wünschen die werthen Gäste heute zu hören?" -- und von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günst¬ lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬ bogenseufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen Gesumm Worte: "Bitte, goldigster Herr Hofrath, ein Lustspiel, wenn's sein kann Holberg's "Wochenstube" -- ich habe so lange nicht recht von Herzen gelacht ..." Dann drohte er wohl mit seinem köstlichen Lächeln schalkhaft mit dem Finger: "Wer Ihnen das glaubte, Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenschein, so können Sie ja keinen Tag ohne Lachen existiren. Nun denn, Sie sollen heut Abend einmal lachen, so recht frisch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch selber so gern ..." Wir waren vor den Heinrichen und den Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Lustspiel und in kleinem Kreise auch wohl "Die Wochenstube".
Das närrische Stück, ein echtes prächtiges Bild aus der lieben deutschen Kleinstädterei, ist leider ganz von der Bühne verschwunden und hat unsauberem Possenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht. Auch der Inhalt wird schwerlich vielen meiner Leser bekannt sein.
Eine Wöchnerin empfängt die ersten Staatsvisiten und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und traktiren -- so verlangt es der gute Ton des Städtchens. Den Reigen eröffnet eine sehr schüchterne Dame, die kaum ein Wort herausbringt, -- dann folgt eine Klatsch¬ schwester, wie sie im Buche steht, daß der armen jungen
wünſchen die werthen Gäſte heute zu hören?« — und von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günſt¬ lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬ bogenſeufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen Geſumm Worte: »Bitte, goldigſter Herr Hofrath, ein Luſtſpiel, wenn's ſein kann Holberg's »Wochenſtube« — ich habe ſo lange nicht recht von Herzen gelacht …« Dann drohte er wohl mit ſeinem köſtlichen Lächeln ſchalkhaft mit dem Finger: »Wer Ihnen das glaubte, Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenſchein, ſo können Sie ja keinen Tag ohne Lachen exiſtiren. Nun denn, Sie ſollen heut Abend einmal lachen, ſo recht friſch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch ſelber ſo gern …« Wir waren vor den Heinrichen und den Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Luſtſpiel und in kleinem Kreiſe auch wohl »Die Wochenſtube«.
Das närriſche Stück, ein echtes prächtiges Bild aus der lieben deutſchen Kleinſtädterei, iſt leider ganz von der Bühne verſchwunden und hat unſauberem Poſſenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht. Auch der Inhalt wird ſchwerlich vielen meiner Leſer bekannt ſein.
Eine Wöchnerin empfängt die erſten Staatsviſiten und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und traktiren — ſo verlangt es der gute Ton des Städtchens. Den Reigen eröffnet eine ſehr ſchüchterne Dame, die kaum ein Wort herausbringt, — dann folgt eine Klatſch¬ ſchweſter, wie ſie im Buche ſteht, daß der armen jungen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0427"n="399"/>
wünſchen die werthen Gäſte heute zu hören?« — und<lb/>
von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günſt¬<lb/>
lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬<lb/>
bogenſeufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen<lb/>
Geſumm Worte: »Bitte, goldigſter Herr Hofrath, ein<lb/>
Luſtſpiel, wenn's ſein kann Holberg's »Wochenſtube« —<lb/>
ich habe ſo lange nicht recht von Herzen gelacht …«<lb/>
Dann drohte er wohl mit ſeinem köſtlichen Lächeln<lb/>ſchalkhaft mit dem Finger: »Wer Ihnen das glaubte,<lb/>
Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenſchein,<lb/>ſo können Sie ja keinen Tag ohne Lachen exiſtiren.<lb/>
Nun denn, Sie ſollen heut Abend einmal lachen, ſo<lb/>
recht friſch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch ſelber<lb/>ſo gern …« Wir waren vor den Heinrichen und den<lb/>
Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Luſtſpiel<lb/>
und in kleinem Kreiſe auch wohl »Die Wochenſtube«.</p><lb/><p>Das närriſche Stück, ein echtes prächtiges Bild<lb/>
aus der lieben deutſchen Kleinſtädterei, iſt leider ganz<lb/>
von der Bühne verſchwunden und hat unſauberem<lb/>
Poſſenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht.<lb/>
Auch der Inhalt wird ſchwerlich vielen meiner Leſer<lb/>
bekannt ſein.</p><lb/><p>Eine Wöchnerin empfängt die erſten Staatsviſiten<lb/>
und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und<lb/>
traktiren —ſo verlangt es der gute Ton des Städtchens.<lb/>
Den Reigen eröffnet eine ſehr ſchüchterne Dame, die<lb/>
kaum ein Wort herausbringt, — dann folgt eine Klatſch¬<lb/>ſchweſter, wie ſie im Buche ſteht, daß der armen jungen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[399/0427]
wünſchen die werthen Gäſte heute zu hören?« — und
von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günſt¬
lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬
bogenſeufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen
Geſumm Worte: »Bitte, goldigſter Herr Hofrath, ein
Luſtſpiel, wenn's ſein kann Holberg's »Wochenſtube« —
ich habe ſo lange nicht recht von Herzen gelacht …«
Dann drohte er wohl mit ſeinem köſtlichen Lächeln
ſchalkhaft mit dem Finger: »Wer Ihnen das glaubte,
Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenſchein,
ſo können Sie ja keinen Tag ohne Lachen exiſtiren.
Nun denn, Sie ſollen heut Abend einmal lachen, ſo
recht friſch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch ſelber
ſo gern …« Wir waren vor den Heinrichen und den
Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Luſtſpiel
und in kleinem Kreiſe auch wohl »Die Wochenſtube«.
Das närriſche Stück, ein echtes prächtiges Bild
aus der lieben deutſchen Kleinſtädterei, iſt leider ganz
von der Bühne verſchwunden und hat unſauberem
Poſſenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht.
Auch der Inhalt wird ſchwerlich vielen meiner Leſer
bekannt ſein.
Eine Wöchnerin empfängt die erſten Staatsviſiten
und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und
traktiren — ſo verlangt es der gute Ton des Städtchens.
Den Reigen eröffnet eine ſehr ſchüchterne Dame, die
kaum ein Wort herausbringt, — dann folgt eine Klatſch¬
ſchweſter, wie ſie im Buche ſteht, daß der armen jungen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/427>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.