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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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Und so kam es. Kaum hatte Dorothea einige
Worte gesprochen, so schämte ich mich des vorschnellen
Urtheils. Die süße Stimme mit der vibrirenden Innig¬
keit erfaßte mich mächtig, und die sittsame Grazie ihres
Wesens ließ sie sogar anmuthig erscheinen. Die großen,
seelenvollen Augen entschädigten für die unschöne Ge¬
sichtsbildung.

Von einem anderen, noch glänzenderen Triumphe,
den das seltene Talent und das reiche, schöne Herz der
unschönen Karoline Lindner sogar über die jugendblühende,
bildschöne Amalie Neumann in Berlin davontrug, er¬
zählte mir später der bekannte Geheimrath Heun -- der
viel gelesene, viel geliebte und -- viel geschmähte Clauren.

Clauren hatte das Suschen in seinem "Bräutigam
aus Mexiko" für Amalie Neuman geschrieben -- und
dies schöne Suschen hatte ganz Berlin entzückt --
berauscht ... Und nun wollte die eckige, unscheinbare
Karoline Lindner es wagen, in derselben Rolle vor das
Berliner Publikum zu treten -- welche Anmaßung!

Clauren erzählte: "Das Theater war -- wohl mit
aus Neugier, wie dies kühne Unternehmen der kleinen
Frankfurterin ausfallen werde, überfüllt. Keine Hand
rührte sich, als nach dem Aufrollen des Vorhanges das
reizlose Suschen am Klöppeltisch sichtbar wurde.

Mir klopfte hörbar das Herz, und ich bedauerte,
der Lindner diese Rolle nicht abgerathen zu haben. Ich
konnte bemerken, wie viele Zuschauer lächelten, die Köpfe
schüttelten, als wollten sie sagen: das war vorauszusehen,

Und ſo kam es. Kaum hatte Dorothea einige
Worte geſprochen, ſo ſchämte ich mich des vorſchnellen
Urtheils. Die ſüße Stimme mit der vibrirenden Innig¬
keit erfaßte mich mächtig, und die ſittſame Grazie ihres
Weſens ließ ſie ſogar anmuthig erſcheinen. Die großen,
ſeelenvollen Augen entſchädigten für die unſchöne Ge¬
ſichtsbildung.

Von einem anderen, noch glänzenderen Triumphe,
den das ſeltene Talent und das reiche, ſchöne Herz der
unſchönen Karoline Lindner ſogar über die jugendblühende,
bildſchöne Amalie Neumann in Berlin davontrug, er¬
zählte mir ſpäter der bekannte Geheimrath Heun — der
viel geleſene, viel geliebte und — viel geſchmähte Clauren.

Clauren hatte das Suschen in ſeinem »Bräutigam
aus Mexiko« für Amalie Neuman geſchrieben — und
dies ſchöne Suschen hatte ganz Berlin entzückt —
berauſcht … Und nun wollte die eckige, unſcheinbare
Karoline Lindner es wagen, in derſelben Rolle vor das
Berliner Publikum zu treten — welche Anmaßung!

Clauren erzählte: »Das Theater war — wohl mit
aus Neugier, wie dies kühne Unternehmen der kleinen
Frankfurterin ausfallen werde, überfüllt. Keine Hand
rührte ſich, als nach dem Aufrollen des Vorhanges das
reizloſe Suschen am Klöppeltiſch ſichtbar wurde.

Mir klopfte hörbar das Herz, und ich bedauerte,
der Lindner dieſe Rolle nicht abgerathen zu haben. Ich
konnte bemerken, wie viele Zuſchauer lächelten, die Köpfe
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[48/0076] Und ſo kam es. Kaum hatte Dorothea einige Worte geſprochen, ſo ſchämte ich mich des vorſchnellen Urtheils. Die ſüße Stimme mit der vibrirenden Innig¬ keit erfaßte mich mächtig, und die ſittſame Grazie ihres Weſens ließ ſie ſogar anmuthig erſcheinen. Die großen, ſeelenvollen Augen entſchädigten für die unſchöne Ge¬ ſichtsbildung. Von einem anderen, noch glänzenderen Triumphe, den das ſeltene Talent und das reiche, ſchöne Herz der unſchönen Karoline Lindner ſogar über die jugendblühende, bildſchöne Amalie Neumann in Berlin davontrug, er¬ zählte mir ſpäter der bekannte Geheimrath Heun — der viel geleſene, viel geliebte und — viel geſchmähte Clauren. Clauren hatte das Suschen in ſeinem »Bräutigam aus Mexiko« für Amalie Neuman geſchrieben — und dies ſchöne Suschen hatte ganz Berlin entzückt — berauſcht … Und nun wollte die eckige, unſcheinbare Karoline Lindner es wagen, in derſelben Rolle vor das Berliner Publikum zu treten — welche Anmaßung! Clauren erzählte: »Das Theater war — wohl mit aus Neugier, wie dies kühne Unternehmen der kleinen Frankfurterin ausfallen werde, überfüllt. Keine Hand rührte ſich, als nach dem Aufrollen des Vorhanges das reizloſe Suschen am Klöppeltiſch ſichtbar wurde. Mir klopfte hörbar das Herz, und ich bedauerte, der Lindner dieſe Rolle nicht abgerathen zu haben. Ich konnte bemerken, wie viele Zuſchauer lächelten, die Köpfe ſchüttelten, als wollten ſie ſagen: das war vorauszuſehen,

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/76>, abgerufen am 21.11.2024.