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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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wünschen die werthen Gäste heute zu hören?" -- und
von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günst¬
lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬
bogenseufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen
Gesumm Worte: "Bitte, goldigster Herr Hofrath, ein
Lustspiel, wenn's sein kann Holberg's "Wochenstube" --
ich habe so lange nicht recht von Herzen gelacht ..."
Dann drohte er wohl mit seinem köstlichen Lächeln
schalkhaft mit dem Finger: "Wer Ihnen das glaubte,
Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenschein,
so können Sie ja keinen Tag ohne Lachen existiren.
Nun denn, Sie sollen heut Abend einmal lachen, so
recht frisch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch selber
so gern ..." Wir waren vor den Heinrichen und den
Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Lustspiel
und in kleinem Kreise auch wohl "Die Wochenstube".

Das närrische Stück, ein echtes prächtiges Bild
aus der lieben deutschen Kleinstädterei, ist leider ganz
von der Bühne verschwunden und hat unsauberem
Possenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht.
Auch der Inhalt wird schwerlich vielen meiner Leser
bekannt sein.

Eine Wöchnerin empfängt die ersten Staatsvisiten
und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und
traktiren -- so verlangt es der gute Ton des Städtchens.
Den Reigen eröffnet eine sehr schüchterne Dame, die
kaum ein Wort herausbringt, -- dann folgt eine Klatsch¬
schwester, wie sie im Buche steht, daß der armen jungen

wünſchen die werthen Gäſte heute zu hören?« — und
von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günſt¬
lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬
bogenſeufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen
Geſumm Worte: »Bitte, goldigſter Herr Hofrath, ein
Luſtſpiel, wenn's ſein kann Holberg's »Wochenſtube« —
ich habe ſo lange nicht recht von Herzen gelacht …«
Dann drohte er wohl mit ſeinem köſtlichen Lächeln
ſchalkhaft mit dem Finger: »Wer Ihnen das glaubte,
Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenſchein,
ſo können Sie ja keinen Tag ohne Lachen exiſtiren.
Nun denn, Sie ſollen heut Abend einmal lachen, ſo
recht friſch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch ſelber
ſo gern …« Wir waren vor den Heinrichen und den
Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Luſtſpiel
und in kleinem Kreiſe auch wohl »Die Wochenſtube«.

Das närriſche Stück, ein echtes prächtiges Bild
aus der lieben deutſchen Kleinſtädterei, iſt leider ganz
von der Bühne verſchwunden und hat unſauberem
Poſſenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht.
Auch der Inhalt wird ſchwerlich vielen meiner Leſer
bekannt ſein.

Eine Wöchnerin empfängt die erſten Staatsviſiten
und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und
traktiren — ſo verlangt es der gute Ton des Städtchens.
Den Reigen eröffnet eine ſehr ſchüchterne Dame, die
kaum ein Wort herausbringt, — dann folgt eine Klatſch¬
ſchweſter, wie ſie im Buche ſteht, daß der armen jungen

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[399/0427] wünſchen die werthen Gäſte heute zu hören?« — und von allen Seiten wurden mir, dem verzogenen Günſt¬ lings, flehentliche Blicke zugeworfen und gelinde Ell¬ bogenſeufzer eingebohrt, und ich gab dem allgemeinen Geſumm Worte: »Bitte, goldigſter Herr Hofrath, ein Luſtſpiel, wenn's ſein kann Holberg's »Wochenſtube« — ich habe ſo lange nicht recht von Herzen gelacht …« Dann drohte er wohl mit ſeinem köſtlichen Lächeln ſchalkhaft mit dem Finger: »Wer Ihnen das glaubte, Uebermuth! Wie die Blume nicht ohne Sonnenſchein, ſo können Sie ja keinen Tag ohne Lachen exiſtiren. Nun denn, Sie ſollen heut Abend einmal lachen, ſo recht friſch und herzfröhlich hell, hör' ich's doch ſelber ſo gern …« Wir waren vor den Heinrichen und den Spaniern gerettet und er las uns ein tolles Luſtſpiel und in kleinem Kreiſe auch wohl »Die Wochenſtube«. Das närriſche Stück, ein echtes prächtiges Bild aus der lieben deutſchen Kleinſtädterei, iſt leider ganz von der Bühne verſchwunden und hat unſauberem Poſſenkram und Offenbach's Frivolitäten Platz gemacht. Auch der Inhalt wird ſchwerlich vielen meiner Leſer bekannt ſein. Eine Wöchnerin empfängt die erſten Staatsviſiten und muß Alle liebenswürdig begrüßen, unterhalten und traktiren — ſo verlangt es der gute Ton des Städtchens. Den Reigen eröffnet eine ſehr ſchüchterne Dame, die kaum ein Wort herausbringt, — dann folgt eine Klatſch¬ ſchweſter, wie ſie im Buche ſteht, daß der armen jungen

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/427>, abgerufen am 22.11.2024.