Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

und das Publikum sich freue auf die heiteren Lebens¬
bilder; -- denn nur Lustspielen, Lokalpossen, Operetten
solle die neue Bühne geweiht sein, höchstens dürften
dann und wann Melodramas ihre düsteren Schatten
werfen. Der König hätte gern dem Kommerzienrath
Cerf die Konzession zum Bau eines zweiten Theaters
ertheilt, da beim königlichen Theater das klassische Re¬
pertoir vorherrsche und der König heitere Lebensbilder
im Volkston besonders liebe.

"Aber warum läßt der König denn nicht seine Lieb¬
lingsstücke auf seiner Bühne spielen?"

"Nein, Friedrich Wilhelm der Gerechte hat mehr
als einmal gesagt: Ich will meinen Geschmack dem
Publikum nicht aufdrängen; -- und Graf Brühl, der
Intendant, soll in Ruhe gelassen werden!"

Baron Biedenfeld machte uns seinen Besuch. Der
Vize-Direktor trug einen verstümmelten Arm in schwarz¬
seidener Binde; die Orden auf seiner Brust erklärten uns,
wie er zum Krüppel geworden. Der Mutter und mir
stiegen die Thränen in's Auge -- -- wir dachten an
meinen Vater, der aus jenen Schlachten für's Vaterland
nicht wiederkehren durfte. Der Baron mochte wohl vier¬
zig Jahre zählen und hatte angenehme, intelligente Züge.
Er zeigte sich als feingebildeter Mann und plauderte
bald gemüthlich in Wiener Mundart. Er lud uns freund¬
lich ein, ihn nach Hause zu Frau und Tochter zum Mit¬
tagessen zu begleiten. Wir würden dort auch seinen
Schwiegersohn Spitzeder kennen lernen.

und das Publikum ſich freue auf die heiteren Lebens¬
bilder; — denn nur Luſtſpielen, Lokalpoſſen, Operetten
ſolle die neue Bühne geweiht ſein, höchſtens dürften
dann und wann Melodramas ihre düſteren Schatten
werfen. Der König hätte gern dem Kommerzienrath
Cerf die Konzeſſion zum Bau eines zweiten Theaters
ertheilt, da beim königlichen Theater das klaſſiſche Re¬
pertoir vorherrſche und der König heitere Lebensbilder
im Volkston beſonders liebe.

»Aber warum läßt der König denn nicht ſeine Lieb¬
lingsſtücke auf ſeiner Bühne ſpielen?«

»Nein, Friedrich Wilhelm der Gerechte hat mehr
als einmal geſagt: Ich will meinen Geſchmack dem
Publikum nicht aufdrängen; — und Graf Brühl, der
Intendant, ſoll in Ruhe gelaſſen werden!«

Baron Biedenfeld machte uns ſeinen Beſuch. Der
Vize-Direktor trug einen verſtümmelten Arm in ſchwarz¬
ſeidener Binde; die Orden auf ſeiner Bruſt erklärten uns,
wie er zum Krüppel geworden. Der Mutter und mir
ſtiegen die Thränen in's Auge — — wir dachten an
meinen Vater, der aus jenen Schlachten für's Vaterland
nicht wiederkehren durfte. Der Baron mochte wohl vier¬
zig Jahre zählen und hatte angenehme, intelligente Züge.
Er zeigte ſich als feingebildeter Mann und plauderte
bald gemüthlich in Wiener Mundart. Er lud uns freund¬
lich ein, ihn nach Hauſe zu Frau und Tochter zum Mit¬
tageſſen zu begleiten. Wir würden dort auch ſeinen
Schwiegerſohn Spitzeder kennen lernen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="38"/>
und das Publikum &#x017F;ich freue auf die heiteren Lebens¬<lb/>
bilder; &#x2014; denn nur Lu&#x017F;t&#x017F;pielen, Lokalpo&#x017F;&#x017F;en, Operetten<lb/>
&#x017F;olle die neue Bühne geweiht &#x017F;ein, höch&#x017F;tens dürften<lb/>
dann und wann Melodramas ihre dü&#x017F;teren Schatten<lb/>
werfen. Der König hätte gern dem Kommerzienrath<lb/>
Cerf die Konze&#x017F;&#x017F;ion zum Bau eines zweiten Theaters<lb/>
ertheilt, da beim königlichen Theater das kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Re¬<lb/>
pertoir vorherr&#x017F;che und der König heitere Lebensbilder<lb/>
im Volkston be&#x017F;onders liebe.</p><lb/>
        <p>»Aber warum läßt der König denn nicht &#x017F;eine Lieb¬<lb/>
lings&#x017F;tücke auf &#x017F;einer Bühne &#x017F;pielen?«</p><lb/>
        <p>»Nein, Friedrich Wilhelm der Gerechte hat mehr<lb/>
als einmal ge&#x017F;agt: Ich will <hi rendition="#g">meinen</hi> Ge&#x017F;chmack dem<lb/>
Publikum nicht aufdrängen; &#x2014; und Graf Brühl, der<lb/>
Intendant, &#x017F;oll in Ruhe gela&#x017F;&#x017F;en werden!«</p><lb/>
        <p>Baron Biedenfeld machte uns &#x017F;einen Be&#x017F;uch. Der<lb/>
Vize-Direktor trug einen ver&#x017F;tümmelten Arm in &#x017F;chwarz¬<lb/>
&#x017F;eidener Binde; die Orden auf &#x017F;einer Bru&#x017F;t erklärten uns,<lb/>
wie er zum Krüppel geworden. Der Mutter und mir<lb/>
&#x017F;tiegen die Thränen in's Auge &#x2014; &#x2014; wir dachten an<lb/>
meinen Vater, der aus jenen Schlachten für's Vaterland<lb/>
nicht wiederkehren durfte. Der Baron mochte wohl vier¬<lb/>
zig Jahre zählen und hatte angenehme, intelligente Züge.<lb/>
Er zeigte &#x017F;ich als feingebildeter Mann und plauderte<lb/>
bald gemüthlich in Wiener Mundart. Er lud uns freund¬<lb/>
lich ein, ihn nach Hau&#x017F;e zu Frau und Tochter zum Mit¬<lb/>
tage&#x017F;&#x017F;en zu begleiten. Wir würden dort auch &#x017F;einen<lb/>
Schwieger&#x017F;ohn Spitzeder kennen lernen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0066] und das Publikum ſich freue auf die heiteren Lebens¬ bilder; — denn nur Luſtſpielen, Lokalpoſſen, Operetten ſolle die neue Bühne geweiht ſein, höchſtens dürften dann und wann Melodramas ihre düſteren Schatten werfen. Der König hätte gern dem Kommerzienrath Cerf die Konzeſſion zum Bau eines zweiten Theaters ertheilt, da beim königlichen Theater das klaſſiſche Re¬ pertoir vorherrſche und der König heitere Lebensbilder im Volkston beſonders liebe. »Aber warum läßt der König denn nicht ſeine Lieb¬ lingsſtücke auf ſeiner Bühne ſpielen?« »Nein, Friedrich Wilhelm der Gerechte hat mehr als einmal geſagt: Ich will meinen Geſchmack dem Publikum nicht aufdrängen; — und Graf Brühl, der Intendant, ſoll in Ruhe gelaſſen werden!« Baron Biedenfeld machte uns ſeinen Beſuch. Der Vize-Direktor trug einen verſtümmelten Arm in ſchwarz¬ ſeidener Binde; die Orden auf ſeiner Bruſt erklärten uns, wie er zum Krüppel geworden. Der Mutter und mir ſtiegen die Thränen in's Auge — — wir dachten an meinen Vater, der aus jenen Schlachten für's Vaterland nicht wiederkehren durfte. Der Baron mochte wohl vier¬ zig Jahre zählen und hatte angenehme, intelligente Züge. Er zeigte ſich als feingebildeter Mann und plauderte bald gemüthlich in Wiener Mundart. Er lud uns freund¬ lich ein, ihn nach Hauſe zu Frau und Tochter zum Mit¬ tageſſen zu begleiten. Wir würden dort auch ſeinen Schwiegerſohn Spitzeder kennen lernen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/66
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/66>, abgerufen am 21.11.2024.