rächte mich durch das Aufbieten meiner ganzen Tanzkunst und die unbefangenste, heiterste Konversation mit meinem kühnen Tänzer ... und bald war in die so schön ge¬ schlossene hochadelige Phalanx für immer eine Bresche getanzt -- durch eine Schauspielerin.
Erst in Berlin begriff ich, daß Geist und Gemüth, erfrischende Geselligkeit, herzliches Entgegenkommen, lie¬ benswürdige Gastfreundschaft in Karlsruhe um's Jahr 1823 gar nicht existirten.
Und mein Sehnen, aus diesen kleinlichen Verhält¬ nissen fortzukommen, sollte früher erfüllt werden, als ich selbst zu hoffen gewagt.
In der Probe zu Kotzebue's "Wirrwarr" sah ich neben dem Regisseur Mittel einen ältlichen Herrn mit wohlwollendem Gesicht und feinen Manieren. Ich hörte, es sei Heinrich Bethmann, der liebenswürdige Schau¬ spieler und Gatte der so früh verstorbenen berühmten Friederike Unzelmann-Bethmann. Zum Direktor des in Berlin von reichen Aktionären neu gegründeten "König¬ städter Theaters" gewählt, machte er jetzt eine große Rundreise, um von den deutschen Bühnen für das neue Unternehmen die besten Kräfte zu gewinnen. Auf dieser Tour hatte er sich bereits den Namen "Bühnen-Pirat" erworben, den er mit großem Stolz trug.
"O, wenn er doch auch mich wegkapern wollte!" dachte ich sehnsüchtig -- und war während der ganzen Probe zerstreut ... Und als ich nach Hause kam, saß der Pirat traulich neben der Mutter auf dem Sopha
rächte mich durch das Aufbieten meiner ganzen Tanzkunſt und die unbefangenſte, heiterſte Konverſation mit meinem kühnen Tänzer … und bald war in die ſo ſchön ge¬ ſchloſſene hochadelige Phalanx für immer eine Breſche getanzt — durch eine Schauſpielerin.
Erſt in Berlin begriff ich, daß Geiſt und Gemüth, erfriſchende Geſelligkeit, herzliches Entgegenkommen, lie¬ benswürdige Gaſtfreundſchaft in Karlsruhe um's Jahr 1823 gar nicht exiſtirten.
Und mein Sehnen, aus dieſen kleinlichen Verhält¬ niſſen fortzukommen, ſollte früher erfüllt werden, als ich ſelbſt zu hoffen gewagt.
In der Probe zu Kotzebue's »Wirrwarr« ſah ich neben dem Regiſſeur Mittel einen ältlichen Herrn mit wohlwollendem Geſicht und feinen Manieren. Ich hörte, es ſei Heinrich Bethmann, der liebenswürdige Schau¬ ſpieler und Gatte der ſo früh verſtorbenen berühmten Friederike Unzelmann-Bethmann. Zum Direktor des in Berlin von reichen Aktionären neu gegründeten »König¬ ſtädter Theaters« gewählt, machte er jetzt eine große Rundreiſe, um von den deutſchen Bühnen für das neue Unternehmen die beſten Kräfte zu gewinnen. Auf dieſer Tour hatte er ſich bereits den Namen »Bühnen-Pirat« erworben, den er mit großem Stolz trug.
»O, wenn er doch auch mich wegkapern wollte!« dachte ich ſehnſüchtig — und war während der ganzen Probe zerſtreut … Und als ich nach Hauſe kam, ſaß der Pirat traulich neben der Mutter auf dem Sopha
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rächte mich durch das Aufbieten meiner ganzen Tanzkunſt
und die unbefangenſte, heiterſte Konverſation mit meinem
kühnen Tänzer … und bald war in die ſo ſchön ge¬
ſchloſſene hochadelige Phalanx für immer eine Breſche
getanzt — durch eine Schauſpielerin.
Erſt in Berlin begriff ich, daß Geiſt und Gemüth,
erfriſchende Geſelligkeit, herzliches Entgegenkommen, lie¬
benswürdige Gaſtfreundſchaft in Karlsruhe um's Jahr
1823 gar nicht exiſtirten.
Und mein Sehnen, aus dieſen kleinlichen Verhält¬
niſſen fortzukommen, ſollte früher erfüllt werden, als
ich ſelbſt zu hoffen gewagt.
In der Probe zu Kotzebue's »Wirrwarr« ſah ich
neben dem Regiſſeur Mittel einen ältlichen Herrn mit
wohlwollendem Geſicht und feinen Manieren. Ich hörte,
es ſei Heinrich Bethmann, der liebenswürdige Schau¬
ſpieler und Gatte der ſo früh verſtorbenen berühmten
Friederike Unzelmann-Bethmann. Zum Direktor des in
Berlin von reichen Aktionären neu gegründeten »König¬
ſtädter Theaters« gewählt, machte er jetzt eine große
Rundreiſe, um von den deutſchen Bühnen für das neue
Unternehmen die beſten Kräfte zu gewinnen. Auf dieſer
Tour hatte er ſich bereits den Namen »Bühnen-Pirat«
erworben, den er mit großem Stolz trug.
»O, wenn er doch auch mich wegkapern wollte!«
dachte ich ſehnſüchtig — und war während der ganzen
Probe zerſtreut … Und als ich nach Hauſe kam, ſaß
der Pirat traulich neben der Mutter auf dem Sopha
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/59>, abgerufen am 21.11.2024.
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