Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.pba_157.001 pba_157.003 pba_157.006 pba_157.016 pba_157.019 pba_157.030 pba_157.032 pba_157.034 als daß sie schon für sich allein betrachtet und vollends im Zusammenhange des Ganzen pba_157.035 ein flagranter Protest gegen die unberechtigte Einmischung kritischer Abstraktionen in das pba_157.036 Mysterium des poetischen Schaffens und Werdens ist, deren Hamann auch einen Kritiker pba_157.037 von dem Range Lessings schuldig glaubte. pba_157.038 "Rede, daß ich dich sehe! -- --" fährt er im Tone der höchsten Emphase fort. 1 pba_157.039
"Wesen der Tierfabel" in: "Reinhart Fuchs" (1834). Erstes Kapitel. Vgl.: pba_157.040 "Auswahl aus den kleinen Schriften J. Grimms". Berlin 1871. F. Dümmler. S. 348. pba_157.001 pba_157.003 pba_157.006 pba_157.016 pba_157.019 pba_157.030 pba_157.032 pba_157.034 als daß sie schon für sich allein betrachtet und vollends im Zusammenhange des Ganzen pba_157.035 ein flagranter Protest gegen die unberechtigte Einmischung kritischer Abstraktionen in das pba_157.036 Mysterium des poetischen Schaffens und Werdens ist, deren Hamann auch einen Kritiker pba_157.037 von dem Range Lessings schuldig glaubte. pba_157.038 „Rede, daß ich dich sehe! — —“ fährt er im Tone der höchsten Emphase fort. 1 pba_157.039
„Wesen der Tierfabel“ in: „Reinhart Fuchs“ (1834). Erstes Kapitel. Vgl.: pba_157.040 „Auswahl aus den kleinen Schriften J. Grimms“. Berlin 1871. F. Dümmler. S. 348. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0175" n="157"/><lb n="pba_157.001"/> wickelung der Poesie die Fabel als einen Teil der in sich zusammenhängenden <lb n="pba_157.002"/> uralten epischen Dichtung erkannte.<note xml:id="pba_157_1" place="foot" n="1"><lb n="pba_157.039"/> „Wesen der Tierfabel“ in: „Reinhart Fuchs“ (1834). Erstes Kapitel. Vgl.: <lb n="pba_157.040"/> „Auswahl aus den kleinen Schriften J. Grimms“. Berlin 1871. F. Dümmler. S. 348.</note></p> <p><lb n="pba_157.003"/> „Die Poesie, nicht zufrieden Schicksale, Handlungen und Gedanken <lb n="pba_157.004"/> der Menschen zu umfassen, hat auch das verborgene Leben der Tiere <lb n="pba_157.005"/> bewältigen und unter ihre Einflüsse und Gesetze bringen wollen.“</p> <p><lb n="pba_157.006"/> „Ersten Anlaß hierzu entdecken wir schon in der ganzen Natur der <lb n="pba_157.007"/> für sich selbst betrachtet auf einer poetischen Grundanschauung beruhenden <lb n="pba_157.008"/> Sprache. Jndem sie nicht umhin kann, allen lebendigen, ja unbelebten <lb n="pba_157.009"/> Wesen ein Genus anzueignen, und eine stärker oder leiser daraus entfaltete <lb n="pba_157.010"/> Persönlichkeit einzuräumen, muß sie sie am deutlichsten bei den <lb n="pba_157.011"/> Tieren vorherrschen lassen, welche nicht an den Boden gebannt, neben <lb n="pba_157.012"/> voller Freiheit der Bewegung, die Gewalt der Stimme haben, und zur <lb n="pba_157.013"/> Seite des Menschen als mitthätige Geschöpfe in dem Stilleben einer <lb n="pba_157.014"/> gleichsam leidenden Pflanzenwelt auftreten. Damit scheint der Ursprung, <lb n="pba_157.015"/> fast die Notwendigkeit der Tierfabel gegeben.“</p> <p><lb n="pba_157.016"/> Nachdem dann die vielfachen Analogien und engen Beziehungen <lb n="pba_157.017"/> zwischen dem Tier- und Menschenleben sehr beredt entwickelt sind, heißt <lb n="pba_157.018"/> es weiter:</p> <p><lb n="pba_157.019"/> „Sobald einmal um diesen Zusammenhang des tierischen und <lb n="pba_157.020"/> menschlichen Lebens her die vielgeschäftige Sage und die nährende Poesie <lb n="pba_157.021"/> sich ausbreiteten, und ihn dann wieder in den Duft einer entlegenen <lb n="pba_157.022"/> Vergangenheit zurückschoben; mußte sich da nicht eine eigentümliche Reihe <lb n="pba_157.023"/> von Ueberlieferungen erzeugen und niedersetzen, welche die Grundlage <lb n="pba_157.024"/> aller Tierfabeln abgegeben haben? Alle Volkspoesie sehen wir erfüllt <lb n="pba_157.025"/> von Tieren, die sie in Bilder, Sprüche und Lieder einführt. Und konnte <lb n="pba_157.026"/> sich die allbelebende Dichtung des letzten Schrittes enthalten, den Tieren, <lb n="pba_157.027"/> die sie in menschlicher Sinnesart vorstellte, auch das unerläßliche Mittel <lb n="pba_157.028"/> näherer Gemeinschaft, Teilnahme an menschlich gegliederter Rede beizulegen?“</p> <lb n="pba_157.029"/> <p><lb n="pba_157.030"/> Und dann der entscheidende Hauptsatz, welcher zu der Lessingschen <lb n="pba_157.031"/> Theorie in den stärksten Widerspruch tritt:</p> <p><lb n="pba_157.032"/> „Die Tierfabel gründet sich also auf nichts Anderes als den <lb n="pba_157.033"/> sicheren und dauerhaften Boden jedweder epischen Dichtung, auf uner- <note xml:id="pba_155_1c" prev="#pba_155_1b" place="foot" n="1"><lb n="pba_157.034"/> als daß sie schon für sich allein betrachtet und vollends im Zusammenhange des Ganzen <lb n="pba_157.035"/> ein flagranter Protest gegen die unberechtigte Einmischung kritischer Abstraktionen in das <lb n="pba_157.036"/> Mysterium des poetischen Schaffens und Werdens ist, deren Hamann auch einen Kritiker <lb n="pba_157.037"/> von dem Range Lessings schuldig glaubte. <lb n="pba_157.038"/> „<hi rendition="#g">Rede, daß ich dich sehe!</hi> — —“ fährt er im Tone der höchsten Emphase fort.</note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [157/0175]
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wickelung der Poesie die Fabel als einen Teil der in sich zusammenhängenden pba_157.002
uralten epischen Dichtung erkannte. 1
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„Die Poesie, nicht zufrieden Schicksale, Handlungen und Gedanken pba_157.004
der Menschen zu umfassen, hat auch das verborgene Leben der Tiere pba_157.005
bewältigen und unter ihre Einflüsse und Gesetze bringen wollen.“
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„Ersten Anlaß hierzu entdecken wir schon in der ganzen Natur der pba_157.007
für sich selbst betrachtet auf einer poetischen Grundanschauung beruhenden pba_157.008
Sprache. Jndem sie nicht umhin kann, allen lebendigen, ja unbelebten pba_157.009
Wesen ein Genus anzueignen, und eine stärker oder leiser daraus entfaltete pba_157.010
Persönlichkeit einzuräumen, muß sie sie am deutlichsten bei den pba_157.011
Tieren vorherrschen lassen, welche nicht an den Boden gebannt, neben pba_157.012
voller Freiheit der Bewegung, die Gewalt der Stimme haben, und zur pba_157.013
Seite des Menschen als mitthätige Geschöpfe in dem Stilleben einer pba_157.014
gleichsam leidenden Pflanzenwelt auftreten. Damit scheint der Ursprung, pba_157.015
fast die Notwendigkeit der Tierfabel gegeben.“
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Nachdem dann die vielfachen Analogien und engen Beziehungen pba_157.017
zwischen dem Tier- und Menschenleben sehr beredt entwickelt sind, heißt pba_157.018
es weiter:
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„Sobald einmal um diesen Zusammenhang des tierischen und pba_157.020
menschlichen Lebens her die vielgeschäftige Sage und die nährende Poesie pba_157.021
sich ausbreiteten, und ihn dann wieder in den Duft einer entlegenen pba_157.022
Vergangenheit zurückschoben; mußte sich da nicht eine eigentümliche Reihe pba_157.023
von Ueberlieferungen erzeugen und niedersetzen, welche die Grundlage pba_157.024
aller Tierfabeln abgegeben haben? Alle Volkspoesie sehen wir erfüllt pba_157.025
von Tieren, die sie in Bilder, Sprüche und Lieder einführt. Und konnte pba_157.026
sich die allbelebende Dichtung des letzten Schrittes enthalten, den Tieren, pba_157.027
die sie in menschlicher Sinnesart vorstellte, auch das unerläßliche Mittel pba_157.028
näherer Gemeinschaft, Teilnahme an menschlich gegliederter Rede beizulegen?“
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Und dann der entscheidende Hauptsatz, welcher zu der Lessingschen pba_157.031
Theorie in den stärksten Widerspruch tritt:
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„Die Tierfabel gründet sich also auf nichts Anderes als den pba_157.033
sicheren und dauerhaften Boden jedweder epischen Dichtung, auf uner- 1
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„Wesen der Tierfabel“ in: „Reinhart Fuchs“ (1834). Erstes Kapitel. Vgl.: pba_157.040
„Auswahl aus den kleinen Schriften J. Grimms“. Berlin 1871. F. Dümmler. S. 348.
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als daß sie schon für sich allein betrachtet und vollends im Zusammenhange des Ganzen pba_157.035
ein flagranter Protest gegen die unberechtigte Einmischung kritischer Abstraktionen in das pba_157.036
Mysterium des poetischen Schaffens und Werdens ist, deren Hamann auch einen Kritiker pba_157.037
von dem Range Lessings schuldig glaubte. pba_157.038
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