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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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vorhanden sein, und was seiner Dichtung den Ursprung gibt und durch pba_106.002
dieselbe wiederum hervorgebracht werden soll, das ist eben die aus jener pba_106.003
Ueberzeugung quellende Gemütsbeschaffenheit und Seelenstimmung, das pba_106.004
der besondern Natur jener Ueberzeugung entsprechende Ethos. Durch pba_106.005
die Vorführung jener dieses hervorzurufen, ist also die Aufgabe, und pba_106.006
zwar, wie schon gesagt, durch indirekte Vorführung derselben.

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Das kann auf zweierlei Weise geschehen:

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Entweder, indem das Negative, seiner positiven Beimischung oder pba_106.009
des Scheines derselben entäußert, als das dargestellt wird, was es ist, pba_106.010
und durch diese Klarstellung das richtige Urteil über das, was als das pba_106.011
Positive Geltung verlangt, hervorgebracht wird.

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Oder, indem umgekehrt das vorwiegend Positive von seiner negativen pba_106.013
Beimischung oder von dem Scheine derselben befreit und als das, pba_106.014
was es ist, dem Urteil kenntlich gemacht wird und zwar gerade dadurch, pba_106.015
daß es mit dieser negativen Beimischung auftritt, und das Unvermögen pba_106.016
derselben jenes Urteil zu beeinträchtigen augenscheinlich wird. Das erstere pba_106.017
Verfahren ist vorwiegend der Satire eigen, das letztere vorwiegend dem pba_106.018
Humor; doch kann weder dieser noch jene darauf verzichten, sich zugleich pba_106.019
auch des andern Verfahrens zu bedienen, ohne die Gefahr einseitig zu pba_106.020
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Jede dieser beiden Verfahrungsweisen schließt nun aber in sich wieder pba_106.022
die Möglichkeit einer Umkehrung ein. Gegenüber der Austerität des Urteils, pba_106.023
welches an dem überwiegend Negativen nur dieses ins Auge faßt, pba_106.024
kann die Darstellung zu Gunsten der Gerechtigkeit und Billigkeit die pba_106.025
positive Beimischung hervorheben, und andrerseits gegenüber dem Optimismus, pba_106.026
der nichts als das Positive sehen will, zu Gunsten des Gleichgewichts pba_106.027
und vorurteilsloser Klarheit auf die anhaftenden negativen pba_106.028
Elemente hinweisen, ohne welche in der Welt der wirklichen Erscheinungen pba_106.029
auch dieses nicht zu denken ist. Hier werden die Rollen vertauscht sein: pba_106.030
das letztere ist vorwiegend das Werk der Satire, das erstere das des pba_106.031
Humors, jedoch so, daß sie, ganz wie im ersten Falle, einander wechselseitig pba_106.032
nicht entbehren können, ohne von ihrer vollen Wirkung ein Beträchtliches pba_106.033
einzubüßen.

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Jn allen diesen Fällen handelt es sich also um einen Läuterungsprozeß, pba_106.035
welcher überall darin besteht, durch die Evidenz des falschen pba_106.036
Urteils das richtige zur Reinheit von den Trübungen herzustellen, die pba_106.037
es von beiden entgegengesetzten Seiten bedrohen. Es wurde aber schon pba_106.038
hervorgehoben, daß diese Katharsis nicht auf dem Gebiete und durch pba_106.039
die Mittel des logischen Denkens zu erfolgen hat, sondern daß ihr Schauplatz pba_106.040
das Gemüt ist, die Kräfte, durch welche sie sich vollzieht, Erregungen

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vorhanden sein, und was seiner Dichtung den Ursprung gibt und durch pba_106.002
dieselbe wiederum hervorgebracht werden soll, das ist eben die aus jener pba_106.003
Ueberzeugung quellende Gemütsbeschaffenheit und Seelenstimmung, das pba_106.004
der besondern Natur jener Ueberzeugung entsprechende Ethos. Durch pba_106.005
die Vorführung jener dieses hervorzurufen, ist also die Aufgabe, und pba_106.006
zwar, wie schon gesagt, durch indirekte Vorführung derselben.

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Das kann auf zweierlei Weise geschehen:

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Entweder, indem das Negative, seiner positiven Beimischung oder pba_106.009
des Scheines derselben entäußert, als das dargestellt wird, was es ist, pba_106.010
und durch diese Klarstellung das richtige Urteil über das, was als das pba_106.011
Positive Geltung verlangt, hervorgebracht wird.

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Oder, indem umgekehrt das vorwiegend Positive von seiner negativen pba_106.013
Beimischung oder von dem Scheine derselben befreit und als das, pba_106.014
was es ist, dem Urteil kenntlich gemacht wird und zwar gerade dadurch, pba_106.015
daß es mit dieser negativen Beimischung auftritt, und das Unvermögen pba_106.016
derselben jenes Urteil zu beeinträchtigen augenscheinlich wird. Das erstere pba_106.017
Verfahren ist vorwiegend der Satire eigen, das letztere vorwiegend dem pba_106.018
Humor; doch kann weder dieser noch jene darauf verzichten, sich zugleich pba_106.019
auch des andern Verfahrens zu bedienen, ohne die Gefahr einseitig zu pba_106.020
bleiben.

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Jede dieser beiden Verfahrungsweisen schließt nun aber in sich wieder pba_106.022
die Möglichkeit einer Umkehrung ein. Gegenüber der Austerität des Urteils, pba_106.023
welches an dem überwiegend Negativen nur dieses ins Auge faßt, pba_106.024
kann die Darstellung zu Gunsten der Gerechtigkeit und Billigkeit die pba_106.025
positive Beimischung hervorheben, und andrerseits gegenüber dem Optimismus, pba_106.026
der nichts als das Positive sehen will, zu Gunsten des Gleichgewichts pba_106.027
und vorurteilsloser Klarheit auf die anhaftenden negativen pba_106.028
Elemente hinweisen, ohne welche in der Welt der wirklichen Erscheinungen pba_106.029
auch dieses nicht zu denken ist. Hier werden die Rollen vertauscht sein: pba_106.030
das letztere ist vorwiegend das Werk der Satire, das erstere das des pba_106.031
Humors, jedoch so, daß sie, ganz wie im ersten Falle, einander wechselseitig pba_106.032
nicht entbehren können, ohne von ihrer vollen Wirkung ein Beträchtliches pba_106.033
einzubüßen.

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Jn allen diesen Fällen handelt es sich also um einen Läuterungsprozeß, pba_106.035
welcher überall darin besteht, durch die Evidenz des falschen pba_106.036
Urteils das richtige zur Reinheit von den Trübungen herzustellen, die pba_106.037
es von beiden entgegengesetzten Seiten bedrohen. Es wurde aber schon pba_106.038
hervorgehoben, daß diese Katharsis nicht auf dem Gebiete und durch pba_106.039
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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/124>, abgerufen am 25.11.2024.