Mama. Es ist unser Empfangstag, und wir freuen uns, Sie mit den für Kunst glühenden Stammgästen bekannt zu machen." --
"Wie liebenswürdig!" bemerkte meine Mutter.
"Ja gewiß!" -- sagte die Baronin resignirt -- "aber die Damen werden gleich uns bei dem Rout Ent¬ setzliches ausstehen: -- kleine Zimmer, überfüllt von Besuchenden. Das ist ein betäubendes Kommen, Gehen, Drängen, Schwätzen ... Ich werde stets krank von dem -- Vergnügen!"
In grauseidenem Ueberrock, mit Rosa verziert, eine Pariser rosa Atlas-Toque mit Marabouts auf den hoch¬ frisirten Locken, die Mutter schwarz, im hellgelben Krepp¬ hut -- fand ich unsere Toilette sehr hübsch für die Visiten bei den Herren Aktionären. Aber wie wurde ich angestarrt! Ob vielleicht die Toque zu verwegen auf¬ gestülpt war? -- oder ob ich mich nicht demüthig genug vor den Millionären verbeugte? Ich vernahm wenigstens später von Baron Biedenfeld, daß Bankier Fränkel ihm andern Tags gesagt: "Bedenken Sie ja die etwas deter¬ minirt aussehende Blondine mit ersten Rollen, denn zweite wird sie sicherlich nicht oft übernehmen."
Bankier Beneke, wegen seines Reichthums auch Fürst Beneke genannt, sprach sehr leise, aber angenehm, und geleitete uns zu seiner Gattin -- wie verlegen. Durchlaucht lehnten in der Sophaecke, ein Riechfläschchen
Mama. Es iſt unſer Empfangstag, und wir freuen uns, Sie mit den für Kunſt glühenden Stammgäſten bekannt zu machen.« —
»Wie liebenswürdig!« bemerkte meine Mutter.
»Ja gewiß!« — ſagte die Baronin reſignirt — »aber die Damen werden gleich uns bei dem Rout Ent¬ ſetzliches ausſtehen: — kleine Zimmer, überfüllt von Beſuchenden. Das iſt ein betäubendes Kommen, Gehen, Drängen, Schwätzen … Ich werde ſtets krank von dem — Vergnügen!«
In grauſeidenem Ueberrock, mit Roſa verziert, eine Pariſer roſa Atlas-Toque mit Marabouts auf den hoch¬ friſirten Locken, die Mutter ſchwarz, im hellgelben Krepp¬ hut — fand ich unſere Toilette ſehr hübſch für die Viſiten bei den Herren Aktionären. Aber wie wurde ich angeſtarrt! Ob vielleicht die Toque zu verwegen auf¬ geſtülpt war? — oder ob ich mich nicht demüthig genug vor den Millionären verbeugte? Ich vernahm wenigſtens ſpäter von Baron Biedenfeld, daß Bankier Fränkel ihm andern Tags geſagt: »Bedenken Sie ja die etwas deter¬ minirt ausſehende Blondine mit erſten Rollen, denn zweite wird ſie ſicherlich nicht oft übernehmen.«
Bankier Beneke, wegen ſeines Reichthums auch Fürſt Beneke genannt, ſprach ſehr leiſe, aber angenehm, und geleitete uns zu ſeiner Gattin — wie verlegen. Durchlaucht lehnten in der Sophaecke, ein Riechfläſchchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0072"n="44"/>
Mama. Es iſt unſer Empfangstag, und wir freuen uns,<lb/>
Sie mit den für Kunſt glühenden Stammgäſten bekannt<lb/>
zu machen.« —</p><lb/><p>»Wie liebenswürdig!« bemerkte meine Mutter.</p><lb/><p>»Ja gewiß!« —ſagte die Baronin reſignirt —<lb/>
»aber die Damen werden gleich uns bei dem Rout Ent¬<lb/>ſetzliches ausſtehen: — kleine Zimmer, überfüllt von<lb/>
Beſuchenden. Das iſt ein betäubendes Kommen, Gehen,<lb/>
Drängen, Schwätzen … Ich werde ſtets krank von<lb/>
dem — Vergnügen!«</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>In grauſeidenem Ueberrock, mit Roſa verziert, eine<lb/>
Pariſer roſa Atlas-Toque mit Marabouts auf den hoch¬<lb/>
friſirten Locken, die Mutter ſchwarz, im hellgelben Krepp¬<lb/>
hut — fand ich unſere Toilette ſehr hübſch für die<lb/>
Viſiten bei den Herren Aktionären. Aber wie wurde ich<lb/>
angeſtarrt! Ob vielleicht die Toque zu verwegen auf¬<lb/>
geſtülpt war? — oder ob ich mich nicht demüthig genug<lb/>
vor den Millionären verbeugte? Ich vernahm wenigſtens<lb/>ſpäter von Baron Biedenfeld, daß Bankier Fränkel ihm<lb/>
andern Tags geſagt: »Bedenken Sie ja die etwas deter¬<lb/>
minirt ausſehende Blondine mit erſten Rollen, denn<lb/>
zweite wird ſie ſicherlich nicht oft übernehmen.«</p><lb/><p>Bankier Beneke, wegen ſeines Reichthums auch<lb/>
Fürſt Beneke genannt, ſprach ſehr leiſe, aber angenehm,<lb/>
und geleitete uns zu ſeiner Gattin — wie verlegen.<lb/>
Durchlaucht lehnten in der Sophaecke, ein Riechfläſchchen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0072]
Mama. Es iſt unſer Empfangstag, und wir freuen uns,
Sie mit den für Kunſt glühenden Stammgäſten bekannt
zu machen.« —
»Wie liebenswürdig!« bemerkte meine Mutter.
»Ja gewiß!« — ſagte die Baronin reſignirt —
»aber die Damen werden gleich uns bei dem Rout Ent¬
ſetzliches ausſtehen: — kleine Zimmer, überfüllt von
Beſuchenden. Das iſt ein betäubendes Kommen, Gehen,
Drängen, Schwätzen … Ich werde ſtets krank von
dem — Vergnügen!«
In grauſeidenem Ueberrock, mit Roſa verziert, eine
Pariſer roſa Atlas-Toque mit Marabouts auf den hoch¬
friſirten Locken, die Mutter ſchwarz, im hellgelben Krepp¬
hut — fand ich unſere Toilette ſehr hübſch für die
Viſiten bei den Herren Aktionären. Aber wie wurde ich
angeſtarrt! Ob vielleicht die Toque zu verwegen auf¬
geſtülpt war? — oder ob ich mich nicht demüthig genug
vor den Millionären verbeugte? Ich vernahm wenigſtens
ſpäter von Baron Biedenfeld, daß Bankier Fränkel ihm
andern Tags geſagt: »Bedenken Sie ja die etwas deter¬
minirt ausſehende Blondine mit erſten Rollen, denn
zweite wird ſie ſicherlich nicht oft übernehmen.«
Bankier Beneke, wegen ſeines Reichthums auch
Fürſt Beneke genannt, ſprach ſehr leiſe, aber angenehm,
und geleitete uns zu ſeiner Gattin — wie verlegen.
Durchlaucht lehnten in der Sophaecke, ein Riechfläſchchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/72>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.