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Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.

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von der Einsamkeit.
hinweg/ oder lasst mir Leut zu/ mit denen ich reden könne. Architas Tarenti-
nus
pflegte zu sagen/ wann einer könnte biß an den Himmel steigen/ könnt alles
Gestirn und das gantze Firmament eigentlich besichtigen/ wie die himmlische
Liechter auf- und nider gehen/ er käme aber herab auf die Erden/ und fünde nie-
mand/ dem er solches erzehlen könnte/ so wurde er ein schlechte Freud darüber
haben/ daß er so hoch gestiegen. Dann darum hat GOtt der HErr dem Men-
schen die Sprach und ein beredte Zunge gegeben/ daß er seines Hertzens Ge-
dancken andern deutlich fürtragen möge/ hat ihm auch hörende Ohren geschaf-
fen/ daß er ander Leut Rede damit vernemmen und verstehen könne/ welches
freylich GOtt nicht gethan/ wo er gewolt hätte/ daß der Mensch einsam und
allein seyn solte. Und weil die Einsamkeit deß Menschen Natur so gar un-Spruch der
Alten.

annehmlich und zu wider/ haben die Alten recht gesagt/ ein einsamer Mensch/
der einsam und allein seyn könne/ müß eintweder ein Gott/ oder ein Engel/
oder ein unvernünfftige bestia, oder der Teufel seyn: GOtt müß er eintweder
seyn/ als der keines Menschen Trost/ Rath/ Hülff oder Beystand bedärffe;
Oder müß ein Engel seyn/ der keinem Menschlichen Gebrechen/ Anfechtung
oder Versuchung/ keinem Creutz oder Leiden unterworffen sey; Oder müsse
ein unvernünfftig Thier seyn/ das kein Lust noch Gefallen an der Menschli-
chen Gesellschafft habe/ wie die wilde Thier/ wann sie einen Menschen sehen/
davon lauffen; Oder er muß der leibhaffte Teufel selbsten seyn/ der allenthal-
ben das Liecht scheucht und fleucht.

III.
Gefährlich.

III. Weil die Einsamkeit Gefährlich ist. Und das wegen der schwe-
ren Gedancken und Anfechtungen/ die sich bey einem einsamen Menschen er-
eignen. Crates ein Philosophus, als er sahe einen Jüngling allein auf- und
abgehen/ fragt er ihn/ was er da allein vorhabe? der Jüngling sagt: Jch rede
mit mir selbs. Darauf sagt Crates zu ihm: Sihe wol zu/ daß du mit keinem
bösen Schalck redest. Also hielte Crates einen Einsamen für einen solchen
Menschen/ der leichtlich auf allerley Schalckheit und Boßheit gerathen könne.
Dann wann einer allein ist/ so fällt ihme immer nur das ärgste ein/ hat er etwas
übels gethan/ so regt sich das Gewissen/ und machts ihm alles grösser und ärger/
als es an sich selbsten ist; Jst ihm etwas widriges begegnet/ so bild ers ihme
desto tieffer ein/ denckt es sey niemand unglückseliger als er/ es seye niemand
dem es so schwer lige/ niemand dem sein Fürnemmen also zuruck gehe/ und
träumt ihm immer/ es werd ein böß End mit seiner Sach gewinnen/ dabey fey-
ret der Teufel auch nicht/ der greifft die Leut am meisten an/ wann sie allein
seyn/ sagt Chrysostomus. Wann er sihet/ daß uns andere nicht können zuChrysost. in
c. 14 Matth.
hom.
13.

Hülff kommen/ so waget er sich am ersten an uns/ sagt Theophylactus. Da
kan er einem mit seinen feurigen Pfeilen allerley wunderliche Gedancken/ sel-
tzame Einfäll und Grillen beybringen/ sonderlich wo er etwan ein Melancho-
lischen Kopff antrifft/ da hat er sein Spiel und freien Paß/ betreugt und ver-

führt
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von der Einſamkeit.
hinweg/ oder laſſt mir Leut zu/ mit denen ich reden koͤnne. Architas Tarenti-
nus
pflegte zu ſagen/ wann einer koͤnnte biß an den Himmel ſteigen/ koͤnnt alles
Geſtirn und das gantze Firmament eigentlich beſichtigen/ wie die himmliſche
Liechter auf- und nider gehen/ er kaͤme aber herab auf die Erden/ und fuͤnde nie-
mand/ dem er ſolches erzehlen koͤnnte/ ſo wurde er ein ſchlechte Freud daruͤber
haben/ daß er ſo hoch geſtiegen. Dann darum hat GOtt der HErꝛ dem Men-
ſchen die Sprach und ein beredte Zunge gegeben/ daß er ſeines Hertzens Ge-
dancken andern deutlich fuͤrtragen moͤge/ hat ihm auch hoͤrende Ohren geſchaf-
fen/ daß er ander Leut Rede damit vernemmen und verſtehen koͤnne/ welches
freylich GOtt nicht gethan/ wo er gewolt haͤtte/ daß der Menſch einſam und
allein ſeyn ſolte. Und weil die Einſamkeit deß Menſchen Natur ſo gar un-Spruch der
Alten.

annehmlich und zu wider/ haben die Alten recht geſagt/ ein einſamer Menſch/
der einſam und allein ſeyn koͤnne/ muͤß eintweder ein Gott/ oder ein Engel/
oder ein unvernuͤnfftige beſtia, oder der Teufel ſeyn: GOtt muͤß er eintweder
ſeyn/ als der keines Menſchen Troſt/ Rath/ Huͤlff oder Beyſtand bedaͤrffe;
Oder muͤß ein Engel ſeyn/ der keinem Menſchlichen Gebrechen/ Anfechtung
oder Verſuchung/ keinem Creutz oder Leiden unterworffen ſey; Oder muͤſſe
ein unvernuͤnfftig Thier ſeyn/ das kein Luſt noch Gefallen an der Menſchli-
chen Geſellſchafft habe/ wie die wilde Thier/ wann ſie einen Menſchen ſehen/
davon lauffen; Oder er muß der leibhaffte Teufel ſelbſten ſeyn/ der allenthal-
ben das Liecht ſcheucht und fleucht.

III.
Gefaͤhrlich.

III. Weil die Einſamkeit Gefaͤhrlich iſt. Und das wegen der ſchwe-
ren Gedancken und Anfechtungen/ die ſich bey einem einſamen Menſchen er-
eignen. Crates ein Philoſophus, als er ſahe einen Juͤngling allein auf- und
abgehen/ fragt er ihn/ was er da allein vorhabe? der Juͤngling ſagt: Jch rede
mit mir ſelbs. Darauf ſagt Crates zu ihm: Sihe wol zu/ daß du mit keinem
boͤſen Schalck redeſt. Alſo hielte Crates einen Einſamen fuͤr einen ſolchen
Menſchen/ der leichtlich auf allerley Schalckheit und Boßheit gerathen koͤnne.
Dann wann einer allein iſt/ ſo faͤllt ihme immer nur das aͤrgſte ein/ hat er etwas
uͤbels gethan/ ſo regt ſich das Gewiſſen/ und machts ihm alles groͤſſer und aͤrger/
als es an ſich ſelbſten iſt; Jſt ihm etwas widriges begegnet/ ſo bild ers ihme
deſto tieffer ein/ denckt es ſey niemand ungluͤckſeliger als er/ es ſeye niemand
dem es ſo ſchwer lige/ niemand dem ſein Fuͤrnemmen alſo zuruck gehe/ und
traͤumt ihm immer/ es werd ein boͤß End mit ſeiner Sach gewinnen/ dabey fey-
ret der Teufel auch nicht/ der greifft die Leut am meiſten an/ wann ſie allein
ſeyn/ ſagt Chryſoſtomus. Wann er ſihet/ daß uns andere nicht koͤnnen zuChryſoſt. in
c. 14 Matth.
hom.
13.

Huͤlff kommen/ ſo waget er ſich am erſten an uns/ ſagt Theophylactus. Da
kan er einem mit ſeinen feurigen Pfeilen allerley wunderliche Gedancken/ ſel-
tzame Einfaͤll und Grillen beybringen/ ſonderlich wo er etwan ein Melancho-
liſchen Kopff antrifft/ da hat er ſein Spiel und freien Paß/ betreugt und ver-

fuͤhrt
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[669/0739] von der Einſamkeit. hinweg/ oder laſſt mir Leut zu/ mit denen ich reden koͤnne. Architas Tarenti- nus pflegte zu ſagen/ wann einer koͤnnte biß an den Himmel ſteigen/ koͤnnt alles Geſtirn und das gantze Firmament eigentlich beſichtigen/ wie die himmliſche Liechter auf- und nider gehen/ er kaͤme aber herab auf die Erden/ und fuͤnde nie- mand/ dem er ſolches erzehlen koͤnnte/ ſo wurde er ein ſchlechte Freud daruͤber haben/ daß er ſo hoch geſtiegen. Dann darum hat GOtt der HErꝛ dem Men- ſchen die Sprach und ein beredte Zunge gegeben/ daß er ſeines Hertzens Ge- dancken andern deutlich fuͤrtragen moͤge/ hat ihm auch hoͤrende Ohren geſchaf- fen/ daß er ander Leut Rede damit vernemmen und verſtehen koͤnne/ welches freylich GOtt nicht gethan/ wo er gewolt haͤtte/ daß der Menſch einſam und allein ſeyn ſolte. Und weil die Einſamkeit deß Menſchen Natur ſo gar un- annehmlich und zu wider/ haben die Alten recht geſagt/ ein einſamer Menſch/ der einſam und allein ſeyn koͤnne/ muͤß eintweder ein Gott/ oder ein Engel/ oder ein unvernuͤnfftige beſtia, oder der Teufel ſeyn: GOtt muͤß er eintweder ſeyn/ als der keines Menſchen Troſt/ Rath/ Huͤlff oder Beyſtand bedaͤrffe; Oder muͤß ein Engel ſeyn/ der keinem Menſchlichen Gebrechen/ Anfechtung oder Verſuchung/ keinem Creutz oder Leiden unterworffen ſey; Oder muͤſſe ein unvernuͤnfftig Thier ſeyn/ das kein Luſt noch Gefallen an der Menſchli- chen Geſellſchafft habe/ wie die wilde Thier/ wann ſie einen Menſchen ſehen/ davon lauffen; Oder er muß der leibhaffte Teufel ſelbſten ſeyn/ der allenthal- ben das Liecht ſcheucht und fleucht. Spruch der Alten. III. Weil die Einſamkeit Gefaͤhrlich iſt. Und das wegen der ſchwe- ren Gedancken und Anfechtungen/ die ſich bey einem einſamen Menſchen er- eignen. Crates ein Philoſophus, als er ſahe einen Juͤngling allein auf- und abgehen/ fragt er ihn/ was er da allein vorhabe? der Juͤngling ſagt: Jch rede mit mir ſelbs. Darauf ſagt Crates zu ihm: Sihe wol zu/ daß du mit keinem boͤſen Schalck redeſt. Alſo hielte Crates einen Einſamen fuͤr einen ſolchen Menſchen/ der leichtlich auf allerley Schalckheit und Boßheit gerathen koͤnne. Dann wann einer allein iſt/ ſo faͤllt ihme immer nur das aͤrgſte ein/ hat er etwas uͤbels gethan/ ſo regt ſich das Gewiſſen/ und machts ihm alles groͤſſer und aͤrger/ als es an ſich ſelbſten iſt; Jſt ihm etwas widriges begegnet/ ſo bild ers ihme deſto tieffer ein/ denckt es ſey niemand ungluͤckſeliger als er/ es ſeye niemand dem es ſo ſchwer lige/ niemand dem ſein Fuͤrnemmen alſo zuruck gehe/ und traͤumt ihm immer/ es werd ein boͤß End mit ſeiner Sach gewinnen/ dabey fey- ret der Teufel auch nicht/ der greifft die Leut am meiſten an/ wann ſie allein ſeyn/ ſagt Chryſoſtomus. Wann er ſihet/ daß uns andere nicht koͤnnen zu Huͤlff kommen/ ſo waget er ſich am erſten an uns/ ſagt Theophylactus. Da kan er einem mit ſeinen feurigen Pfeilen allerley wunderliche Gedancken/ ſel- tzame Einfaͤll und Grillen beybringen/ ſonderlich wo er etwan ein Melancho- liſchen Kopff antrifft/ da hat er ſein Spiel und freien Paß/ betreugt und ver- fuͤhrt Chryſoſt. in c. 14 Matth. hom. 13. P p p p 3

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Zitationshilfe: Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681. , S. 669. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauller_lasterspiegel_1681/739>, abgerufen am 24.11.2024.