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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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vom Splitter-Gericht.
Bruder/ halt still Bruder/ ich will den Splitter auß deinem Auge ziehen/ und
du sihest selbst nicht den Balcken in deinem Aug! Du Heuchler zeuch zuvor
den Balcken auß deinem Auge/ und besihe dann/ etc. Luc. 6.

V. Weil es närrische Leute seyn. Sie gefallen ihnen selber wol/V.
Närrische/

halten sich allein für weise/ die jederman wissen zu tadeln/ zu rechtfertigen und
einzureden/ aber wann sie selbsten/ das/ was sie tadlen/ hätten vornehmen und
verrichten sollen/ seyn sie ungeschickt/ daß sie es kaum närrischer angehen kön-
ten: Absalon tadelte seines Vatters Davids Regiment/ als ob niemand bey
ihm vorkommen/ und seine rechte Sache erhalten könte. Da er aber in das
Regiment kam/ was hat er nutzlich und löblich gethan? Jch finde nichts dar-
von/ seinen Vatter hat er verfolget/ und dessen Kebs-Weiber hat er öffentlich
vor den Augen deß gantzen Jsraels beschlaffen/ daß er aber jemanden zu seinem
Rechten geholffen hätte/ ist nichts geschehen/ 2. Sam. 16. Cicero sagt: EstCic. lib. 3.
Tusc. qu.

proprium stultitiae, aliorum vitia cernere, oblivisci suorum, das ist: Es
ist eine Eigenschafft der Thorheit/ anderer Leute Gebrechen sehen/ und der
Seinigen vergessen. Solche Tadler seyn den Hof-Narren gleich/ die von
grossen Herren gehalten werden/ daß sie jederman frey und ohne Scheu anfah-
ren/ dem einen da/ dem andern dort eine Kletten anhängen. Sonderlich ist
das sehr närrisch gehandelt/ daß sie von einer Sach so dahin urtheilen/ wie der
Blinde von der Farbe/ verstehen den Handel nicht/ betrachten die Sache und
deren Umstände und Beschaffenheit nicht gnugsam/ kennen die Person und
deren Gemüt und Intention nicht recht/ und därffen doch ein Urtheil darvon
fällen/ als wann sie im Menschen darinnen sässen. Bettet einer andäch-
tig/ so muß er ein Heuchler seyn/ wie Eli die fromme Hannam deßhalben be-
schrien/ 1. Sam. 1. Führet einer einen eingezogenen Wandel/ so muß er ein
misanthropos, ein Menschen-Scheu und Sonderling seyn. Kommt er zu
den Leuten/ ist frölich und Gespräch/ isset und trincket mit/ so heisset es/ er
mache sich zu gemein/ wie der HErr Christus solches den Juden verhebt und
spricht: Johannes der Täuffer ist kommen/ aß nicht und tranck nicht/ so sag-
ten sie/ er habe den Teufel. Deß Menschen Sohn ist kommen/ isset und
trincket/ so sagen sie: Siehe/ wie ist der Mensch ein Fresser und ein Wein-
säuffer/ der Zöllner- und der Sünder-Gesell/ und die Weißheit muß sich recht-
fertigen lassen von ihren Kindern/ Matth. 11.

VI. Weil es Partheyische Leute seyn. Dann wie ein jeder gegenVI.
Partheyi-
sche/

dem andern affectionirt und gesinnet/ also urtheilet er auch von ihm/ da weißt
mancher seinen Creaturen/ und denen/ die ihm besser an die Hand gehen/ bes-
ser schwätzen und heuchlen können/ ihre grosse Excess zu verkleinern/ und der
andern geringste Mißtritte hoch außumutzen/ alles nach der falschen Richt-
schnur seiner verführten Affecten: Jtem/ mancher tadelt seines Nächsten
(dem er nicht günstig ist/) seine geringe Fehler/ und übergehet seine löbliche

Tugen-

vom Splitter-Gericht.
Bruder/ halt ſtill Bruder/ ich will den Splitter auß deinem Auge ziehen/ und
du ſiheſt ſelbſt nicht den Balcken in deinem Aug! Du Heuchler zeuch zuvor
den Balcken auß deinem Auge/ und beſihe dann/ ꝛc. Luc. 6.

V. Weil es naͤrꝛiſche Leute ſeyn. Sie gefallen ihnen ſelber wol/V.
Naͤrriſche/

halten ſich allein fuͤr weiſe/ die jederman wiſſen zu tadeln/ zu rechtfertigen und
einzureden/ aber wann ſie ſelbſten/ das/ was ſie tadlen/ haͤtten vornehmen und
verrichten ſollen/ ſeyn ſie ungeſchickt/ daß ſie es kaum naͤrriſcher angehen koͤn-
ten: Abſalon tadelte ſeines Vatters Davids Regiment/ als ob niemand bey
ihm vorkommen/ und ſeine rechte Sache erhalten koͤnte. Da er aber in das
Regiment kam/ was hat er nutzlich und loͤblich gethan? Jch finde nichts dar-
von/ ſeinen Vatter hat er verfolget/ und deſſen Kebs-Weiber hat er oͤffentlich
vor den Augen deß gantzen Jſraels beſchlaffen/ daß er aber jemanden zu ſeinem
Rechten geholffen haͤtte/ iſt nichts geſchehen/ 2. Sam. 16. Cicero ſagt: EſtCic. lib. 3.
Tuſc. qu.

proprium ſtultitiæ, aliorum vitia cernere, obliviſci ſuorum, das iſt: Es
iſt eine Eigenſchafft der Thorheit/ anderer Leute Gebrechen ſehen/ und der
Seinigen vergeſſen. Solche Tadler ſeyn den Hof-Narꝛen gleich/ die von
groſſen Herꝛen gehalten werden/ daß ſie jederman frey und ohne Scheu anfah-
ren/ dem einen da/ dem andern dort eine Kletten anhaͤngen. Sonderlich iſt
das ſehr naͤrriſch gehandelt/ daß ſie von einer Sach ſo dahin urtheilen/ wie der
Blinde von der Farbe/ verſtehen den Handel nicht/ betrachten die Sache und
deren Umſtaͤnde und Beſchaffenheit nicht gnugſam/ kennen die Perſon und
deren Gemuͤt und Intention nicht recht/ und daͤrffen doch ein Urtheil darvon
faͤllen/ als wann ſie im Menſchen darinnen ſaͤſſen. Bettet einer andaͤch-
tig/ ſo muß er ein Heuchler ſeyn/ wie Eli die fromme Hannam deßhalben be-
ſchrien/ 1. Sam. 1. Fuͤhret einer einen eingezogenen Wandel/ ſo muß er ein
μισάνϑρωπος, ein Menſchen-Scheu und Sonderling ſeyn. Kommt er zu
den Leuten/ iſt froͤlich und Geſpraͤch/ iſſet und trincket mit/ ſo heiſſet es/ er
mache ſich zu gemein/ wie der HErꝛ Chriſtus ſolches den Juden verhebt und
ſpricht: Johannes der Taͤuffer iſt kommen/ aß nicht und tranck nicht/ ſo ſag-
ten ſie/ er habe den Teufel. Deß Menſchen Sohn iſt kommen/ iſſet und
trincket/ ſo ſagen ſie: Siehe/ wie iſt der Menſch ein Freſſer und ein Wein-
ſaͤuffer/ der Zoͤllner- und der Suͤnder-Geſell/ und die Weißheit muß ſich recht-
fertigen laſſen von ihren Kindern/ Matth. 11.

VI. Weil es Partheyiſche Leute ſeyn. Dann wie ein jeder gegenVI.
Partheyi-
ſche/

dem andern affectionirt und geſinnet/ alſo urtheilet er auch von ihm/ da weißt
mancher ſeinen Creaturen/ und denen/ die ihm beſſer an die Hand gehen/ beſ-
ſer ſchwaͤtzen und heuchlen koͤnnen/ ihre groſſe Exceſs zu verkleinern/ und der
andern geringſte Mißtritte hoch auſzumutzen/ alles nach der falſchen Richt-
ſchnur ſeiner verfuͤhrten Affecten: Jtem/ mancher tadelt ſeines Naͤchſten
(dem er nicht guͤnſtig iſt/) ſeine geringe Fehler/ und uͤbergehet ſeine loͤbliche

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[967/1037] vom Splitter-Gericht. Bruder/ halt ſtill Bruder/ ich will den Splitter auß deinem Auge ziehen/ und du ſiheſt ſelbſt nicht den Balcken in deinem Aug! Du Heuchler zeuch zuvor den Balcken auß deinem Auge/ und beſihe dann/ ꝛc. Luc. 6. V. Weil es naͤrꝛiſche Leute ſeyn. Sie gefallen ihnen ſelber wol/ halten ſich allein fuͤr weiſe/ die jederman wiſſen zu tadeln/ zu rechtfertigen und einzureden/ aber wann ſie ſelbſten/ das/ was ſie tadlen/ haͤtten vornehmen und verrichten ſollen/ ſeyn ſie ungeſchickt/ daß ſie es kaum naͤrriſcher angehen koͤn- ten: Abſalon tadelte ſeines Vatters Davids Regiment/ als ob niemand bey ihm vorkommen/ und ſeine rechte Sache erhalten koͤnte. Da er aber in das Regiment kam/ was hat er nutzlich und loͤblich gethan? Jch finde nichts dar- von/ ſeinen Vatter hat er verfolget/ und deſſen Kebs-Weiber hat er oͤffentlich vor den Augen deß gantzen Jſraels beſchlaffen/ daß er aber jemanden zu ſeinem Rechten geholffen haͤtte/ iſt nichts geſchehen/ 2. Sam. 16. Cicero ſagt: Eſt proprium ſtultitiæ, aliorum vitia cernere, obliviſci ſuorum, das iſt: Es iſt eine Eigenſchafft der Thorheit/ anderer Leute Gebrechen ſehen/ und der Seinigen vergeſſen. Solche Tadler ſeyn den Hof-Narꝛen gleich/ die von groſſen Herꝛen gehalten werden/ daß ſie jederman frey und ohne Scheu anfah- ren/ dem einen da/ dem andern dort eine Kletten anhaͤngen. Sonderlich iſt das ſehr naͤrriſch gehandelt/ daß ſie von einer Sach ſo dahin urtheilen/ wie der Blinde von der Farbe/ verſtehen den Handel nicht/ betrachten die Sache und deren Umſtaͤnde und Beſchaffenheit nicht gnugſam/ kennen die Perſon und deren Gemuͤt und Intention nicht recht/ und daͤrffen doch ein Urtheil darvon faͤllen/ als wann ſie im Menſchen darinnen ſaͤſſen. Bettet einer andaͤch- tig/ ſo muß er ein Heuchler ſeyn/ wie Eli die fromme Hannam deßhalben be- ſchrien/ 1. Sam. 1. Fuͤhret einer einen eingezogenen Wandel/ ſo muß er ein μισάνϑρωπος, ein Menſchen-Scheu und Sonderling ſeyn. Kommt er zu den Leuten/ iſt froͤlich und Geſpraͤch/ iſſet und trincket mit/ ſo heiſſet es/ er mache ſich zu gemein/ wie der HErꝛ Chriſtus ſolches den Juden verhebt und ſpricht: Johannes der Taͤuffer iſt kommen/ aß nicht und tranck nicht/ ſo ſag- ten ſie/ er habe den Teufel. Deß Menſchen Sohn iſt kommen/ iſſet und trincket/ ſo ſagen ſie: Siehe/ wie iſt der Menſch ein Freſſer und ein Wein- ſaͤuffer/ der Zoͤllner- und der Suͤnder-Geſell/ und die Weißheit muß ſich recht- fertigen laſſen von ihren Kindern/ Matth. 11. V. Naͤrriſche/ Cic. lib. 3. Tuſc. qu. VI. Weil es Partheyiſche Leute ſeyn. Dann wie ein jeder gegen dem andern affectionirt und geſinnet/ alſo urtheilet er auch von ihm/ da weißt mancher ſeinen Creaturen/ und denen/ die ihm beſſer an die Hand gehen/ beſ- ſer ſchwaͤtzen und heuchlen koͤnnen/ ihre groſſe Exceſs zu verkleinern/ und der andern geringſte Mißtritte hoch auſzumutzen/ alles nach der falſchen Richt- ſchnur ſeiner verfuͤhrten Affecten: Jtem/ mancher tadelt ſeines Naͤchſten (dem er nicht guͤnſtig iſt/) ſeine geringe Fehler/ und uͤbergehet ſeine loͤbliche Tugen- VI. Partheyi- ſche/

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 967. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/1037>, abgerufen am 22.11.2024.