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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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das Mittelalter sie so massenhaft hervorgebracht hat, und welche Chaucer pba_082.002
in seinen Canterbury-Tales so geistreich verspottet;1 sie alle machen pba_082.003
das Mittel zum Zweck und verfehlen damit den Zweck der Nachahmung.

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Aber freilich, das technische Gesetz, dem alle poetische Darstellung pba_082.005
unterworfen ist, herrscht nun auch über die Anwendung dieses Mittels. pba_082.006
Dieses Gesetz besteht darin, daß nur die Aeußerung psychischen Lebens, pba_082.007
oder doch, was als solche dargestellt und aufgefaßt werden kann, imstande pba_082.008
ist wiederum psychische Bewegungen, welche der künstlerischen Nachahmung pba_082.009
würdig sind, zu erzeugen. Daß hierzu Berichte von Zuständen pba_082.010
und Begebnissen des bewegten Lebens, Erzählungen von Handlungen pba_082.011
und Situationen beseelter oder als beseelt vorgestellter Wesen technisch pba_082.012
am geeignetsten sind, ist schon oben hervorgehoben worden; ebenso aber pba_082.013
auch, daß die Poesie in diese Grenzen keineswegs mit Notwendigkeit pba_082.014
eingeschränkt ist. Dasselbe Verhältnis zeigt sich auch hier auf dem Gebiete pba_082.015
der Gedanken- oder Reflexionsdichtung, die am allerwenigsten mit pba_082.016
der Vorschrift, Handlungen sollen ihr Gegenstand sein, sich vertragen pba_082.017
kann. Man untersuche daraufhin Gedichte wie Schillers "Die Worte pba_082.018
des Glaubens," "Die Worte des Wahns," "Sprüche des Confucius," pba_082.019
"Der Genius," "Natur und Schule," "An die Freunde," ja selbst solche pba_082.020
wie "Das Jdeal und das Leben," "Das Glück" und viele ähnliche, in pba_082.021
denen auch nicht eine Spur von Handlung oder selbst zeitlicher Succession pba_082.022
des Objektes der Darstellung sich nachweisen läßt. Sie enthalten pba_082.023
vielfach den Ausdruck des Gedankens ganz geradehin und unmittelbar, pba_082.024
nur getragen durch das Ethos hocherhobener Begeisterung, welche er erweckt, pba_082.025
so daß er gleichsam aufgelöst ist in Stimmung und ganz übergegangen pba_082.026
in das lyrische Element. Gerade solche Strophen sind die populärsten pba_082.027
geworden, wie z. B. in den "Worten des Glaubens":

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Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, pba_082.029
Und wär' er in Ketten geboren, pba_082.030
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei, pba_082.031
Nicht den Mißbrauch rasender Thoren! pba_082.032
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht, pba_082.033
Vor dem freien Menschen erzittert nicht!
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Oder die Schlußstrophe des herrlichen Liedes: "An die Freunde":

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Größ'res mag sich anderswo begeben, pba_082.036
Als bei uns in unserm kleinen Leben; pba_082.037
Neues -- hat die Sonne nie gesehn.
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Vgl. "Das Reimgedicht vom Herrn Thopas": Geoffrey Chaucers pba_082.039
Canterbury-Geschichten, übers. von W. Hertzberg. (Hildburghausen 1866.) S. 463 ff.

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das Mittelalter sie so massenhaft hervorgebracht hat, und welche Chaucer pba_082.002
in seinen Canterbury-Tales so geistreich verspottet;1 sie alle machen pba_082.003
das Mittel zum Zweck und verfehlen damit den Zweck der Nachahmung.

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Aber freilich, das technische Gesetz, dem alle poetische Darstellung pba_082.005
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in das lyrische Element. Gerade solche Strophen sind die populärsten pba_082.027
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Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei, pba_082.029
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Oder die Schlußstrophe des herrlichen Liedes: „An die Freunde“:

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Größ'res mag sich anderswo begeben, pba_082.036
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Neues — hat die Sonne nie gesehn.
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Vgl. „Das Reimgedicht vom Herrn Thopas“: Geoffrey Chaucers pba_082.039
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/100>, abgerufen am 21.11.2024.