in der Hand, und klagten herablassend im besten Ber¬ linisch über Nervenkopfweh. Wir wollten uns sogleich entfernen, -- wurden aber ersucht, Platz zu nehmen. Eine gezwungene Unterhaltung entspann sich. Durch¬ laucht geruhten unter Anderm zu fragen: "Haben Sie denn ein jutes Jedächtniß? -- Das Auswendiglernen muß doch entsetzlich sind!"
Ich war im Begriff pikirt zu antworten, aber ein Blick der Mutter verhinderte es. Rächen mußte ich mich aber doch, -- und so erwiederte ich lammfromm: "Ich besitze jar kein Jedächtniß, -- ich bin ein jequältes Menschenkind!" --
Ihr Erröthen bewies, daß sie mich verstanden hatte. Sie blieb meine Gegnerin von dieser Minute an. Ich habe nie wieder einen Fuß in dies goldene Haus gesetzt.
Von einer anderen Mad. Beneke, deren feenhafte Feste Friedrich Wilhelm III. nicht selten beehrte, um sich -- an dem unverfälschten Berlinisch der Wirthin zu er¬ götzen, wußte Spitzeder allerlei Anecdoten zu erzählen. Sie titulirte den König nur "Majestäteken". -- Als nun einst eine wohlmeinende, aber weniger reiche Freundin die Millionärin vertraulich erinnerte, doch nicht immer "jeloffen" statt gelaufen zu sagen, platzte diese heraus: "Ach wat, Liebste, lassen Sie mir man: Ihre Töchter sind nun schon 30 Jahre jelaufen und jelaufen un haben bis heute noch keinen Mann gekriegt -- meine Töchter sind jeloffen un jeloffen un waren mit 17 Jahren schon futsch!" --
Am Abend saß ich zum ersten Mal in höchster
in der Hand, und klagten herablaſſend im beſten Ber¬ liniſch über Nervenkopfweh. Wir wollten uns ſogleich entfernen, — wurden aber erſucht, Platz zu nehmen. Eine gezwungene Unterhaltung entſpann ſich. Durch¬ laucht geruhten unter Anderm zu fragen: »Haben Sie denn ein jutes Jedächtniß? — Das Auswendiglernen muß doch entſetzlich ſind!«
Ich war im Begriff pikirt zu antworten, aber ein Blick der Mutter verhinderte es. Rächen mußte ich mich aber doch, — und ſo erwiederte ich lammfromm: »Ich beſitze jar kein Jedächtniß, — ich bin ein jequältes Menſchenkind!« —
Ihr Erröthen bewies, daß ſie mich verſtanden hatte. Sie blieb meine Gegnerin von dieſer Minute an. Ich habe nie wieder einen Fuß in dies goldene Haus geſetzt.
Von einer anderen Mad. Beneke, deren feenhafte Feſte Friedrich Wilhelm III. nicht ſelten beehrte, um ſich — an dem unverfälſchten Berliniſch der Wirthin zu er¬ götzen, wußte Spitzeder allerlei Anecdoten zu erzählen. Sie titulirte den König nur »Majeſtäteken«. — Als nun einſt eine wohlmeinende, aber weniger reiche Freundin die Millionärin vertraulich erinnerte, doch nicht immer »jeloffen« ſtatt gelaufen zu ſagen, platzte dieſe heraus: »Ach wat, Liebſte, laſſen Sie mir man: Ihre Töchter ſind nun ſchon 30 Jahre jelaufen und jelaufen un haben bis heute noch keinen Mann gekriegt — meine Töchter ſind jeloffen un jeloffen un waren mit 17 Jahren ſchon futſch!« —
Am Abend ſaß ich zum erſten Mal in höchſter
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in der Hand, und klagten herablaſſend im beſten Ber¬
liniſch über Nervenkopfweh. Wir wollten uns ſogleich
entfernen, — wurden aber erſucht, Platz zu nehmen.
Eine gezwungene Unterhaltung entſpann ſich. Durch¬
laucht geruhten unter Anderm zu fragen: »Haben Sie
denn ein jutes Jedächtniß? — Das Auswendiglernen
muß doch entſetzlich ſind!«
Ich war im Begriff pikirt zu antworten, aber ein
Blick der Mutter verhinderte es. Rächen mußte ich mich
aber doch, — und ſo erwiederte ich lammfromm: »Ich
beſitze jar kein Jedächtniß, — ich bin ein jequältes
Menſchenkind!« —
Ihr Erröthen bewies, daß ſie mich verſtanden hatte.
Sie blieb meine Gegnerin von dieſer Minute an. Ich
habe nie wieder einen Fuß in dies goldene Haus geſetzt.
Von einer anderen Mad. Beneke, deren feenhafte
Feſte Friedrich Wilhelm III. nicht ſelten beehrte, um ſich
— an dem unverfälſchten Berliniſch der Wirthin zu er¬
götzen, wußte Spitzeder allerlei Anecdoten zu erzählen.
Sie titulirte den König nur »Majeſtäteken«. — Als
nun einſt eine wohlmeinende, aber weniger reiche Freundin
die Millionärin vertraulich erinnerte, doch nicht immer
»jeloffen« ſtatt gelaufen zu ſagen, platzte dieſe heraus: »Ach
wat, Liebſte, laſſen Sie mir man: Ihre Töchter ſind nun
ſchon 30 Jahre jelaufen und jelaufen un haben bis heute
noch keinen Mann gekriegt — meine Töchter ſind jeloffen
un jeloffen un waren mit 17 Jahren ſchon futſch!« —
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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/73>, abgerufen am 21.11.2024.
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