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Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

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sich die Empfindungen selbst untereinander nach diesen Kategorien, pba_240.002
andrerseits kann eine große Zahl von ihnen je nach ihren verschiedenen pba_240.003
Graden und Beschaffenheiten der einen oder der andern dieser Kategorien pba_240.004
zugehörig sein, so die Furcht und das Mitleid, selbst der Zorn, denn es pba_240.005
gibt auch eine berechtigte und wohlthuende Art des Zürnens.

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Es gilt also den anscheinenden Widerspruch zu vereinigen, daß die pba_240.007
Empfindung des Fehlerhaften und Deformen, die an sich doch eine mißfällige pba_240.008
ist, zugleich eine erfreuliche sei, denn als eine solche muß die pba_240.009
Empfindung des Lächerlichen doch notwendig vorausgesetzt werden. pba_240.010
Die Lösung ist auf demselben Wege zu finden wie vorher. Das Gute, pba_240.011
Richtige, Übereinstimmende als solches, insofern es Gegenstand des pba_240.012
ästhetischen Urteils wird,
d. h. also, sobald es als solches pba_240.013
unmittelbar empfunden wird,
bringt die wohlgefällige Empfindung pba_240.014
direkt hervor, es erregt direkt die Freude: wir nennen es pba_240.015
dann das Schöne.
Genau so definiert es Aristoteles im neunten pba_240.016
Kapitel des ersten Buches seiner Rhetorik: kalon men oun estin, \o \an pba_240.017
agathon \on edu e, oti agathon d. h.: "das Schöne ist dasjenige pba_240.018
Gute, welches als solches ein Gegenstand freudiger Empfindung pba_240.019
ist,
" da nach einer andern Definition des Aristoteles "die Freude pba_240.020
bei der bewußten Wahrnehmung einer in uns vorgehenden Empfindung pba_240.021
stattfindet" -- vgl. Rhet. I. c. 11 (1370 a. 27): epei d' esti to pba_240.022
edesthai en to aisthanesthai tinos pathous
--.

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Wenn nun, indirekt durch die Darstellung des Gegensatzes zum pba_240.024
Guten, also des amartema und aiskhos, des Fehlerhaften und Deformen, pba_240.025
für die Empfindung dasselbe Resultat erreicht werden soll, nämlich die pba_240.026
Erregung der Freude beim Empfinden, so kann das offenbar pba_240.027
nur unter zwei Bedingungen geschehen, die den bei der Darstellung des pba_240.028
Verstandes-Lächerlichen geltenden völlig analog sind: das Fehlerhafte pba_240.029
und Deforme muß mit Bestimmtheit, unmittelbar und unzweifelhaft pba_240.030
als solches empfunden werden
-- dann wird in pba_240.031
jedem Falle ebenso unmittelbar und untrennbar damit eine Klärung pba_240.032
des Empfindens
verbunden sein, die Gewißheit der wohlgefälligen pba_240.033
Empfindung des entsprechenden Guten als solchem,
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der wirkliche oder doch vermeintliche Gewinn der Sicherheit des richtigen pba_240.035
ästhetischen Urteils; und das unmittelbar und mühelos gewonnene Bewußtsein pba_240.036
der Ausübung des rechten ästhetischen Urteils, des zweifellos pba_240.037
richtigen Empfindens muß seinerseits notwendig von der Erscheinung pba_240.038
der Freude begleitet sein. Sodann muß die Darstellung des Fehlerhaften pba_240.039
und Deformen als solchen rein sein, sie muß weder Schmerz pba_240.040
noch Schaden verursachen -- das bedeutet auf dem Gebiete des ästhe-

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sich die Empfindungen selbst untereinander nach diesen Kategorien, pba_240.002
andrerseits kann eine große Zahl von ihnen je nach ihren verschiedenen pba_240.003
Graden und Beschaffenheiten der einen oder der andern dieser Kategorien pba_240.004
zugehörig sein, so die Furcht und das Mitleid, selbst der Zorn, denn es pba_240.005
gibt auch eine berechtigte und wohlthuende Art des Zürnens.

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Es gilt also den anscheinenden Widerspruch zu vereinigen, daß die pba_240.007
Empfindung des Fehlerhaften und Deformen, die an sich doch eine mißfällige pba_240.008
ist, zugleich eine erfreuliche sei, denn als eine solche muß die pba_240.009
Empfindung des Lächerlichen doch notwendig vorausgesetzt werden. pba_240.010
Die Lösung ist auf demselben Wege zu finden wie vorher. Das Gute, pba_240.011
Richtige, Übereinstimmende als solches, insofern es Gegenstand des pba_240.012
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unmittelbar empfunden wird,
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dann das Schöne.
Genau so definiert es Aristoteles im neunten pba_240.016
Kapitel des ersten Buches seiner Rhetorik: καλὸν μὲν οῦν ἐστὶν, \̔ο \̓αν pba_240.017
ἀγαθὸν \̓ον ἡδὺ ᾖ, ὅτι ἀγαθόν d. h.: „das Schöne ist dasjenige pba_240.018
Gute, welches als solches ein Gegenstand freudiger Empfindung pba_240.019
ist,
“ da nach einer andern Definition des Aristoteles „die Freude pba_240.020
bei der bewußten Wahrnehmung einer in uns vorgehenden Empfindung pba_240.021
stattfindet“ — vgl. Rhet. I. c. 11 (1370 a. 27): ἐπεὶ δ' ἐστὶ τὸ pba_240.022
ἥδεσθαι ἐν τῷ αἰσθάνεσθαί τινος πάθους
—.

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Wenn nun, indirekt durch die Darstellung des Gegensatzes zum pba_240.024
Guten, also des ἁμάρτημα und ἆισχος, des Fehlerhaften und Deformen, pba_240.025
für die Empfindung dasselbe Resultat erreicht werden soll, nämlich die pba_240.026
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nur unter zwei Bedingungen geschehen, die den bei der Darstellung des pba_240.028
Verstandes-Lächerlichen geltenden völlig analog sind: das Fehlerhafte pba_240.029
und Deforme muß mit Bestimmtheit, unmittelbar und unzweifelhaft pba_240.030
als solches empfunden werden
— dann wird in pba_240.031
jedem Falle ebenso unmittelbar und untrennbar damit eine Klärung pba_240.032
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[240/0258] pba_240.001 sich die Empfindungen selbst untereinander nach diesen Kategorien, pba_240.002 andrerseits kann eine große Zahl von ihnen je nach ihren verschiedenen pba_240.003 Graden und Beschaffenheiten der einen oder der andern dieser Kategorien pba_240.004 zugehörig sein, so die Furcht und das Mitleid, selbst der Zorn, denn es pba_240.005 gibt auch eine berechtigte und wohlthuende Art des Zürnens. pba_240.006 Es gilt also den anscheinenden Widerspruch zu vereinigen, daß die pba_240.007 Empfindung des Fehlerhaften und Deformen, die an sich doch eine mißfällige pba_240.008 ist, zugleich eine erfreuliche sei, denn als eine solche muß die pba_240.009 Empfindung des Lächerlichen doch notwendig vorausgesetzt werden. pba_240.010 Die Lösung ist auf demselben Wege zu finden wie vorher. Das Gute, pba_240.011 Richtige, Übereinstimmende als solches, insofern es Gegenstand des pba_240.012 ästhetischen Urteils wird, d. h. also, sobald es als solches pba_240.013 unmittelbar empfunden wird, bringt die wohlgefällige Empfindung pba_240.014 direkt hervor, es erregt direkt die Freude: wir nennen es pba_240.015 dann das Schöne. Genau so definiert es Aristoteles im neunten pba_240.016 Kapitel des ersten Buches seiner Rhetorik: καλὸν μὲν οῦν ἐστὶν, \̔ο \̓αν pba_240.017 ἀγαθὸν \̓ον ἡδὺ ᾖ, ὅτι ἀγαθόν d. h.: „das Schöne ist dasjenige pba_240.018 Gute, welches als solches ein Gegenstand freudiger Empfindung pba_240.019 ist,“ da nach einer andern Definition des Aristoteles „die Freude pba_240.020 bei der bewußten Wahrnehmung einer in uns vorgehenden Empfindung pba_240.021 stattfindet“ — vgl. Rhet. I. c. 11 (1370 a. 27): ἐπεὶ δ' ἐστὶ τὸ pba_240.022 ἥδεσθαι ἐν τῷ αἰσθάνεσθαί τινος πάθους —. pba_240.023 Wenn nun, indirekt durch die Darstellung des Gegensatzes zum pba_240.024 Guten, also des ἁμάρτημα und ἆισχος, des Fehlerhaften und Deformen, pba_240.025 für die Empfindung dasselbe Resultat erreicht werden soll, nämlich die pba_240.026 Erregung der Freude beim Empfinden, so kann das offenbar pba_240.027 nur unter zwei Bedingungen geschehen, die den bei der Darstellung des pba_240.028 Verstandes-Lächerlichen geltenden völlig analog sind: das Fehlerhafte pba_240.029 und Deforme muß mit Bestimmtheit, unmittelbar und unzweifelhaft pba_240.030 als solches empfunden werden — dann wird in pba_240.031 jedem Falle ebenso unmittelbar und untrennbar damit eine Klärung pba_240.032 des Empfindens verbunden sein, die Gewißheit der wohlgefälligen pba_240.033 Empfindung des entsprechenden Guten als solchem, pba_240.034 der wirkliche oder doch vermeintliche Gewinn der Sicherheit des richtigen pba_240.035 ästhetischen Urteils; und das unmittelbar und mühelos gewonnene Bewußtsein pba_240.036 der Ausübung des rechten ästhetischen Urteils, des zweifellos pba_240.037 richtigen Empfindens muß seinerseits notwendig von der Erscheinung pba_240.038 der Freude begleitet sein. Sodann muß die Darstellung des Fehlerhaften pba_240.039 und Deformen als solchen rein sein, sie muß weder Schmerz pba_240.040 noch Schaden verursachen — das bedeutet auf dem Gebiete des ästhe-

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Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/258>, abgerufen am 22.11.2024.