaß diese Häßlichkeit sogleich über seiner heiteren Liebenswürdigkeit. Er erblickte Alles im rosenfarbensten Lichte.
Bei der Mutter traf ich einen alten Freund aus Karlsruhe, Baron Sternberg. Seine Tochter war meine Duzfreundin; in seinem Hause hatte ich manche frohe Stunde verlebt. Als früherer Intendant des vortreff¬ lichen Manheimer Theaters interessirte er sich noch im¬
Mlle. Mars gerade in dieſen Rollen bewundert, — ja ſtudirt und mir Manches anzupaſſen geſucht.«
»Vortrefflich, charmant!« rief Winkler freudeſtrahlend … »Aber Tieck müſſen Sie bald beſuchen,« ſetzte er bedächtiger hinzu — »wer geleitet Sie aber zu Tieck? Es iſt wirklich recht fatal, daß ich augenblicklich mit ihm — geſpannt bin …«
»Sie auch?« rief ich, jetzt wirklich erſchrocken … »Sie ſind ſchon der Dritte, von dem ich heute Morgen höre, daß er mit Tieck auf geſpanntem Fuße ſteht — erſt die Rettich — dann Hofrath Böttiger und …«
»Und noch ſo Viele, Viele!« lachte er bitter. »Emil Devrient, Pauli, Werdy wohnen auch keinen Vorleſungen Tieck's mehr bei — und das iſt ſtets das ſicherſte Zeichen, daß der alte Dramaturg grollt — oder daß ſeine Günſt¬ linge ein Haar in — den ewigen Vorleſungen gefunden haben … Doch, davon erzähle ich, Ihnen ſpäter einmal ausführlicher …«
Winkler, damals faſt ſechzig Jahre alt, war ſeit Berlin womöglich noch häßlicher geworden. Aber man vergaß dieſe Häßlichkeit ſogleich über ſeiner heiteren Liebenswürdigkeit. Er erblickte Alles im roſenfarbenſten Lichte.
Bei der Mutter traf ich einen alten Freund aus Karlsruhe, Baron Sternberg. Seine Tochter war meine Duzfreundin; in ſeinem Hauſe hatte ich manche frohe Stunde verlebt. Als früherer Intendant des vortreff¬ lichen Manheimer Theaters intereſſirte er ſich noch im¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0370"n="342"/>
Mlle. Mars gerade in dieſen Rollen bewundert, — ja<lb/>ſtudirt und mir Manches anzupaſſen geſucht.«</p><lb/><p>»Vortrefflich, charmant!« rief Winkler freudeſtrahlend<lb/>… »Aber Tieck müſſen Sie bald beſuchen,« ſetzte er<lb/>
bedächtiger hinzu — »wer geleitet Sie aber zu Tieck?<lb/>
Es iſt wirklich recht fatal, daß ich augenblicklich mit<lb/>
ihm — geſpannt bin …«</p><lb/><p>»Sie auch?« rief ich, jetzt wirklich erſchrocken …<lb/>
»Sie ſind ſchon der Dritte, von dem ich heute Morgen<lb/>
höre, daß er mit Tieck auf geſpanntem Fuße ſteht —<lb/>
erſt die Rettich — dann Hofrath Böttiger und …«</p><lb/><p>»Und noch ſo Viele, Viele!« lachte er bitter. »Emil<lb/>
Devrient, Pauli, Werdy wohnen auch keinen Vorleſungen<lb/>
Tieck's mehr bei — und das iſt ſtets das ſicherſte Zeichen,<lb/>
daß der alte Dramaturg grollt — oder daß ſeine Günſt¬<lb/>
linge ein Haar in — den ewigen Vorleſungen gefunden<lb/>
haben … Doch, davon erzähle ich, Ihnen ſpäter einmal<lb/>
ausführlicher …«</p><lb/><p>Winkler, damals faſt ſechzig Jahre alt, war ſeit<lb/>
Berlin womöglich noch häßlicher geworden. Aber man<lb/>
vergaß dieſe Häßlichkeit ſogleich über ſeiner heiteren<lb/>
Liebenswürdigkeit. Er erblickte Alles im roſenfarbenſten<lb/>
Lichte.</p><lb/><p>Bei der Mutter traf ich einen alten Freund aus<lb/>
Karlsruhe, Baron Sternberg. Seine Tochter war meine<lb/>
Duzfreundin; in ſeinem Hauſe hatte ich manche frohe<lb/>
Stunde verlebt. Als früherer Intendant des vortreff¬<lb/>
lichen Manheimer Theaters intereſſirte er ſich noch im¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[342/0370]
Mlle. Mars gerade in dieſen Rollen bewundert, — ja
ſtudirt und mir Manches anzupaſſen geſucht.«
»Vortrefflich, charmant!« rief Winkler freudeſtrahlend
… »Aber Tieck müſſen Sie bald beſuchen,« ſetzte er
bedächtiger hinzu — »wer geleitet Sie aber zu Tieck?
Es iſt wirklich recht fatal, daß ich augenblicklich mit
ihm — geſpannt bin …«
»Sie auch?« rief ich, jetzt wirklich erſchrocken …
»Sie ſind ſchon der Dritte, von dem ich heute Morgen
höre, daß er mit Tieck auf geſpanntem Fuße ſteht —
erſt die Rettich — dann Hofrath Böttiger und …«
»Und noch ſo Viele, Viele!« lachte er bitter. »Emil
Devrient, Pauli, Werdy wohnen auch keinen Vorleſungen
Tieck's mehr bei — und das iſt ſtets das ſicherſte Zeichen,
daß der alte Dramaturg grollt — oder daß ſeine Günſt¬
linge ein Haar in — den ewigen Vorleſungen gefunden
haben … Doch, davon erzähle ich, Ihnen ſpäter einmal
ausführlicher …«
Winkler, damals faſt ſechzig Jahre alt, war ſeit
Berlin womöglich noch häßlicher geworden. Aber man
vergaß dieſe Häßlichkeit ſogleich über ſeiner heiteren
Liebenswürdigkeit. Er erblickte Alles im roſenfarbenſten
Lichte.
Bei der Mutter traf ich einen alten Freund aus
Karlsruhe, Baron Sternberg. Seine Tochter war meine
Duzfreundin; in ſeinem Hauſe hatte ich manche frohe
Stunde verlebt. Als früherer Intendant des vortreff¬
lichen Manheimer Theaters intereſſirte er ſich noch im¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/370>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.