Doktorin Rintel -- mein Vater ist der Direktor der Singakademie Zelter! -- Bethmann, ein Freund meines Mannes, hat Sie uns empfohlen. Er kam vor seiner schnellen Abreise noch athemlos gerannt, um dies Brief¬ chen für Sie einzuhändigen. Recht viel Liebes haben wir von der Süddeutschen vernommen; nach Kräften werden wir Ihnen beistehen!"
Da erschien mir Berlin doch schon in einem rosigeren Lichte. Wir waren nicht mehr verlassen; gute, liebe Menschen wollten sich unserer annehmen ...
Bethmann schrieb: "Um Ihretwillen, liebes Fräu¬ lein, bedaure ich hauptsächlich, Berlin so schnell verlassen zu müssen! Denn Sie sind unstreitig von den Mitglie¬ dern die Unerfahrenste im Theater-Treiben. Doch nur muthig vorwärts! -- Talent, Jugend und ernstes, eifriges Streben werden auch Ihnen helfen, im neuen Kunst¬ tempel Fuß zu fassen. Vor dem Herbst kehre ich wieder und stelle Sie meinen ehemaligen Kollegen von der könig¬ lichen Bühne vor ..."
Wie heimisch fühlten wir uns gleich bei Rintels, wie ungenirt plauderten wir zusammen, so vertrauens¬ voll, als sei es nicht das erste Mal, daß wir am Fami¬ lientisch mit ihnen Kaffee tränken. Des Doktors sanftes, würdiges Wesen beruhigte und flößte Sympathie ein. Das liebenswürdige Paar bestätigte die Versicherung Bethmann's, daß die Berliner mit Ungeduld der Er¬ öffnung des Königstädter Theaters -- damals der ein¬ zigen Bühne neben der königlichen -- entgegensähen,
Doktorin Rintel — mein Vater iſt der Direktor der Singakademie Zelter! — Bethmann, ein Freund meines Mannes, hat Sie uns empfohlen. Er kam vor ſeiner ſchnellen Abreiſe noch athemlos gerannt, um dies Brief¬ chen für Sie einzuhändigen. Recht viel Liebes haben wir von der Süddeutſchen vernommen; nach Kräften werden wir Ihnen beiſtehen!«
Da erſchien mir Berlin doch ſchon in einem roſigeren Lichte. Wir waren nicht mehr verlaſſen; gute, liebe Menſchen wollten ſich unſerer annehmen …
Bethmann ſchrieb: »Um Ihretwillen, liebes Fräu¬ lein, bedaure ich hauptſächlich, Berlin ſo ſchnell verlaſſen zu müſſen! Denn Sie ſind unſtreitig von den Mitglie¬ dern die Unerfahrenſte im Theater-Treiben. Doch nur muthig vorwärts! — Talent, Jugend und ernſtes, eifriges Streben werden auch Ihnen helfen, im neuen Kunſt¬ tempel Fuß zu faſſen. Vor dem Herbſt kehre ich wieder und ſtelle Sie meinen ehemaligen Kollegen von der könig¬ lichen Bühne vor …«
Wie heimiſch fühlten wir uns gleich bei Rintels, wie ungenirt plauderten wir zuſammen, ſo vertrauens¬ voll, als ſei es nicht das erſte Mal, daß wir am Fami¬ lientiſch mit ihnen Kaffee tränken. Des Doktors ſanftes, würdiges Weſen beruhigte und flößte Sympathie ein. Das liebenswürdige Paar beſtätigte die Verſicherung Bethmann's, daß die Berliner mit Ungeduld der Er¬ öffnung des Königſtädter Theaters — damals der ein¬ zigen Bühne neben der königlichen — entgegenſähen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="37"/>
Doktorin Rintel — mein Vater iſt der Direktor der<lb/>
Singakademie Zelter! — Bethmann, ein Freund meines<lb/>
Mannes, hat Sie uns empfohlen. Er kam vor ſeiner<lb/>ſchnellen Abreiſe noch athemlos gerannt, um dies Brief¬<lb/>
chen für Sie einzuhändigen. Recht viel Liebes haben<lb/>
wir von der Süddeutſchen vernommen; nach Kräften<lb/>
werden wir Ihnen beiſtehen!«</p><lb/><p>Da erſchien mir Berlin doch ſchon in einem roſigeren<lb/>
Lichte. Wir waren nicht mehr verlaſſen; gute, liebe<lb/>
Menſchen wollten ſich unſerer annehmen …</p><lb/><p>Bethmann ſchrieb: »Um Ihretwillen, liebes Fräu¬<lb/>
lein, bedaure ich hauptſächlich, Berlin ſo ſchnell verlaſſen<lb/>
zu müſſen! Denn Sie ſind unſtreitig von den Mitglie¬<lb/>
dern die Unerfahrenſte im Theater-Treiben. Doch nur<lb/>
muthig vorwärts! — Talent, Jugend und ernſtes, eifriges<lb/>
Streben werden auch Ihnen helfen, im neuen Kunſt¬<lb/>
tempel Fuß zu faſſen. Vor dem Herbſt kehre ich wieder<lb/>
und ſtelle Sie meinen ehemaligen Kollegen von der könig¬<lb/>
lichen Bühne vor …«</p><lb/><p>Wie heimiſch fühlten wir uns gleich bei Rintels,<lb/>
wie ungenirt plauderten wir zuſammen, ſo vertrauens¬<lb/>
voll, als ſei es nicht das erſte Mal, daß wir am Fami¬<lb/>
lientiſch mit ihnen Kaffee tränken. Des Doktors ſanftes,<lb/>
würdiges Weſen beruhigte und flößte Sympathie ein.<lb/>
Das liebenswürdige Paar beſtätigte die Verſicherung<lb/>
Bethmann's, daß die Berliner mit Ungeduld der Er¬<lb/>
öffnung des Königſtädter Theaters — damals der ein¬<lb/>
zigen Bühne neben der königlichen — entgegenſähen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[37/0065]
Doktorin Rintel — mein Vater iſt der Direktor der
Singakademie Zelter! — Bethmann, ein Freund meines
Mannes, hat Sie uns empfohlen. Er kam vor ſeiner
ſchnellen Abreiſe noch athemlos gerannt, um dies Brief¬
chen für Sie einzuhändigen. Recht viel Liebes haben
wir von der Süddeutſchen vernommen; nach Kräften
werden wir Ihnen beiſtehen!«
Da erſchien mir Berlin doch ſchon in einem roſigeren
Lichte. Wir waren nicht mehr verlaſſen; gute, liebe
Menſchen wollten ſich unſerer annehmen …
Bethmann ſchrieb: »Um Ihretwillen, liebes Fräu¬
lein, bedaure ich hauptſächlich, Berlin ſo ſchnell verlaſſen
zu müſſen! Denn Sie ſind unſtreitig von den Mitglie¬
dern die Unerfahrenſte im Theater-Treiben. Doch nur
muthig vorwärts! — Talent, Jugend und ernſtes, eifriges
Streben werden auch Ihnen helfen, im neuen Kunſt¬
tempel Fuß zu faſſen. Vor dem Herbſt kehre ich wieder
und ſtelle Sie meinen ehemaligen Kollegen von der könig¬
lichen Bühne vor …«
Wie heimiſch fühlten wir uns gleich bei Rintels,
wie ungenirt plauderten wir zuſammen, ſo vertrauens¬
voll, als ſei es nicht das erſte Mal, daß wir am Fami¬
lientiſch mit ihnen Kaffee tränken. Des Doktors ſanftes,
würdiges Weſen beruhigte und flößte Sympathie ein.
Das liebenswürdige Paar beſtätigte die Verſicherung
Bethmann's, daß die Berliner mit Ungeduld der Er¬
öffnung des Königſtädter Theaters — damals der ein¬
zigen Bühne neben der königlichen — entgegenſähen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/65>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.